Süddeutsche Zeitung

Münchner Kammerspiele:Barbara Mundel soll Nachfolgerin von Matthias Lilienthal werden

  • Der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers hat Barbara Mundel als Nachfolgerin von Matthias Lilienthal für die Intendanz der Münchner Kammerspiele vorgeschlagen.
  • Mundel war bis 2017 Intendantin des Theaters Freiburg und arbeitete zuletzt als Dramaturgin bei der Ruhrtriennale.
  • Von 2004 an war sie für eine kurze Zeit Chefdramaturgin an den Münchner Kammerspiele.

Von Egbert Tholl

Alle Hoffnungen liegen auf einer Frau: In der Sitzung des Kulturausschusses des Münchner Stadtrats am Donnerstag schlug der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers Barbara Mundel als Nachfolgerin von Matthias Lilienthal für die Intendanz der Münchner Kammerspiele vor. Mundel, geboren 1959 in Hildesheim, arbeitete in diesem Sommer als Dramaturgin bei der Ruhrtriennale, davor, von 2006 bis 2017, war sie Intendantin des Theaters Freiburg, eines Dreispartenhauses.

Barbara Mundel kennt die Münchner Kammerspiele. Von 2004 an war sie für eine kurze, prägnante Zeit dort Chefdramaturgin unter deren Intendanten Frank Baumbauer und prägte eine Blütezeit des Hauses mit. Eigentlich hätte sie zu diesem Zeitpunkt Intendantin der Kölner Oper sein sollen, was aber an einem schwer zu durchschauenden Manöver der damaligen Kölner Stadtspitze scheiterte. Baumbauer kannte sie bereits: Als der in den Achtzigerjahren das Residenztheater in München leitete, war Mundel dort Regieassistentin.

Nach dieser Lehrzeit begann Barbara Mundel ihre Theaterarbeit als Dramaturgin und Regisseurin in Basel, sie arbeitete an der Berliner Volksbühne, leitete von 1999 bis 2004 das Dreispartenhaus von Luzern. Spätestens in dieser Zeit erwarb sie sich den Ruf einer unerschrockenen, innovativen Theaterleiterin. Das Luzerner Publikum musste sich an ungewohnte Projekte und die Absenz von Repertoireklassikern gewöhnen; dafür bekam es Arbeiten etwa von René Pollesch vorgesetzt.

Das funktionierte nicht reibungslos, und als Resümee ihrer Luzerner Zeit sprach sie im Interview mit der Fachzeitschrift Die Deutsche Bühne von einer Legitimationskrise des Theaters, das immer mehr wie ein kommerzielles Dienstleistungsunternehmen beurteilt werde und keinen Rückhalt in der Gesellschaft finde, die sich ins Private zurückziehe. Mundels Haltung war klar: Theater bekomme Subventionen, um Dinge machen zu können, die unter dem Druck des ökonomischen Erfolgs nicht machbar wären. Theater ist mehr als Unterhaltung.

Schon früh fing Mundel an, als "Ermöglicherin" zu gelten, ein Begriff, über den sie selbst gar nicht so glücklich ist, weil da der Aspekt des eigenen Gestaltens in den Hintergrund trete. Tatsächlich hat sie ja immer wieder, wenn auch immer weniger, selbst inszeniert, zuletzt in Freiburg Massenets Märchenoper "Cendrillon". Aber freilich: Sie ist eine, die Regisseure sehr genau und bewusst auswählt und sich intensiv mit deren Arbeiten auseinandersetzt.

Zuletzt allerdings in Freiburg mit abnehmendem Erfolg. Mundel begriff dort das Theater zunehmend als diskursives Zentrum der Stadt, weniger als reine Kulturhochburg. Ihr Start dort war fulminant gewesen, das Haus blühte, Mundel öffnete es in die Stadt hinein, überspannte aber, so die Außensicht, ein wenig den Bogen mit dem Projektcharakter der bei ihr entstandenen Arbeiten. Aber: Stets wusste sie, warum sie dieses Theater für eine kleine Hochschulstadt wie Freiburg machen will.

Als Matthias Lilienthal bekannt gab, seinen Vertrag über 2020 hinaus nicht zu verlängern, atmete zwar die Münchner CSU auf, die auf einmal einen kulturpolitischen Gestaltungsfuror entdeckt hatte. Gleichzeitig fürchteten viele neugierige und interessierte Theatergänger, dass das, was Lilienthal an Öffnung der Kammerspiele hin zu neuen Formen erreicht habe, mit einem Rollback weggewischt werde.

Man muss Lilienthals Theater gar nicht zur Gänze schätzen, um diese Qualität anzuerkennen. Mit Mundel scheint nun beides möglich zu sein: der Erhalt der Münchner Kammerspiele als ein Theater der Innovation. Und gleichzeitig aber auch ein Theater, das keinen Wert darauf legt, alteingesessene Abonnenten zu vergraulen, sondern die ganze Stadtgesellschaft erreichen will. Und: Sie wäre die erste Frau an der Spitze des ehrwürdigen Hauses.

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SZ vom 21.09.2018/amm
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