Süddeutsche Zeitung

Münchner Islamkritiker:Der Feind steht fest

Die Münchner Islamkritiker von "Politically Incorrect" und "Bürgerbewegung Pax Europa" organisieren sich über das Internet - und diffamieren Koran und Allah. Was treibt die Leute an? Zu Besuch bei einem Wirtshaustreffen.

Bernd Kastner

Das Treffen hatte etwas Konspiratives: Nur der innerste Kreis war frühzeitig informiert, wo die Veranstaltung stattfinden sollte. Neuinteressenten und Journalisten erfuhren erst kurz vor Beginn, dass man in einem Wirtshaussaal in Perlach zusammenkommt.

Angekündigt war ein Referat über den Unterschied zwischen Christentum und Islam. Veranstalter waren der Verein "Bürgerbewegung Pax Europa" und die Betreiber der Internetseite "Politically Incorrect". Sie nennen sich selbst "Islamkritiker". Weil sie zuletzt aus zwei Wirtshäusern wieder ausgeladen worden waren, traf man sich vergangene Woche recht geheim.

Michael Stürzenberger, vor sieben Jahren Pressesprecher der Münchner CSU unter Monika Hohlmeier, beginnt als Organisator den Abend mit einer Attacke auf die Kritiker der "Islamkritiker". Mitglieder des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt hatten zwei Wirte angesprochen, und auch die Fachstelle gegen Rechtsextremismus, die direkt dem Oberbürgermeister unterstellt ist, hatte einen Brief an ein Lokal geschrieben.

Man wies darauf hin, dass PI "eine starke Nähe zum Rechtsextremismus aufweist". Oberbürgermeister Christian Ude wirft den PI-Aktivisten "Hasstiraden gegen den Islam als Weltreligion" vor, fernab jeglichen tolerablen Diskussionsniveaus. Das Rathaus will Wirte auch weiter aufklären, Udes Kurs lautet: "Keine Toleranz der Intoleranz."

Die PI-Aktivisten halten dagegen: "Es ist ein Skandal", ruft Stürzenberger, und die Besucher applaudieren. Waren es vergangenes Jahr noch 150 bis 200 Besucher bei den drei Veranstaltungen, sind es an diesem Abend nur 50, die Organisatoren haben vorsichtshalber auf Flugblätter verzichtet. Gekommen ist bürgerliches Publikum mittleren Alters, es sind Krawatten- und Janker-Träger da und Damen im Pelz. Man kennt sich, man hat einen gemeinsamen Gegner.

Eine Frau, sie gehört der CSU an, bittet darum, namentlich nicht genannt zu werden. Eine andere Besucherin lässt eine Unterschriftenliste herumgehen, mit der sie einen Baustopp für alle Moscheen in Deutschland fordert. Natürlich wollen sie auch kein Islam-Zentrum in München. Stürzenberger begrüßt einen Ministerialrat a. D., er werde demnächst einen Vortrag bei PI halten. Stürzenberger wirkt stolz, dann ruft er: "Wir lassen uns den Mund durch niemanden verbieten." Applaus.

Wer die Veranstalter einordnen will, kann ihre Internetseiten lesen. Die "Bürgerbewegung Pax Europa" (BPE), ein bundesweit agierender Verein, und der Polit-Blog "Politically Incorrect" (PI), hinter dem informell organisierte Aktivisten stehen, sind formal getrennt. Es gibt aber starke personelle Verflechtungen. Gleich auf der PI-Startseite fand sich bis Dienstag eine Karikatur, auf der eine Europäerin mit blonden Zöpfen, ausgerüstet mit Helm, Schild und Lanze, einen Muslim mit einem Fußtritt aus Europa hinauswirft. Der Muslim ist gezeichnet als Schwein - eine der schlimmsten Beleidigungen für gläubige Muslime. Die Zeichnung wurde aufgrund der SZ-Recherchen von der Seite genommen.

Unzählige Artikel diverser Autoren sind auf den PI-Seiten gespeichert. Für das "propagandistische Herzstück" von PI halten Experten aber die Kommentare, verfasst von anonymen Schreibern. Da werden Muslime in traditionellen Gewändern als "Sackratten" oder "Kopftucheule" beschimpft. Da wird der Islam als "faschistische Ideologie" bezeichnet oder als "Pisslam" beleidigt.

Nach dem Mord an einer schwangeren Muslima schrieb ein User namens "PigMohamed": "Mir tut es überhaupt nicht leid um diese verschleierte Kopftuchschlampe. Und noch dazu ein Moslem im Bauch weniger!" Der schäumende Eifer der User richtet sich auch gegen jene, die den Islam nicht per se für gefährlich halten: Zu einem "Bericht" über eine Podiumsdiskussion mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in Geretsried findet sich diese Anmerkung: "Diese Furie von Knarrenberger gehört auch aus dem Land exorziert."

Ein Autor schreibt unter dem Pseudonym "Byzanz": "Der Islam ist eine von seinen Anhängern Gewalt einfordernde und intolerante Ideologie, die einen absoluten Herrschaftsanspruch besitzt." Davor müsse sich "unser Land" mit seiner demokratischen Gesellschaft schützen: "Wir werden uns all dies nicht von eingewanderten mittelalterlich orientierten Menschen zerstören lassen."

Hinter "Byzanz" verbirgt sich Michael Stürzenberger, 46. Der Sprecher der Münchner "Islamkritiker" ist freier Fernsehjournalist von Beruf. Er schätzt den harten Kern seiner Münchner PI-Gruppe auf 20 Personen, dazu kämen weitere 30 offene Sympathisanten. "Verfolgt und denunziert" fühle er sich, sagt er und vergleicht seine Situation mit der in der DDR, wo man versucht habe, Kritiker mundtot zu machen.

Im Vier-Augen-Gespräch betont er einerseits, dass er sich von Rechtsextremisten und jeder Gewalt distanziere, dass es ihm nur um die politischen Auswüchse des Islam gehe. Hört man ihm länger zu oder verfolgt seine Auftritte in Fußgängerzonen, bleibt von dieser Differenzierung nur wenig übrig: "Lest den Koran", rief er bei einer Kundgebung, "dann findet ihr die Begründung für alle Probleme, die wir auf der Welt haben." Sein Ziel sei die komplette "Modernisierung" des Islam.

Mehrere PI-Aktivisten sind Mitglied der CSU, Stürzenberger selbst ist erst 2010 beigetreten, obwohl er von 2003 bis 2004 Pressesprecher der Münchner CSU war. An führender Stelle will er zusammen mit anderen im Juni den Landesverband Bayern der neuen Partei "Die Freiheit" gründen. Deren großes Vorbild ist der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders.

Das bringt die CSU in die Bredouille, die Münchner Partei-Oberen wirken alles andere als glücklich über Mitglieder à la Stürzenberger. "Sehr kritisch" beobachte die CSU deren Aktivitäten, erklärt Parteichef Otmar Bernhard. "Kräfte, die sich gegen die Religionsfreiheit aussprechen, teilen nicht die Grundwerte der CSU und haben in der Mitte der CSU keinen Platz." Allein, ein Parteiausschluss ist an sehr hohe Hürden geknüpft.

Im Perlacher Wirtshaussaal beginnt das Referat mit einer Viertelstunde Verspätung, man kennt das von der Uni. Bedienungen versorgen die Besucher derweil mit warmem Essen. Stefan Ullrich, 46, versucht seinen Vortrag wissenschaftlich zu fundieren, er zitiert unablässig Bibel- und Koranstellen. Vorgestellt wurde er als "Islamkritiker der ersten Stunde", er ist auch Initiator der Internetseite "Deus vult". So lautete der Schlachtruf der Kreuzritter.

Vor ein paar Jahren war Ullrich kooptiertes Vorstandsmitglied der Harlachinger CSU, inzwischen hat er die Partei verlassen. Seine Botschaft an diesem Abend lautet: Das Christentum ist die Religion der Liebe und des Heils - der Islam die Ideologie der Gewalt und der Angst. Ullrich versucht die Zuhörer zu überzeugen, was aber gar nicht nötig ist, man merkt das an ihren Kommentaren. Meist aber lauschen sie dem Referenten zwei Stunden lang konzentriert, viele Pfarrer wären froh über eine so andächtige Gemeinde, erst recht ein Professor im Hörssaal. Als der Referent den Propheten Mohammed einen "Analphabeten" nennt, ist leises Kichern zu hören.

Ullrich beschränkt sich nicht darauf, die christliche Religion zu preisen, er bewertet auch den Islam, immer, so betont er, auf der Basis des Koran. Den habe er "durchgepflügt". Über Allah sagt Ullrich etwa: "Er täuscht, auch die eigenen Leute." Oder: "Gott ist ein unberechenbarer Gewaltherrscher." Ullrich vermittelt, dass Christen den Muslime intellektuell überlegen seien: Viele interreligiöse Probleme beruhten auf Missverständnissen, auch, weil die Muslime das Christentum nicht verstünden, zum Beispiel die Dreifaltigkeit Gottes und damit auch nicht Jesu Geburt. Stefan Ullrich sagt: "Der Islam denkt, Gott Vater war mit der Maria im Bett."

Der bayerische Verfassungsschutz hält PI und BPE nicht für extremistisch. Sie seien "keine Beobachtungsobjekte", "Detailkenntnisse liegen deshalb nicht vor", so das Innenministerium. Immerhin, man habe ihre Aktivitäten "im Auge", sprich: Man lese ihre Verlautbarungen. Oberbürgermeister Christian Ude kommentiert das Mitlesen der Verfassungsschützer so: "Wenn es ihnen dabei nicht kalt über den Rücken läuft, verstehe ich sie nicht ganz."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1066570
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.03.2011/sonn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.