Münchner Momente:Beschwerde an mich

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Per Brief beklagt sich ein Stadtteil-Politiker beim Wirtschaftsreferat. Das kuriose daran: Derselbe Mann ist Chef der kritisierten Behörde

Kolumne von Heiner Effern

Wer sich als Mitarbeiter eines größeren Unternehmens noch nie über verkochte Nudeln, labbriges Fleisch und ganz grundsätzlich über den Niedergang der Kantine beschwert hat, der muss seine sozialen Kompetenzen überdenken. Eine solche Expertise gehört zum guten Ton unter Kollegen und muss nicht zwingend mit der Qualität der Speisen zu tun haben. Ähnlich hart wie die Köche leiden sonst nur die IT-Experten, die bekanntlich auch nie etwas auf die Reihe bekommen. Politiker wiederum dürfen sich über das Essen nicht beschweren, weil sie zu jedem Anlass eingeladen werden. Und dass sie mit modernen Kommunikationsmitteln nicht umgehen können, belegt ein halbstündiger Ausflug in die sozialen Medien. Doch sie verfügen über einen adäquaten Ersatz: Politiker haben die Verwaltung.

Die Mitarbeiter dort servieren nicht nur labbrige Vorlagen, sie verteilen diese nach wie vor auch durch in die Jahre gekommenes, hemmungsloses Kopieren. Die Verwaltung überschreitet dazu jede gesetzte Frist, schreit ständig nach zusätzlichen Kollegen und setzt natürlich nur widerwillig um, was ihr die Politiker vorgeben. Gelegentlich versuchen diese durch überschwängliches Lob die Menschen in der Verwaltung zu verwirren, was aber nie dauerhaft gelingt. Denn die nächste Breitseite rückt die Beziehung wieder zurecht.

Der Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching zum Beispiel musste sich jüngst wieder einmal wehren. Es ging um ein paar neue Busspuren, die allerdings alle in anderen Vierteln geplant sind. Weshalb das Gremium in der Oktobersitzung folgerichtig die "Nichtbefassung" beschloss, da der eigene Stadtbezirk nicht betroffen sei. In der Stellungnahme schickt der Vorsitzende Clemens Baumgärtner dann aber noch einen Gruß an die Verwaltung mit: "Darüber hinaus möchten wir mitteilen, dass sich der Bezirksausschuss 18 auch grundsätzlich dagegen verwehrt, sich derart kurzfristig mit solch umfangreichen Vorlagen auseinander zu setzen", heißt es in dem Schreiben an das zuständige Wirtschaftsreferat. Nicht bekannt ist, ob sich der Vorsitzende Baumgärtner das Schreiben selbst geschickt oder gleich mitgenommen und auf den Schreibtisch seines Dienstbüros gelegt hat. Im Hauptjob arbeitet Baumgärtner als Chef des Wirtschaftsreferats der Stadt München.

© SZ vom 24.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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