Münchner Innenstadt:Wie Traditions-Kaufleute ihre Kunden erreichen wollen

Verkaufsoffener Sonntag in München, 2015

Die Anonymisierung der Innenstadt treibt die Händler um, nun wollen sie gemeinsam um Kunden werben.

(Foto: Lukas Barth)
  • Einige der ältesten Einzelhändler in der Münchner Innenstadt wollen künftig unter dem Slogan "Münchens erste Häuser" gemeinsam firmieren.
  • Zu dem Zusammenschluss gehören Kaut Bullinger, Kustermann, Sport Schuster, Hirmer und Betten Rid.
  • Sie wollen für attraktive Einkaufsmöglichkeiten in der Stadt werben und gleichzeitig gegenüber der Politik an einem Strang ziehen.

Von Christian Krügel

Einzelhändler heißen so, weil sie einzeln handeln und sich nicht so scheren, was die Geschäfte in der Nachbarschaft machen: In München ist das schon länger ein geflügeltes Wort. Denn bei allem Bestreben die Münchner Innenstadt gemeinsam attraktiver und konkurrenzfähiger gegen internationale Filialisten und Online-Händler zu machen, seien die meisten Unternehmen doch zunächst aufs eigene Geschäft konzentriert.

Diesem Vorurteil wollen nun fünf Häuser entgegentreten, die zu den ältesten Einzelhändlern der Stadt überhaupt gehören: Kaut Bullinger (gegründet 1794), Kustermann (1798), Sport Schuster (1913), Hirmer (1914) und Betten Rid (1916) wollen künftig unter dem Slogan "Münchens erste Häuser" gemeinsam firmieren, für hochwertige Einkaufskultur in der Innenstadt werben - und gegenüber der Politik verstärkt auftreten.

"Wir sind keine weitere Aktions- oder Marketinggemeinschaft, sondern wollen unsere gemeinsamen Werte, Stärken und Kultur in den Vordergrund stellen", sagt Frank Troch, Geschäftsführer von Hirmer. Seine Kollege Caspar-Friedrich Brauckmann von Kustermann definiert diese Werte so: "Tradition, das Münchnerische, Qualität, Service, Beratung und Wertschätzung unserer Mitarbeiter" - das sei der "gemeinsame Ursprung unserer Kooperation". Und ein gemeinsames Selbstbewusstsein, denn die Traditionshäuser prägten nicht nur architektonisch die Innenstadt: "Sie tragen dazu bei, dass München weltweit einzigartig ist und sich klar von anderen austauschbaren internationalen Einkaufsquartieren unterscheidet", so Flori Schuster.

Womit auch die (handels-) politische Stoßrichtung vorgegeben ist: Das veränderte Einkaufsverhalten, der zunehmende Online-Handel, die Anonymisierung der Innenstädte und die steigenden Mieten trieben alle Einzelhändler gleichermaßen um, meint Betten Rid-Geschäftsführer Robert Waloßek. "Mit unserem Bündnis stärken wir unsere Stimmen als Familienunternehmen, auch in der Stadtpolitik und in den Tourismusgremien", hofft er. Als Spitze gegen die Werbegemeinschaft City Partner, die eigentlich die Interessen der Innenstadt-Kaufleute vertreten soll, will freilich niemand das Bündnis verstanden wissen.

Die Kunden gemeinsam erreichen

Es geht neben Politik natürlich ums konkrete Geschäft, darum eigene Kunden auch für den Partnerbetrieb zu begeistern. Sieben Millionen Kunden haben die Fünf jedes Jahr insgesamt. "Eine große Überschneidung besteht allerdings noch nicht. Hier sehe ich die Chance, unsere Kunden gemeinsam zu erreichen", so Christin Lüdemann, Geschäftsführerin der Einzelhandelssparte von Kaut-Bullinger. Dabei ist derzeit noch nicht an eine gemeinsame Kundenkarte oder -kartei gedacht, der Internet-Auftritt der "ersten Häuser" wirkt auch noch ausbaufähig. Zunächst gehe es auch eher um Ideelles: In den Schaufenstern wird auf den Verbund hingewiesen, Kunden werden weiterempfohlen.

Vor allem aber sollen zunächst die Mitarbeiter ein gemeinsames Verständnis entwickeln, dass sie in einem der Traditionshäuser arbeiten und deshalb besonderen Service bieten müssen. So gab es Mitte September ein gemeinsames Fest, zu dem von den insgesamt rund 1300 Mitarbeiter der Betriebe etwa 800 kamen, zum Kennenlernen und Netzwerken.

Azubi-College mit übergreifenden Projekten

Zudem wird das "Azubi-College" fortgesetzt, dass Betten Rid, Kustermann und Kaut-Bullinger vergangenes Jahr gestartet hatten. 18 Lehrlinge der Betriebe sind jetzt in das zweite Ausbildungsjahr eingestiegen, 20 neue haben die Lehre gestartet. Die Zahl der Bewerbungen habe deutlich zugenommen, die Qualität der Azubis ebenso, berichtet Jessica Ogcu, Abteilungsleiterin beim Bettenhaus. Offenbar sei das Angebot attraktiv: Neben der normalen Ausbildung im Betrieb biete das College eben die Möglichkeit, mit den Azubis aus den anderen Sparten gemeinsam Projekte zu starten und zu lernen, auf was es im Umgang mit anspruchsvollen Kunden in teuren Häusern ankommt.

"Sie wollen eine exzellente Beratung und trotzdem eine menschliche Ansprache", sagt Ogcu. Das muss auch mehrsprachig funktionieren: Englisch ist Pflicht, Sprachkenntnisse wie Arabisch, Italienisch, Russisch sind sehr gewünscht. Und ein Schwerpunkt im zweiten Ausbildungsjahr widme sich explizit dem Thema "interkulturelles Verkaufen". Die Azubis hätten verstanden, dass es bei diesem College um mehr als nur Umsatzzahlen gehe, sagt Ogcu: "Sie sollen spüren, dass sie nicht nur eine Nummer für uns sind, sondern eine Tradition weitertragen." Ob der Verbund der "Ersten Häuser" auf fünf Unternehmen beschränkt bleibt oder erweitert wird, steht noch nicht fest. Zumindest nur ein Haus pro Sparte sei ein Ziel, heißt es.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: