Münchner Hotelbars:Aus dem Bauch heraus - vom Rückzugsbereich zur offenen Lounge

Wenn es draußen kalt ist, schmecken drinnen die Cocktails nochmal so gut. Ein Streifzug durch die Münchner Hotelbars - mit Wintercocktail-Tipps der Barchefs.

Von Birgit Lutz-Temsch

Nichts kann öder sein als eine Hotelbar. Bill Murray sitzt in "Lost in Translation" am äußersten Rand des Tresens einer ganz und gar tristen Nobelherbergen-Lounge voller Menschen mit leeren Blicken. Scarlett Johansson fragt ihn, warum er sich ausgerechnet diesen Platz ausgesucht hat. "Weil es dann schneller jemand merkt, wenn ich vom Hocker falle", antwortet er.

Münchner Hotelbars: Die Falk´s bar im Bayerischen Hof.

Die Falk´s bar im Bayerischen Hof.

(Foto: Foto: oh)

Der Film spielt in Tokio. Das Hotel gehört zur Luxusklasse. Den Menschen darin ist vor allem eins: langweilig. Bill Murray sucht Ruhe und findet Ödnis. Eine gute Bar dagegen bietet Entspannung, aber keine Fadheit, einen Ausstieg aus dem Alltag, aber nicht unbedingt einen Anlass, sich von der Tischkante zu trinken. Deshalb erzählt diese Geschichte von München, von den Bars in den großen Hotels und wie sie dorthin kamen.

Aus dem Bauch heraus - vom Rückzugsbereich zur offenen Lounge

Und wenn man ganz genau sein will, dann muss die Geschichte schon im Wilden Westen beginnen. Damals standen die durstigen Siedler der Neuen Welt in staubigen Gemischtwarenläden. Und als zwischen Gast und Wirt eine Barriere errichtet wurde, an die sich die Männer mit ihren Drinks lehnen konnten, war die Bar geboren.

Münchner Hotelbars: Isar-Bar im Hotel Bayerpost

Isar-Bar im Hotel Bayerpost

(Foto: Foto: Rumpf)

Von der Prärie kamen diese einfachen Schänken in die Städte, wo sich bald die Herren und Damen der Gesellschaft an ihren Tresen trafen. Die Reisenden brachten sie mit nach Europa, und in den mondänen Hotels in Paris und London begann ihre Blüte.

Die eingesunkene Bar

Damit ist die Geschichte in München angelangt: Denn die Bar im Hotel Vier Jahreszeiten orientierte sich an den Londoner Vorbildern. Heute sieht sie noch fast genau so aus wie vor 150 Jahren. Eine eingesunkene Bar im alten englischen Stil dominiert den Raum: Der Gast sitzt auf niedrigen Stühlen, der Barkeeper muss einige Stufen hinter den Tresen hinabsteigen - so sind Gast und Barmann auf etwa der gleichen Augenhöhe.

Liebevoll eingekauft wurden die englischen Details damals, um der Münchner Society Trends aus anderen Ländern vorzustellen. Noch heute spielt in der Bar dezente Pianomusik, ist das Licht gedämpft, sind die Teppiche schwer und dick, ist das Holz dunkel, und wer nicht gesehen werden will kann sich in den nur schwer einsehbaren Nischen verstecken.

Aus dem Bauch heraus - vom Rückzugsbereich zur offenen Lounge

Münchner Hotelbars: Cortiina

Cortiina

(Foto: Foto: Rumpf)

Stuck und Licht

In ebenso historischem Rahmen befindet sich die Falks´s Bar im Bayerischen Hof. Durch einige Effekte wie ein Lichtband um den Tresen ist sie aber moderner gestaltet. Der reich an Stuck verzierte Raum hat seine eigene Geschichte: 1944 wurde das Haus zerstört - bis auf den prachtvollen Spiegelsaal. In den Trümmern soll der aus dem Krieg zurück gekehrte Soldat Falk Volkhardt zu seinem Vater gesagt haben: "Wir bauen den Bayerischen Hof schöner wieder auf, als er gewesen ist".

Im Spiegelsaal öffnete am 22. Oktober 1945 die erste Nachkriegs-Gaststätte im Münchner Zentrum. Seit 2002 werden Drinks in der neu gestalteten Bar gemixt, die nach dem einstigen Wiederaufbauer genannt wurde: Falk´s Bar.

Im Gegensatz zur in dunklen Farben gehaltenen und niedrigen Jahreszeiten Bar strahlt der an einen Ballsaal erinnernde hohe Raum in hellem Weiß. Die modern gestaltete Bar in der Mitte bildet einen lockeren Kontrast zu dem Stuck, den goldenen Kerzenleuchtern und den riesigen Wandspiegeln.

Auch in der Karte wird ein Schritt zur jüngeren Generation gemacht: Barkultur auch Menschen unter 30 näher zu bringen ist ein Ziel des 26-jährigen Barchefs Holger Keller, der 2003 von Gault Millau zum Barkeeper des Jahres gewählt wurde. Deshalb bietet er "Young Generation Cocktails" an, unter denen sich auch der durch die Serie "Sex and the City" bekannt gewordene Cosmopolitan findet - für bezahlbare 7,50 Euro.

Aus dem Bauch heraus - vom Rückzugsbereich zur offenen Lounge

Münchner Hotelbars: Hotel Anna

Hotel Anna

(Foto: Foto: Rumpf)

Die Bar auf dem Dach

Eine weniger facettenreiche Geschichte, dafür aber ein spektakuläres Geheimnis bietet das Mandarin Oriental, das dritte Grand Hotel der Innenstadt. Die Bar in der Lobby ist weit weniger diskret als in den anderen Häusern untergebracht - doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn das Oriental hat seine Barkultur ganz nach oben ausgeweitet: Über den Dächern Münchens kann der Besucher dort den Sommer über im Pool planschen und an der Bar Cocktails trinken - dieses Privileg ist allerdings Gästen vorbehalten, die auch im Haus logieren.

Nur einmal pro Woche, donnerstags, werden auch andere Besucher aufs Dach gelassen, für 49 Euro, zum Caipirinha-Abend mit Buffet. Das schönste an der Dachbar ist die Aussicht über ganz München bis hin zu den Alpen. Mit diesem Blick kann die Lobby-Bar nicht mithalten, als Trostpflaster für den eher großen Geldbeutel serviert sie dafür aber kleine Nacht-Häppchen wie 50 Gramm Sevruga Kaviar für 120 Euro.

Zum Teil den Gästen vorbehaltene Rückzugsbereiche im Bauch der Hotels, mondänes Ambiente wie in den Anfangszeiten der Bargeschichte - das macht die Barkultur der Münchner Grand Hotels aus. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt. Denn die jüngeren Hotels der Innenstadt haben die Bars weiter entwickelt, sie verfolgen offenere Konzepte, die von Gästen von außerhalb leben.

Aus dem Bauch heraus - vom Rückzugsbereich zur offenen Lounge

Die Fluss-Bar

Erst vor drei Monaten hat das Hotel Bayerpost am Hauptbahnhof neu eröffnet. Schon von weitem sichtbar ist die "Isarbar" des Fünf-Sterne-Hauses, die nicht wie in den Traditionshotels im Innern verborgen liegt. Das ist beabsichtigt, denn gut die Hälfte der Gäste kommen von außerhalb.

Um die Schwellenangst so niedrig wie möglich zu halten, führt eine Eingangstür direkt in den Barraum - der Besucher muss also nicht erst durch das Foyer. Während sich die Hausfassade an der italienischen Hochrenaissance orientiert, ist die Gestaltung innen sehr modern gehalten.

Der Name "Isarbar" ist in den Materialien umgesetzt: Holzpaneele und grünblaue Seide an den Wänden sollen das Flussbett symbolisieren und Mosaike an das Glitzern des Wassers im Sonnenschein erinnern. Ziel von Barchef Patrick Polaniok ist, dass sich seine Gäste in der Bar erholen, bei Café del Mar Musik und einem Drink aus der umfangreichen internationalen Auswahl.

Aus dem Bauch heraus - vom Rückzugsbereich zur offenen Lounge

Die American Standard Bar

Auch beim Hotel Cortiina in der Ledererstraße ist die Bar von außen gut sichtbar: Die American Standard Bar nimmt das ganze Erdgeschoss des Design-Hotels ein. Die Fenstertüren stehen im Sommer weit offen - statt lange Gänge zu durchschreiten kann der Gast hier quasi durchs Fenster eintreten. Tatsächlich kommen etwa 70 Prozent der Gäste von außerhalb, sagt Barchef Benjamin Shane, der am American Bartender Institute in New York ausgebildet wurde.

Neben der Bar ist auch die Rezeption in dem Raum untergebracht - die Bereiche werden optisch durch unterschiedliche Beleuchtungen abgetrennt. Die einzigen Farbkleckse in dem ansonsten in dunkelbraunen Holztönen gehaltenen Mobiliar sind sparsam verteilte und angestrahlte Blumenvasen. Ein hölzerner Raumteiler trennt die Bar vom gemütlichen Sofa-Bereich mit offenem Kamin.

Aus dem Bauch heraus - vom Rückzugsbereich zur offenen Lounge

Die offene Bar

Das Anna Hotel am Stachus schließlich ist nicht ganz so durch designt, dafür noch ein bisschen offener. Der Eingang des dreieckigen Hotels ist aus Glas, die von außen sichtbare Bar hell erleuchtet. Die Decke ist hoch, zwischen den Fensterbögen hängen Strahler, die unmerklich die Farben wechseln.

Ihre Lichtspiele spiegeln sich auf dem einzigen Dekorations-Gegenstand wider, einer Frauenstatue, die in der Mitte der Bar steht. Manager Markus Götz sagt, das Erdgeschoss sei bewusst so offen gestaltet, um eine Hemmschwelle zu vermeiden. Das Konzept ist offenbar aufgegangen: Tagsüber kämen bis zu 95 Prozent der Gäste von außerhalb.

Und damit ist diese Geschichte - vorerst - zu Ende. Bill Murray könnte in München wählen, ob er einen gepflegten Drink bei gedämpfter Musik in intimer Atmosphäre einnehmen möchte, und sich deshalb an eine der Grand-Hotel-Bars setzt.

Oder ob er Anschluss finden und unterschiedlichere Menschen treffen will, und deshalb lieber in den jüngeren Hotels Platz nimmt. In keiner der Bars aber müsste er fürchten, vor trunkener Langeweile alsbald vom Hocker zu fallen - denn in keiner herrscht eine Tokioter Tristesse.

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