Münchner Hauptbahnhof:Umsteigen auf Umwegen

Passagiere mit Fahrrad am Hauptbahnhof in München, 2015

Die Wege zwischen den Flügelbahnhöfen am Münchner Hauptbahnhof sind weit.

(Foto: lukasbarth.com)
  • Vom Starnberger zum Holzkirchner Flügelbahnhof müssen Reisende 800 Meter weit laufen.
  • Ein Pendler hat eine Online-Petition gestartet, damit eine Verbindung der Bahnsteige gebaut wird - ein Tunnel oder eine Brücke.
  • Die Politik ist nicht abgeneigt.

Von Kassian Stroh

Norbert Moy hat nachgemessen: Geht er vom Hauptbahnhof zum Stachus, so sind das etwa 400 Meter. Steigt er am Hauptbahnhof um, muss er im Extremfall den doppelten Weg bewältigen: 800 Meter. Wenn er zum Beispiel mit dem Zug aus Weilheim kommt und weiter nach Mühldorf möchte. Dann muss er ganz außen rum laufen vom Starnberger zum Holzkirchner Flügelbahnhof, 800 Meter weit. Viel zu viel, findet Moy, und deshalb hat er bei Openpetition eine Internetpetition gestartet. Das Ziel: Am Ende der Gleishalle soll eine Verbindung der Bahnsteige gebaut werden - ein Steg über die Gleise oder ein Tunnel darunter. Sodass Umsteiger nicht bis ans Kopfende der Bahnsteige laufen müssen. Tatsächlich scheint beim Freistaat Bewegung in die Sache zu kommen.

"Wir brauchen einfach kürzere Wege", sagt Moy. Damit will der Weilheimer, der sich auch im Fahrgastverband Pro Bahn engagiert, einem Thema Auftrieb verleihen, das seit Jahren immer wieder diskutiert, aber nie ernsthaft untersucht wurde. Dabei wäre gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, die Frage anzugehen, findet Moy: Der Hauptbahnhof soll in weiten Teilen neu gebaut werden, und deshalb möchte Moy, dass der Freistaat Druck auf die Bahn macht, im Zuge dessen auch eine zweite Querverbindung anzugehen.

Eine Frage des Geldes

Die tritt bislang nämlich ziemlich auf die Bremse: Als Brigitte Wolf von der Linken vor drei Monaten im Stadtrat eine solche Querung forderte, beschied ihr der anwesende Bahn-Vertreter knapp, eine Überführung ziehe suizidgefährdete Menschen an und Unterführungen seien "Angsträume". Damit war die Diskussion beendet, bevor sie begonnen hatte. Letztlich sei alles eine Frage des Geldes, sagt ein Bahnsprecher. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), ein Unternehmen des Freistaats, das den Nahverkehr in Bayern organisiert, habe vor einigen Jahren eine Machbarkeitsstudie anfertigen lassen - und die habe so hohe Kosten für eine weitere Gleisverbindung ergeben, dass die BEG die Idee fallen gelassen habe.

Das ist aber nicht das Aus für das Projekt: Wie das Verkehrsministerium mitteilt, hat es die alte Studie wieder hervorgekramt und lässt sie aktualisieren - sprich: die Kosten der möglichen Varianten neu berechnen. Als Basis, um dann zu klären, ob es jemanden gäbe, der die Verbindung finanziert. Die Stadt, der Freistaat, die Bahn - sie alle kämen, womöglich auch gemeinsam, in Frage. "Rein verkehrlich wäre eine Querung sinnvoll", sagt ein Sprecher des Ministeriums, "aber bautechnisch sehr aufwendig und damit teuer."

In der Studie wurden seinerzeit zwei Varianten geprüft. Zum einen ein Steg über die Gleise. Der müsste allerdings, weil er über den Stromleitungen verlaufen müsste, sehr hoch gebaut werden. Die zweite Variante wäre ein Tunnel unter den Gleisen hindurch. Einen solchen zu graben, wäre auch teuer - allerdings gibt es bereits den sogenannten Posttunnel, der längst nicht mehr genutzt wird, dessen Zugangsrampe man aber am Gleis 26 sehen kann. In ihm transportierte die Post einst Päckchen und Briefe zwischen Arnulf- und Bayerstraße hin und her. Seit die dortige Bayerpost vor mehr als zehn Jahren zum Hotel umgebaut wurde, endet der Tunnel im Nichts. Aber er existiert noch, und die Bahn ist gerade dabei, ihn von der Post zu übernehmen, wie ein Bahnsprecher sagt. Es gebe Überlegungen, dort Kabel zu verlegen oder ihn für die Wagen der Zugreinigung zu nutzen.

Eine dritte Option

Eine der noch offenen Fragen für die Machbarkeitsstudie ist laut Ministerium die Barrierefreiheit, sprich: die Frage, ob die Gleisverbindung auch mit Rollstuhl oder Kinderwagen zu nutzen sein soll. Faktisch würde dies bedeuten, Aufzüge einzubauen, was das Projekt deutlich verteuern würde. "Das wäre natürlich das Optimum", sagt Pro-Bahn-Vertreter Moy, der darauf aber, wenn es zu teuer würde, auch verzichten würde. Schließlich sei das Umsteigen am Hauptbahnhof auf dem hergebrachten Wege weiterhin barrierefrei möglich.

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat zudem vor einigen Wochen eine dritte Variante ins Spiel gebracht: Die Paul-Heyse-Unterführung unter den Gleisen sollte breiter und um einen komfortablen Gehweg ergänzt werden - und diesen könnte man dann auch als Zugang zu den Gleisen nutzen. Davon hält die Bahn, der die Unterführung gehört, allerdings wenig, wie ein Sprecher wissen lässt. Das gehe allenfalls mit einem eigenen Fußgängertunnel, parallel zur Unterführung - dies sei dann Sache der Stadt.

Mit einer Petition Druck machen

Dass eine zweite Gleisverbindung am Geld scheitert, will Moy nicht akzeptieren: Hohe Summen würden ins Bahnnetz investiert, um Fahrzeiten zu verkürzen, sagt er. Was aber nutze es, wenn ein Zug ein paar Minuten früher in München eintreffe, wo man dann zehn oder 15 Minuten brauche, um umzusteigen? "Gemessen an der eingesparten Zeit ist der Bau einer Gleisquerung mindestens so effizient wie die Beschleunigung von Zügen", sagt Moy. Ganz abgesehen davon, dass es natürlich viel angenehmer wäre für die Reisenden, zumal für jene, die nicht so gut zu Fuß sind. Zudem würde eine zweite Querung die von Umsteigern oft ziemlich volle Gleishalle entlasten.

Deshalb will Moy nun öffentlich Druck machen mit seiner Petition. Fast 800 haben sie bereits unterschrieben. Auf eine der verschiedenen Lösungsvarianten habe er sich nicht festgelegt, sagt er. "Sonst wird die wieder schnell zerredet."

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