Münchner Flughafen:Was den Startbahngegnern bleibt

Prozess dritte Startbahn München

Juristisch steht der dritten Startbahn nichts mehr im Weg. Doch solange die Stadt München bei ihrem Nein bleibt, wird im Erdinger Moos nicht gebaut.

(Foto: dpa)
  • Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ist der juristische Kampf gegen den Ausbau des Münchner Flughafens so gut wie verloren.
  • Den Gegnern bleiben jedoch noch zwei Möglichkeiten sich juristisch gegen das Vorhaben zu wehren: der Gang vor das Bundesverfassungsgericht und eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
  • Große Hoffnung auf Erfolg besteht in beiden Fällen jedoch nicht.

Von Wolfgang Janisch und Marco Völklein

Vorne drauf prangt groß der Bundesadler, darunter steht "Bundesverwaltungsgericht". Auf der nächsten Seite folgen vier kurze Absätze. Der Kernsatz daraus lautet: "Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückgewiesen." Die Kosten des Verfahrens habe der Kläger zu tragen, schreiben die Richter des Vierten Senats. Und der Streitwert werde auf 30 000 Euro festgesetzt. Das war's. Mehr steht da zunächst einmal nicht.

Die ausführliche Begründung des Leipziger Gerichts werde in den nächsten Tagen per Post eingehen, sagt Christine Margraf vom Bund Naturschutz (BN). Sie wartet gespannt darauf. Denn auch wenn Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) und Flughafenchef Michael Kerkloh gleich betonen, mit dem Fax aus Leipzig sei das Baurecht bestätigt und das juristische Tauziehen um die geplante dritte Start- und Landebahn beendet, für Margraf ist die Auseinandersetzung - auch vor Gericht - noch lange nicht vorbei. Zusammen mit ihren BN-Mitstreitern will sie zum einen "den politischen Druck aufrecht erhalten", wie sie sagt. Zum anderen aber plant sie auch, einen weiteren juristischen Weg zu beschreiten - nämlich den über die Europäische Union in Brüssel.

Der Hauptansatzpunkt dabei aus BN-Sicht: Die dritte Start- und Landebahn soll in ein Flora-Fauna-Habitat, auch FFH-Gebiet genannt, betoniert werden. Die EU schreibt für diese Gebiete einen besonderen Schutz vor. Wer dort einen Eingriff plant, der muss diesen gut begründen. Nach Ansicht von Margraf ist aber genau das bei der Startbahn nicht der Fall: Etwa 900 Hektar Vogelschutzgebiet gingen verloren - und das für ein Projekt, für das es keinen Bedarf gebe.

Jahrelang gingen Flugbewegungen zurück

Denn die Zahl der Starts und Landungen im Erdinger Moos ist, anders als von den Planern des Flughafens prognostiziert, seit drei Jahren rückläufig. Erst im ersten Halbjahr 2015 wurde laut Deutscher Flugsicherung (DFS) wieder ein leichtes Plus von 1,1 Prozent erzielt.

Dieses Argument hatten die Ausbaugegner vor Gericht auch immer wieder angeführt - letztlich allerdings ohne Erfolg: Im Februar 2014 hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) nach 46 Verhandlungstagen die Klagen des BN, einiger Gemeinden aus dem Flughafenumland sowie von Privatleuten abgewiesen und die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen hatten sich die Kläger beim Leipziger Bundesverwaltungsgericht beschwert.

Doch auch dies blieb nun ohne Erfolg. Flughafenchef Michael Kerkloh hatte auch vor Gericht immer wieder argumentiert, die Startbahn sei ein "Langfristprojekt". Aktuell seien die Flugbewegungszahlen zwar rückläufig, auf lange Sicht allerdings werde der Flugverkehr wachsen, vor allem in Boomregionen wie Asien oder Südamerika. Und um zu verhindern, dass Deutschland wie auch die Region München von dieser Entwicklung abgekoppelt würden, müsse man die dritte Piste bauen.

Worauf die Ausbaugegner hoffen

Aus Sicht von Ausbaugegnerin Margraf reicht diese Argumentation nicht, um den Eingriff ins FFH-Gebiet zu rechtfertigen - auch wenn der Airport plant, neuen Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu schaffen. Und sie hofft, dass die Beamten in Brüssel das genauso sehen. Denn deren Richtlinien schreiben den EU-Mitgliedsstaaten den Schutz solcher Gebiete vor. Sollte es dem BN gelingen, die Kommission zu überzeugen, könnte der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg landen.

Und der könnte das VGH-Urteil kassieren. Ob es dazu kommt, ist aber offen: Schon während des VGH-Verfahrens hatte der BN verlangt, dass die Münchner Richter die Frage in Luxemburg vorlegen. Die hatten das abgelehnt. Daher ist sich Kerkloh sicher, dass der BN-Vorstoß in Brüssel scheitert: "Die Planungen verstoßen nach Überzeugung des Gerichts nicht gegen europäische Naturschutzrichtlinien", sagt der Airportchef. Margraf will das nun klären lassen, zuvor aber genau die Entscheidung aus Leipzig studieren.

Diese wird auch Andreas Lehners aufmerksam lesen. Der Rechtsanwalt aus Solln vertritt einige Privatkläger aus dem Freisinger Stadtteil Attaching. Auch sie hatten vor dem VGH in München geklagt und waren dort im Februar 2014 unterlegen. Auch sie hatten auf eine Revision bei den obersten Verwaltungsrichtern in Leipzig gehofft. Und auch sie haben nun die knappe Mitteilung aus Leipzig erhalten: "Die Beschwerde wird zurückgewiesen."

Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geplant

Aber geschlagen geben wollen sie sich dennoch nicht. Man werde eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüfen, hat Lehners bereits angekündigt. Die Anwohner sehen sich in ihren Grundrechten beschnitten. Denn unter anderem soll, sollte die Startbahn gebaut werden, ein Teil der Attachinger umgesiedelt werden. Ein anderer Teil dürfte in dem Ort zwar wohnen bleiben, befürchtet dann aber immense Beeinträchtigungen und Gesundheitsschäden durch Lärm, Abgase und Luftverwirbelungen. In Karlsruhe wollen sie daher ihr grundgesetzlich geschütztes Recht auf Eigentum sowie auf den Erhalt ihrer Gesundheit einfordern. "Erst danach ist der Rechtsweg abgeschlossen", gibt sich Franz Spitzenberger kämpferisch. Er ist Vorsitzender der Bürgerinitiative in Attaching und einer der Kläger.

Allerdings haben solche Verfassungsbeschwerden, generell gesprochen, in Karlsruhe nur geringe Chancen; die Erfolgsquote liegt unter drei Prozent. Wenn es um Flughafenplanungen geht, dürften die Aussichten noch geringer sein: In den vergangenen 25 Jahren ist es Klägern nur in einem einzigen Fall gelungen, eine höhere Entschädigung wegen des Flughafens Berlin-Brandenburg durchzusetzen. Ansonsten hat das Bundesverfassungsgericht alle Beschwerden abgewiesen - durchweg durch Dreierkammern, nie ist es zu einer Grundsatzentscheidung durch einen achtköpfigen Senat gekommen.

Das Gericht sei bei der verfassungsrechtlichen Kontrolle von Flughafenplanungen "außerordentlich zurückhaltend", schreibt der Stuttgarter Anwalt Christopher Lenz. Der Grund: Karlsruhe überprüft Planungsentscheidungen nicht im Detail, sondern nur darauf, ob sie verhältnismäßig und frei von Willkür sind - und damit gewährt das Gericht den Planern einen großen Spielraum.

Langwierige Planungen

Noch steht das "Nein" der Münchner Stadtspitze. Doch selbst wenn die Stadt im Gesellschafterkreis plötzlich für das Projekt votieren sollte - von heute auf morgen könnte der Flughafen mit dem Bau nicht beginnen. Denn nach dem Bürgerentscheid 2012 hatte die Betreibergesellschaft nach eigenen Angaben das Projektteam, das den Bau vorbereitet, drastisch zusammengeschrumpft. Dieses Team müsste zunächst einmal wieder aufgebaut werden, um die Baumaßnahmen auszuschreiben und das Projekt in Gang zu setzen. Zudem sind noch Grundstücksfragen offen: So besitzt der Bund Naturschutz (BN) ein "Sperrgrundstück" östlich von Attaching, auch der katholischen Kirche gehören zahlreiche Flächen. Der Flughafen müsste BN wie Kirche enteignen - auch das dürfte noch zu juristischen Scharmützeln führen.

Die Bauzeit für die neue Start- und Landebahn, Rollwege und die zusätzliche Feuerwache beziffert Flughafen-Chef Michael Kerkloh auf zweieinhalb bis drei Jahre. Die Bauarbeiten selbst sind kompliziert: Unter anderem müssen eine bestehende Straße verlegt und aufwendige Drainagen zur Entwässerung des Erdinger Mooses eingebaut werden. Parallel dazu sollen auf Flächen außerhalb des Airports Ausweichareale für Tiere und Pflanzen entstehen. Kerkloh rechnet "nicht vor dem Jahr 2020" mit einer Inbetriebnahme - immer vorausgesetzt, die Gesellschafter würden sich noch heuer für das Projekt aussprechen. Die Baugenehmigung, der "Planfeststellungsbeschluss", gilt zehn Jahre, danach kann er um weitere fünf Jahre verlängert werden. Die Kosten liegen laut Flughafen bei 1,3 Milliarden Euro. dh, mvö

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: