Kritik und Vorschau:Idealer Klangraum

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Start der Musikreihe "Between" im Münchner Kunstverein

Von Jürgen Moises, München

Was macht man mit leerstehenden und ungenutzten Räumen? In einer Stadt wie München ist das eine sehr drängende Frage. Das Problem ist, dass man den Leerstand erst einmal bemerken muss. Und selbst dann kann man nicht immer etwas tun, etwa weil der Besitzer eigene Pläne hat und sich den Wünschen der Stadt oder denen der Platz- und Wohnungssuchenden verweigert. Bei sanierungsbedürftigen oder vor dem Abriss stehenden Häusern ist wiederum die kulturelle Zwischennutzung eine beliebte Lösung, damit zumindest die Kunst für kurze Zeit etwas vom Leerstand hat. Im Münchner Kunstverein sieht man das ähnlich, wobei dieser nicht saniert oder gar abgerissen wird. Aber zwischen den Ausstellungen stehen die Räume dort oft leer. Und das führte beim Kuratorenteam zur Frage: Warum lassen wir diese in der Zeit nicht von jemand anderem bespielen?

Die Antwort darauf, die nennt sich "Between". Ein jeweils 24 Stunden dauerndes Programm, das von wechselnden Musikern, Komponisten und Performern gestaltet wird. Die hohen Räume des dann auch nachts geöffneten Kunstvereins werden dabei gewissermaßen zur freien Bühne. Denn die eingeladenen Künstler dürfen selbst entscheiden, was sie präsentieren. Bei kuratierten Filmprogrammen nennt man das gerne mal "Carte Blanche", die in dem Fall der Hamburger Autor, DJ und Musikkurator Nguyen Phuong-Dan in die Hand bekommen hat. Das heißt: Phuong-Dan, der unter dem Namen " Dispari" auch ein Label und eine Performance-Plattform betreibt, hat am vergangenen Wochenende zusammen mit künstlerischen Freunden das erste "Between"-Programm bestritten.

Das geschah in Form von DJ-Sets, "Mixtapes", Videos oder Klangstücken, die neben Nguyen Phuong-Dan von Laila Sakini, Fleurop, Annika Larsson und Jessica Ekomane stammten. Hinzu kamen kleine Konzerte und Performances von TinTin Patrone und Florian Bräunlich, für die eine kleine Bühne, eine Anlage und Boxen aufgebaut waren. Für die Besucher gab es Bänke, Sitzblöcke und Teppiche. Man konnte also im Stehen, Sitzen oder Liegen zuhören. Beim "Mix" von Nguyen Phuong-Dan, der sich irgendwo zwischen Ambient, Weltmusik und Klangkunst bewegte, war sicherlich Liegen nicht die schlechteste Wahl. Bei der deutsch-philippinischen Komponistin, Musikerin und Performancekünstlerin TinTin Patrone war dagegen auch das aufmerksame Zusehen spannend. Die Hamburgerin spielte eine elektronisch verstärkte Posaune und erzeugte damit unter anderem Drones. Das heißt tiefe, brummende Töne, die sich in Gestalt von Loops zu regelrechten Klanggewittern hochschaukelten. Vibrierende Wände inklusive.

Der große Ausstellungsraum erwies sich dafür jedenfalls als idealer Klangraum, und man kann hier ohne Frage von einem gelungenen Auftakt von "Between" sprechen. Am 27. November, nach der kommenden Ausstellung von Bea Schlingelhoff, folgt übrigens die zweite Ausgabe der zunächst für ein Jahr angesetzten Klangreihe. Dann steht 24 Stunden lang die Musik des 2014 verstorbenen, experimentellen Opern- und Theater-Komponisten Robert Ashley im Zentrum. Eingeladen ist dazu etwa der amerikanische Komponist, Kritiker und Musikprofessor Kyle Gann. Und im nächsten Jahr sind dann unter anderen die amerikanische Designerin Dozie Kanu und die schwedische Komponistin Kali Malone im leeren Münchner Kunstverein zu Gast.

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