Süddeutsche Zeitung

Münchner Kammerspiele:Ausrangierte Träume

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Was bringt eine Frau dazu, sich in Tel Aviv in die Luft zu sprengen? Amir Reza Koohestani inszeniert den Roman "Die Attentäterin" an den Kammerspielen.

Von Sara Maria Behbehani

Was nur muss einem Menschen, der ein Attentat verübt, widerfahren sein? Yasmina Khadra (Pseudonym von Mohammed Moulessehoul) schickt den Protagonisten seines Romans "Die Attentäterin" auf die Suche nach einer Antwort: Amin Jaafarie ist ein israelischer Palästinenser, der als Chirurg in einem Krankenhaus in Tel Aviv arbeitet und versucht zu verstehen, warum sich seine Frau Sihem als Attentäterin in die Luft gesprengt hat.

Der Autor Khadra hat als Militäroffizier im Algerien der Neunzigerjahre den Terror selbst miterlebt und einen viel beachteten Roman geschrieben, der auf differenzierte Weise den islamistischen Terror und die israelische Politik im Nahostkonflikt beleuchtet. Unter dem Titel The Attack verfilmt, wird die Romanvorlage nun in den Kammerspielen für die Bühne adaptiert. Inszeniert vom iranischen Regisseur und Autor Amir Reza Koohestani, ist der Abend in zwei Teile gegliedert: Der eine spielt in Israel, der andere in Palästina.

Durch diesen Raum bewegt sich Amin Jaafarie (Thomas Wodianka), an dem sich der Konflikt zwischen Israel und Palästina manifestiert. Als Verkörperung des Konflikts bewegt er sich zwischen den Fronten, an ihm spiegeln sich die Linien des Krieges. Um dies zu unterstreichen, spielen fast alle Schauspieler zwei Rollen: eine auf Seiten Israels, eine auf Seiten Palästinas. Als Spiegelbildfiguren formieren sie ein Feld, durch das sich der Protagonist bewegen muss und in dem er mit dem Hass beider Seiten konfrontiert wird. Mit ihm taucht der Geist seiner toten Frau (Mahin Sadri) in beiden Teilen auf, der ihn als Erinnerung an das, was geschehen ist, verfolgt.

Wie auch im Roman sollen Hass und Hoffnungslosigkeit vor Augen geführt werden, ebenso wie das menschlich monströse Verhalten in Extremsituationen. So heißt es im Roman: "Wenn alle Träume ausrangiert sind, wird der Tod zur letzten Zuflucht." Diese Zuflucht scheint Sihem gewählt zu haben. Ihre Gründe dafür bleiben im Vagen und geben ihrem Mann Rätsel auf. Sein Leben wird aus der Bahn geworfen, der Verlauf seiner eigenen Geschichte für immer verändert. Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum, die auch die Kammerspiele nicht beantworten werden.

Die Attentäterin, Premiere am Freitag, 9. März, 20 Uhr, Kammerspiele, Kammer 1, Maximilianstraße 26-28, 089/21837300

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SZ EXTRA vom 08.03.2018
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