Münchner Freiheit:Kein Spaziergang

Münchner Freiheit: Tausendfacher Protest: Viele Münchner versperrten am Abend des 9. November der Pegida den Weg.

Tausendfacher Protest: Viele Münchner versperrten am Abend des 9. November der Pegida den Weg.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wie sich das Pegida-Häuflein bei seiner Aktion am 9. November selbst ins Nirwana führte

Von M. BernsteiN, K. STROH

Es ist Montagabend kurz vor 20 Uhr, als der Trompeter der 3000 Gegendemonstranten die "Ode an die Freude" anstimmt. Vor wenigen Minuten hat der Pegida-Vorsitzende Heinz Meyer den geplanten "Spaziergang" von der Münchner Freiheit zum Siegestor abgesagt. Nicht alle Pegida-Anhänger wollen das hinnehmen: Er lasse sich sein Demonstrationsrecht nicht nehmen, schreit ein aufgebrachter Mann ins Mikro. Ein Teil der etwa 100 Rechtspopulisten und Islamfeinde, angeführt vom harten Kern polizeibekannter Rechtsradikaler, stürmt Richtung Absperrgitter, dort, wo die Gegendemonstranten die Leopoldstraße blockieren. Polizisten in schwarzer Schutzkleidung stellen sich dazwischen, drängen die wütenden Pegida-Aktivisten zurück. Gerangel, kurzer Tumult - und dann: "Freude schöner Götterfunken".

Dass dieser 35. "Abendspaziergang" kein Spaziergang für Pegida werden wird, deutet sich bereits um 19 Uhr an, dem offiziellen Beginn der Kundgebung an der Münchner Freiheit. Gerade einmal hundert Anhänger der Gruppierung haben den Weg in die riesige Absperrung gefunden, die die Polizei aufgebaut hat. Dann ergreift Ferdinand Sander das Wort. Der 76-Jährige ist einer der Mitbegründer des Pegida-Vereins. Und er sagt: "Wir hätten heute überhaupt nicht demonstrieren sollen." Nicht an diesem 9. November. "Ein Spaziergang zum Siegestor erinnert doch gewaltig an Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle", sagt Sander, dessen politischer Weg nach eigenen Angaben von der FDP über die SPD zur AfD geführt hat. "Ich mache da nicht mit."

Das Kreisverwaltungsreferat wollte den Marsch verbieten. Doch Pegida hat sich vorm Verwaltungsgericht das Recht erstritten, am Gedenktag marschieren zu dürfen - sehr zum Unwillen vieler. Ganz vorne in der Reihe der Gerichts-Kritiker steht Ministerpräsident Horst Seehofer. "Das Jahr hat 365 Tage", sagt Seehofer am Tag danach. Da sei es "keine Einschränkung des Demonstrationsrechts", wenn ein Gericht an einem 9. November einmal eine Demonstration nicht zulässt. Doch die Richter meinen: "Der 9. November verbindet sich als Gedenktag zwar stark mit der Erinnerung an die menschenverachtenden nationalsozialistischen Pogrome von 1938, er ist in seiner Symbolwirkung aber nicht eindeutig." Selbst bei Pegida sehen das Menschen wie Ferdinand Sander anders.

Doch das sei "eine Einzelmeinung", sagt Sanders Mitvorsitzender Meyer. Pegida habe an diesem Tag nicht die üblichen Themen auf der Agenda - es gehe um den Mauerfall vor 26 Jahren und um Meinungsfreiheit. Bei vielen Pegida-Anhängern ist diese Botschaft indes nicht angekommen: Die Plakate sind dieselben wie jeden Montag.

Und dann wird tatsächlich ein "Pogrom" beklagt. Pegida-Redner Hartmut P. meint damit aber nicht die Ermordung von Juden im Jahr 1938. Er meint die Gegendemonstrationen. Da redet nicht etwa jemand im Eifer des Gefechts wirres Zeug - P. hat kurz zuvor schon im Internet "München ist bunt" als "Pogrom-Meute an der Feldherrnhalle" tituliert. Und dafür Lob der Pegida-Verantwortlichen geerntet.

Kurz darauf bläst Meyer den Spaziergang ab. "Die Staatsmacht ist nicht in der Lage, mit den paar Hanseln da drüben fertig zu werden." Rund 400 Beamte hat die Polizei im Einsatz. "Ich sehe hier lauter Menschen, denen es gut geht und die ihre Meinung kund tun konnten", sagt Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins am Ende des Abends. Die Polizei habe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehandelt. Zwischenfälle während der Veranstaltung verzeichnet die Polizei nicht. Auf dem Nachhausweg greift in der U-Bahn ein Pegida-Anhänger eine Gegendemonstrantin an.

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