Münchner Momente:Eine wichtige Durchsage

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Der Reiseruf des ADAC war voller Geheimnise. Heute gibt es die Suchmeldungen kaum noch, statt dessen liest man lauter unwichtige Nachrichten auf dem Handy

Kolumne von Karl Forster

Der Äther ist voll von Belanglosigkeiten. "Hallo, Spatzl, hab gerade Schnitzel gegessen, war prima." - "Servus Sepp, ich kann heut Abend nicht zum Schafkopfen kommen, muss Hemden bügeln." Manchmal aber ist Relevantes dabei, wobei es sich mitunter um Unerfreuliches handelt. Der Bruder hat sich das Bein gebrochen, die Menschen der unteren Wohnung klagen über Wasser, das von der Decke tropft, die Tante liegt im Sterben. Momente, in denen das Kommunikationsgerät der Gegenwart, also das mobile Telefon, eine gewisse Bedeutungsschwere erlangt.

Doch es gab auch eine Zeit vor dem Handy, in der man Schnitzel aß, allerdings ohne deren Schmackhaftigkeit der Welt kundtun zu müssen, in der man Dates ab- oder zusagte. Und in der Unerfreuliches passierte, Beinbruch, Wassereinbruch, Lebensende. Solches geschah auch (gefühlt: vor allem) während der Urlaubszeit, in der man fröhlich fernab von München unterwegs war in Reims, Rom oder Reykjavik. Unerreichbar, es sei denn per Brief - postlagernd. Eine Methode, die jüngeren Mitmenschen weitgehend unbekannt sein dürfte. Genauso wie das Phänomen des ADAC-Reiserufs. Ein radiotechnisches Element, das man irgendwie vermisst. Hinter der Ansage "Familie Meier aus München, zur Zeit vermutlich unterwegs im Raum Rimini mit einem grünen Golf mit dem Kennzeichen X-Y 1234, wird gebeten, sich umgehend mit xxx in Verbindung zu setzen", steckte immer ein großes Geheimnis, denn gesendet wurden nur Suchmeldungen, wenn wirklich Erhebliches geschehen ist. Was war's? Tod? Feuer? Ein Lottogewinn? Jeder entgegenkommende grüne Golf wurde intensiv inspiziert. Doch, so die heimliche Angst, was täte man, stünde eben jener grüne Golf mit der angesagten Nummer plötzlich an der Tankstelle vor einem? Hallo, Sie sollen anrufen, ja, zu Hause, oder beim ADAC. Man wäre Überbringer wohl schlimmer Nachrichten, müsste Tränen erleben oder Schlimmeres, würde Teil eines Dramas.

Noch gibt es den ADAC Reiseruf, auch wenn er, so die Statistik, kaum noch genutzt wird. Vor der Jahrtausendwende waren es noch über tausend Ausstrahlungen, 2012 nur noch drei. Und heute? Müsste schon das Handy kaputt sein, wenn der Makler anzurufen versucht: Habe eine bezahlbare Wohnung in München für Sie! Erheblicher geht es fast nicht.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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