Süddeutsche Zeitung

Neue Brauerei:Das Münchner Kindl kehrt heim

Eine Traditionsbrauerei wird wiederbelebt und feiert am Stadtrand in Obergiesing Grundsteinlegung. Voraussichtlich 2024 soll dort das erste Bier fließen.

Von Franz Kotteder

"Eine Brauerei in München zu bauen, das ist, wie vor der Kaaba in Mekka ein Spanferkel zu grillen", sagt der Kabarettist Ottfried Fischer in seiner Videobotschaft. Womöglich ist das leicht übertrieben. Aber ein gewisses Wagnis stellt es dann doch dar, wenn man sich wie Dietrich Sailer und seine beiden Söhne Luis und Leo dazu entschließt, die einstmals traditionsreiche Münchner-Kindl-Brauerei wieder aufleben zu lassen. Bislang ging der Plan erstaunlich gut auf, und so konnte am Freitagmittag an der Tegernseer Landstraße 337, fast direkt an der Stadtgrenze und bei der Autobahn A 995, die Grundsteinlegung gefeiert werden.

Den feierlichen Akt im acht Meter tiefen Rohbau des neuen Brauereigebäudes überließen die Sailers dabei zwei sehr unterschiedlichen Prominenten: Luitpold Prinz von Bayern von der Schlossbrauerei Kaltenberg und Didi Schreiner, Münchens bekanntestem Obsthändler vom Geschwister-Scholl-Platz. Das hatte natürlich etwas Programmatisches, was die Bandbreite angeht - auf der einen Seite bayerischer Hochadel in Gestalt der Wittelsbacher, auf der anderen ein ziemlich Bürgerlicher, sprich: ein Obstdantler, der auch ganz schön blöd daherreden kann. Im Falle des Prinzen gibt es noch eine weitere Verbindung. "Die Brauerei Kaltenberg hat 1954 von der Kindlbrauerei große, gebrauchte Holzfässer gekauft", erzählte Luitpold von Bayern, "60 davon gibt es heute noch, und wenn Ihr nett seid, kriegt Ihr auch eines von uns!"

Das wäre durchaus im Sinne der Sailers. Denn die - Brauer in fünfter Generation, der Familie gehört das Hofbräuhaus Traunstein - beziehen sich mit ihrer Münchner-Kindl-Brauerei ja ganz explizit auf eine große Tradition. Denn ihre neue Brauerei gab es schon mal. 1880 in Haidhausen gegründet, ging sie 1905 in der Unionsbrauerei auf, die später dann mit Löwenbräu fusionierte. Kindlbräu-Gründer Josef Schülein und sein Sohn Hermann, später Generaldirektor bei Löwenbräu, mussten 1935 vor den Nazis aus Deutschland fliehen und kamen nach dem Krieg nur noch besuchsweise zurück.

Die Namensrechte am Münchner-Kindl-Bräu aber verblieben bei Löwenbräu, das heute zum internationalen Braukonzern AB-Inbev gehört. Dietrich Sailer übernahm sie dann, kostenfrei noch dazu: "Weder in der deutschen Zentrale in Bremen, noch in der europäischen in Belgien oder dem Firmenhauptquartier in Südamerika wollte irgendjemand etwas damit anfangen."

Sailer schon. Und so "kehrt nun also eine Münchner Traditionsmarke nach München zurück", worüber sich Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) bei ihrer kurzen Ansprache besonders freute. 41 verschiedene Grundstücke hatte Sailer sich in München angesehen, die ehemalige Tankstelle der amerikanischen Streitkräfte am Stadtrand wird nun der neue Brauereistandort. Unter Schwierigkeiten, denn das Grundstück war merkwürdigerweise im Flächennutzungsplan als Biotop ausgewiesen. Der Stadtrat hatte der Umwidmung mit breitester Mehrheit zugestimmt, der gemeinsame Antrag war von CSU und SPD gekommen.

Nun wird gebaut, zu ebener Erde ist man schon angelangt. Voraussichtlich 2024 soll dann das erste Bier in Obergiesing fließen, gebraut mit Wasser aus dem eigenen Tiefbrunnen. Zum Reifen wird es, ganz traditionell, gelagert in acht Meter tiefen, kühlen Kellern. Bei der Grundsteinfeier gab es deshalb Bier vom Kollegen Steffen Marx, dem Inhaber der Giesinger Brauerei. Der hat, anders als die großen Münchner Brauer, am Freitag ebenfalls mitgefeiert.

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