Erst hat man kein Glück, dann kommt auch noch Pech dazu. Kein Glück hatten die Münchner Kammerspiele in der vergangenen Saison zur Genüge, doch schien dies mit Beginn der laufenden Saison überwunden zu sein. Dann kam das Pech: Die für den 19. November geplante Premiere der Romane "Plattform" und "Unterwerfung" von Michel Houellebecq musste abgesagt werden. Warum? "Das weiß ich selber nicht", sagt Kammerspiel-Intendant Matthias Lilienthal.
Wobei sich "Nicht-wissen" auf die tieferen Gründe bezieht, die äußeren Vorgänge kann er natürlich beschreiben, auch wenn in dieser Beschreibung "spekulative Anteile" enthalten seien. Den Kammerspielen hat das ungewollt negative Schlagzeilen eingebracht, die sich nun munter fortsetzen, da ausgerechnet Publikumsliebling Brigitte Hobmeier ihren Ausstieg aus dem Ensemble zum Ende der Spielzeit verkündete. "Wie auf dem Abstellgleis" habe sie sich dort gefühlt, hatte sie ihr Aus am Hause Lilienthal begründet.
Am Tag danach erntete sie für diesen Schritt durchaus Verständnis, sogar beim Intendanten selbst. Lilienthal räumt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ein, dass sie den Vorwurf, sein Haus sei ihr nicht genug entgegengekommen, zu Recht erheben könne. Er hoffe aber, künftig mit Hobmeier "in einem freieren Verhältnis" zusammenarbeiten zu können.
Lilienthals Chef, der städtische Kulturreferent Hans-Georg Küppers, bedauert Hobmeiers Entschluss. Zugleich zeigte er aber auch Verständnis dafür, "dass sich ein Schauspieler in diesem Ensemble zur Zeit nicht wiederfindet". Das ist aber allenfalls nur eine leise Kritik an Lilienthal, denn generell verteidigt der Kulturreferent den experimentellen Kurs an den Kammerspielen: "Dinge, die neu gestartet werden, brauchen auch immer ihre Zeit, um zu funktionieren", sagte Küppers in einem SZ-Interview.
Dass die Houellebecq-Produktion, die schon wegen der Themen islamistischer Terror und Unterwerfung Frankreichs zum islamisierten Staat, eine der herausragenden der Spielzeit werden sollte, nicht funktionierte, führt Lilienthal auf drei Gründe zurück. Durch eine Terminverschiebung war der junge französische Regisseur Julien Gosselin zu Beginn der Proben in München noch damit beschäftigt, den Ruhm seiner Arbeit beim Festival von Avignon zu genießen; dort hatte er in elf Stunden Aufführungsdauer Roberto Bolaños Roman "2666" auf die Bühne gebracht.
Grund zwei sei, so Lilienthal, ein bei Gosselin grundsätzlich vorhandener hoher Anspruch ans eigene Arbeiten. Grund drei, sei entscheidend: Gosselin sei, so Lilienthal, das französische Theatersystem gewohnt. Also keinen Repertoirebetrieb, der ihn erst einmal dergestalt verblüffte, dass die Schauspieler am Abend eines Probentages auch noch in anderen Aufführungen auf der Bühne stehen müssen.
Daneben ist Gosselin offenbar recht verhätschelt, was die Betreuung der Proben durch Techniker betrifft; zwar versuchten, so Lilienthal, die Kammerspiele ihm da weitgehend entgegen zu kommen. Doch irgendwie schien das alles nicht auszureichen, Gosselin verschwand nach zwei Wochen Lese- und einer Woche Bühnenproben nach Paris und kehrte nicht wieder. "Ich habe schon viele Krisen erlebt", so Lilienthal, aber so etwas wohl noch nicht.
Grund des Scheiterns sei nicht die Brisanz des Textes. Die Proben waren noch nicht so weit gediehen, dass ein anderer Regisseur - Nicolas Stemann - einfach die Arbeit hätte übernehmen können; zudem hatten sich die Darsteller in das verliebt, was Gosselin vorhatte. Also wurde alles abgesagt, zumal Stemann gedanklich wohl schon in der Welt Tschechows lebt, dessen "Kirschgarten" er im Januar herausbringt. Übrigens mit Brigitte Hobmeier.