Süddeutsche Zeitung

Münchner Kammerspiele:Warten auf die Helden

Am zweiten Eröffnungswochenende zeigen die Kammerspiele Tollers "Eine Jugend in Deutschland", ein Doku-Format über Streitgespräche und ein feministisches Stück über eine vergessene Comic-Figur.

Von Christiane Lutz

Die erste Premierenwoche haben die Kammerspiele trotz Corona und schlechtem Wetter bei der Performance auf dem Odeonsplatz überstanden, jetzt geht es direkt in die zweite Runde. Die angekündigten Premieren lassen Theater vermuten, das eher an klassisches Sprechtheater erinnert, diesmal findet auch alles in geschlossenen Räumen statt. Am Freitag, 16. Oktober, hat "Eine Jugend in Deutschland" im Schauspielhaus Premiere. Es ist eine Adaption des gleichnamigen autobiografischen Romans von Ernst Toller. Toller beschreibt darin seine Jugend bis zum Jahr 1924, die vom Ersten Weltkrieg bestimmt wurde. Als Freiwilliger zog er begeistert in den Krieg und kehrte als Pazifist zurück. Anschließend kämpfte er in München an der Seite des Arbeiterführers Kurt Eisner und landete nach einer Kundgebung auf der Theresienwiese im Militärgefängnis, wo er Marx, Engels und Luxemburg studierte.

Regisseur Jan-Christoph Gockel ist bekannt für seine teils dokumentarischen, teils musikalischen Inszenierungen und dafür, dass er gern mit Puppenbauer und -spieler Michael Pietsch arbeitet. Gockel will nun in dem sechsteiligen Abend "Eine Jugend in Deutschland" dem rastlosen Künstlerleben Ernst Tollers zwischen Krieg und Räterepublik nachspüren, unterstützt und miterzählt von Pietschs Puppen. Ein paar Schauspieler sind natürlich auch dabei. Gro Swantje Kolhof und Walter Hess etwa sind als vertraute Gesichter darunter, neu auf der Kammerspiele-Bühne sind etwa André Benndorff, Sebastian Brandes und Julia Gräfner.

Am nächsten Abend, Samstag, 17. Oktober, ist im Werkraum "The Assembly / Die Versammlung" von Alex Ivanovici, Annabel Soutar und Brett Watson zu sehen. Es ist eine Koproduktion mit der kanadischen Doku-Theatergruppe "Porte Parole". "The Assembly" ist ein bereits bestehendes Format, bei dem das Kollektiv seit 2017 Menschen mit kontroversen Haltungen zum Gespräch zusammen führt. Die Protokolle dieser Runden verarbeiten die Künstler dann zu neuen Stücken, die aufgeführt werden. Sie wollen darin die Spannungen innerhalb einer Gesellschaft zeigen, die Themen, die die Menschen aktuell bewegen. Diesmal hat das Stück der Kanadier Chris Abraham mit Kammerspiele-Schauspielern inszeniert, nach einem kontroversen Gesprächsabend.

Die Regisseurin Heike M. Goetze hat zum Ende des Eröffnungsreigens noch das Stück "Liebe. Eine argumentative Übung" im Schauspielhaus inszeniert. In dem Text betrachtet die mehrfach ausgezeichnete und zuletzt zu den Mühlheimer Theatertagen eingeladene Autorin Sivan Ben Yishai die Figur Olivia. Olivia ist die treue, aber auch etwas treudoofe Partnerin des Comic-Helden und Testosteron-Königs Popeye. Nachdem Olivia zunächst überzeugt ist, ein modernes Frauenleben zu führen, gerät sie zunehmend in Rage über das seltsame Ding der Liebe, in dem sie sich als Frau nicht mehr auskennt.

Eine Jugend in Deutschland, Freitag, 16. Oktober, 18 Uhr, Kammerspiele, Schauspielhaus; The Assembly / Die Versammlung, Samstag, 17. Oktober, 20 Uhr, Werkraum; Liebe. Eine argumentative Übung, Sonntag, 18. Oktober, 20 Uhr, Schauspielhaus; Maximilianstraße 24, Telefon 21 83 73 00

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Quelle:
SZ vom 15.10.2020
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