Münchner Medienmarathon:Die bewegte Stadt

Lesezeit: 3 min

8850 Marathonläufer erleben eine begeisternde Zuschauerkulisse. Der Südtiroler Hermann Achmüller gewann mit rund vier Minuten Vorsprung.

Christina Warta

Fünf japanische Touristen stehen an der Residenz und wundern sich. Ein Strom von Läufern ergießt sich über die Residenzstraße, es sind hunderte, irgendwann tausende Läufer, und der Strom hört nicht auf. Die Japaner besprechen sich, sie würden gerne die Straße überqueren, doch sie können nicht, weil die Marathonläufer einander auf den Fersen folgen. Also bleiben sie auf dem Bürgersteig stehen und beobachten erstaunt die vielen Menschen, die an ihnen vorbei zum Marienplatz laufen: viele Männer und Frauen, ein Vater, der sein glucksendes Kind in einem Wagen mit sich schiebt, ein Mann mit Blondinenperücke und Dirndl und schließlich der als Pumuckl verkleidete Dietmar Mücke, der zwar keine Schuhe trägt, dafür aber Geld für einen guten Zweck sammelt.

Man kann für die Touristen nur hoffen, dass sie nicht gewartet haben, bis auch der letzte Läufer an ihnen vorbeigerannt war - das hätte sich eine Weile hingezogen. 8850 Läufer haben sich gestern früh im Olympiapark auf einen 42 Kilometer langen Weg durch die Stadt gemacht - zum sechsten Medienmarathon seit der Wiederbelebung im Jahr 2000, und zum 20. Stadtmarathon in München überhaupt.

Vier Minuten Vorsprung

Am Ende rannte ein Altbekannter als Erster durch das Marathontor ins Olympiastadion: Der Südtiroler Hermann Achmüller war zum dritten Mal in München mitgelaufen - gewonnen hatte er noch nie. Nach 2:24:27 Stunden kam er mit gut vier Minuten Vorsprung auf seinen Landsmann Christian Jocher (2:28:53) und Markus van Ghemen (2:29:43) vom TV Schriesheim im Ziel an.

Erst am Donnerstag hatte sich Achmüller bei Organisator Gernot Weigl angemeldet. "Ich dachte mir, ich probiere München", sagte er, "und ich muss sagen: Hier zu gewinnen ist viel, viel schöner als Zweiter zu werden." Diesen Platz hatte Achmüller 2003 belegt. Ohnehin ist der sympathische Läufer ein notorischer Marathon-Vielstarter: Beim Lauf in London lief er in diesem Jahr mit 2:18:58 Stunden eine neue persönliche Bestzeit, beim Berlin-Marathon vor zwei Wochen brauchte er 2:21:40 Stunden ("Da wollte ich schon abbrechen").

Und nun also München: Gemeinsam mit Andreas Sterzinger hatte er sich schon bei Kilometer drei vom Rest des Feldes abgesetzt. Bei Kilometer 25 startete Achmüller seine erste und einzige Attacke und ließ Sterzinger hinter sich. "Bei Kilometer 35 hatte Hermann so ein Kopfnicken, da dachte ich: oje", sagte Marathonchef Weigl. Doch der Mann, der normalerweise als Masseur arbeitet, biss sich durch. "Das lag nur am Kopf, wir Südtiroler haben harte Schädel", stellte er vergnügt fest.

An einer Tatsache lässt sich allerdings nicht rütteln: Die Siegeszeiten von Hermann Achmüller und der schnellsten Frau Cornelia Firsching (2:53:55) werden kaum eine Rekordliste durcheinander wirbeln. Auch in diesem Jahr hat Weigl hartnäckig sein Konzept des "local hero" verfolgt, bewusst keine schnellen Afrikaner oder Japanerinnen mit Antrittsgagen nach München gelockt und damit auf spektakuläre Rekorde verzichtet. Für andere hat der München-Marathon dadurch aber an Attraktivität gewonnen. Tanja Schmidt von der LC Saar etwa rannte beim ersten Marathon ihres Lebens gleich auf Platz zwei (2:55:09) - den Tipp hatte ihr ihr Trainer Uwe Hartmann gegeben, "und er hatte Recht, das hat mich unheimlich motiviert", sagte sie. Platz drei belegte Birgit Koch (LG Rupertiwinkel), die lange geführt hatte, aber dann eingebrochen war (2:55:52).

Gedränge im Olympiastadion

Der Marathon 2005 hat jedenfalls gezeigt, dass es den Münchnern nicht unbedingt auf große Namen und schnelle Zeiten ankommt. Entlang der Strecke war noch nie so viel los wie in diesem Jahr - besonders in der Ludwigstraße, am Marienplatz und im Tal drängten sich die Menschen an den Absperrungen, um wenigstens einen kurzen Blick auf die vorbeihastenden Läufer zu ergattern. Die Polizei schätzte rund 100000 Zuschauer. Doch das Gedränge war nicht überall so dicht: "Im Osten haben wir noch viel Arbeit", sagte Weigl, "da war nicht viel los."

Umso größer dafür das Gedränge im Olympiastadion: Massen von Läufern drängten am frühen Nachmittag ins Stadion, tappten Bananen essend zwischen den Kulissen einer chinesischen Lichtshow herum und zogen gleich einer Karawane über eine Brücke wieder nach draußen. Als Paula Mairer, die österreichische Rückwärtsläuferin, nach 6:27:11 Stunden völlig erschöpft als Letzte endlich im Ziel ankam, waren die meisten Läufer schon längst auf dem Weg nach Hause.

© SZ vom 10.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: