Münchner Momente:Charmantes Bavarenglisch

Es gibt Sprachpolizisten, die gnadenlos die korrekte Aussprache des Englischen kontrollieren und ertappte Sünder als Provinztrottel an den Pranger stellen. Gerade in der Tram sollten sie sich aber zurückhalten

Von Wolfgang Görl

Wer mit der Trambahn auf der Arnulfstraße stadteinwärts fährt, kommt am Hauptbahnhof in den Genuss einer Lautsprecherdurchsage, die jedermann zum Aussteigen auffordert, weil die Fahrt wegen Bauarbeiten hier endet. Der Ansager spricht ein gepflegtes Bairisch, er redet wie der freundliche Nachbar im Biergarten, sodass man sich ohne Murren ins Schicksal fügt. Dann folgt die Durchsage in Englisch, und auch die klingt mehr nach Giesing als nach Oxford. Selbstverständlich ist das eine Steilvorlage für alle Schlaumeier, die zum Beweis ihrer Weltläufigkeit jeden verspotten, der nicht Englisch spricht wie ein Mitglied der britischen Upperclass. Diese Sprachpolizisten, die nebenher Whisky sammeln und das Handelsblatt im Original lesen, machen es sich zur Aufgabe, gnadenlos die korrekte Aussprache zu kontrollieren und ertappte Sünder als Provinztrottel an den Pranger zu stellen. Eines ihrer beliebtesten Opfer war vor Jahren der damalige Finanzminister Erwin Huber, dessen an sich ganz passables Englisch wie der Dialekt einer niederbayerischen Sprachinsel klingt. Mit Hohn und Spott über Hubers Englisch hatte man beim After-Work-Cocktail im Schumann's stets ein paar todsichere Lacher.

Kann es sein, dass solche Sprachhüter in Wirklichkeit kleine, pingelige Spießer sind? Wieso muss eine Durchsage in der Münchner Trambahn klingen wie eine Verlautbarung des Hauses Windsor? Nein, muss sie nicht, im Gegenteil. Es ist wunderbar, wenn sich bayerische und englische Laute zu einer ganz eigenen Sprache vermischen, die im Übrigen auch nicht schlechter ist als das Englisch der Amerikaner. Überhaupt tun fremde Klänge einer Sprache gut. So gibt es kein charmanteres Deutsch als jenes, das Franzosen sprechen. Ob Englisch durch bayerische Töne an Charme zulegt, ist weniger gewiss, doch nicht ausgeschlossen. Jedenfalls sollte der Versuch fortgesetzt werden. Für die Überwachungstrupps der Sprachpolizei aber gilt: Hold your Schnabel!

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