Münchner Momente:Edel, gut und sehr erschöpft

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Hier eine Demo, dort eine Demo und dann noch eine Demo gegen eine andere Demo: vom Dauerstress, Haltung zu zeigen

Kolumne von Christiane Lutz

Sich zu engagieren ist mühsam. Das weiß jeder, der schon einmal in einem schwachen Moment angeboten hat, Elternsprecher, Pflanzenbeauftragter im Büro oder Gruppengeschenkbeschaffer zu werden. Engagement ist nervig, Engagement ist aufwendig, und das Wort "Gage" steckt da nur zufällig drin, denn meist gibt es wenig bis gar nichts. Klar: Sich sozial zu verhalten ist ein hübsches Gefühl. Für die eigene Überzeugung einstehen auch. Und herrje, zum Pflanzenbeauftragten lässt man sich machen, damit endlich eine Ruhe ist. Unterm Strich, das sagen Engagierte, fühlten sie sich edel und gut.

Nun ist zu fürchten, dass sich diese Balance zwischen Kosten und Nutzen für engagierte, linkspolitisch orientierte Münchner nicht mehr halten lässt. Seit Kurzem nämlich herrscht in der Stadt ein Überangebot an Engagementmöglichkeiten. Am Samstag zum Beispiel: gleich zwei Demos gegen den Mietwahnsinn, einmal eine namens "Ausspekuliert" und eine andere "Ohne Moos wohnungslos". Parallel findet die "Aufstehen gegen Hetze"-Demo statt, eine Demo, bei der gegen eine andere Demo demonstriert wird. Wer soll das bitte schaffen?

Coaches bieten inzwischen extra Seminare "Leben mit Demonstration" an, Programmierer arbeiten an einer Demo-Kalender-App. Auch in den Familien macht sich das Dauerengagement bemerkbar: Der geplante Besuch des Pferde-Themenparks "Equilaland" am Wochenende muss leider ausfallen. Sorry, Papa muss zur Demo. Die ersten Münchner Paare klagen schon über Entfremdung. Weil so viele Demos parallel stattfänden, sähen sich kaum noch. Einer geht zu "Ausspekuliert", der andere zu "Aufstehen gegen Hetze". Zur künftig jeden Donnerstag vor der Staatskanzlei geplanten Demo gegen Horst Seehofer und Verfassungsschutz-Chef Maaßen immerhin, da könnte man gemeinsam gehen. Pärchenabend, sozusagen.

Eine Lösung des Problems sehen die Betroffenen nur in der Möglichkeit, dass sich der ein oder andere Schmarrn, gegen den protestiert werden muss, sich doch bitte einfach bald erledigt haben möge.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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