Münchner Flughafen:Der Satellit im Erdinger Moos nimmt die Arbeit auf

Nach vier Jahren Bauzeit feiert der Flughafen München mit 1500 Gästen die Eröffnung des 900 Millionen Euro teuren Projekts. Bis die ersten Passagiere kommen, dauert es aber noch ein paar Tage.

Von Marco Völklein (Text) und Natalie Neomi Isser (Fotos)

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(Foto: Marco Einfeldt)

Ready for Take-off: An diesem Freitag wird groß gefeiert im Erdinger Moos. Der Bundesverkehrsminister hat sich angesagt, außerdem der bayerische Finanzminister und der Münchner Oberbürgermeister. Außerdem wird nahezu der komplette Vorstand der Lufthansa einfliegen. Seit Tagen schon bereiten Techniker mehrere Bühnen und Videoleinwände vor, auf denen die insgesamt gut 1500 Gäste die Eröffnungsfeier für das neuen Satellitenterminal verfolgen können. Für insgesamt etwa 900 Millionen Euro haben der Flughafen und die Lufthansa in den vergangenen vier Jahren das neue Gebäude auf dem östlichen Vorfeld hochgezogen. (Bilder des Terminals sehen Sie hier.) Insgesamt elf Millionen Passagiere können dort künftig pro Jahr zusätzlich abgefertigt werden. Es soll zum einen das bestehende Terminal2 entlasten, das mit 25 Millionen Fluggästen bereits hart an der Grenze seines Fassungsvermögens angekommen ist. Zudem bietet das neue Satellitengebäude insgesamt 27 neue Abstellpositionen für die Jets - und zwar direkt am Gebäude. Viele der lästigen Fahrten mit Bussen über das Vorfeld zu den weit draußen abgestellten Maschinen sollen damit entfallen. So wollen Airportbetreiber und Fluggesellschaft den Service verbessern. Insgesamt werden etwa 1000 Menschen im Satelliten arbeiten.

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Das Besondere an dem Gebäude ist seine Insellage: Anders als bei den beiden bestehenden Terminals können die Fluggäste dort nicht mit dem Auto vorfahren. Deshalb sprechen die Planer auch stets vom "Satelliten" und nicht von einem neuen Terminal. Aus München abfliegende Passagiere werden daher auch künftig zunächst im Terminal 2 einchecken und dort die Sicherheitsschleusen durchlaufen - erst anschließend fahren sie durch die knapp 400 Meter lange U-Bahnröhre hinüber zum neuen Satellitengebäude. Das heißt aber auch: Wer kein Flugticket hat, der kommt auch nicht rüber zum Satelliten. Übrigens: An diesem Freitag wird zunächst nur gefeiert. Erstmals wirklich genutzt von der Lufthansa und deren Passagieren wird das neue Gebäude am kommenden Dienstag. Einige der Mitarbeiter des neuen Terminals stellen wir Ihnen hier vor.

Der Steuermann: Alexander Hofmann dirigiert die fahrerlose U-Bahn

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Richtig viel Tageslicht hat Alexander Hofmann nicht an seinem Arbeitsplatz. Macht aber nichts, sagt der 28-Jährige, der ganz unten im Keller des neuen Terminals den Betrieb des "Personen-Transport-Systems", kurz PTS, steuert und überwacht. Die Mini-U-Bahn verbindet auf einer knapp 400 Meter langen Strecke das bestehende Terminal 2 mit dem neuen Satellitengebäude. In Spitzenzeiten soll alle eineinhalb Minuten ein Zug durch die Betonröhren rauschen. Die Waggons fahren auf Luftreifen und werden an einer Mittelschiene geführt. Und sie sind ganz ohne Fahrer unterwegs. Hofmann steuert den Betrieb aus der Leitwarte heraus zusammen mit drei weiteren Kollegen pro Schicht. Wobei nicht alle nur auf die vielen Bildschirme starren - die Bahn läuft sowieso weitgehend automatisch. Die Mitarbeiter teilen sich die Tätigkeit in der Leitwarte und in der nahen Werkstatt auf, in der die Fahrzeuge regelmäßig gewartet werden. Spätestens nach zwei bis drei Stunden werde gewechselt, sagt Hofmann. Die Arbeit in der Leitwarte sei doch "ein wenig ermüdend".

Die Zöllnerin: Marie Müller schaut in fremde Koffer

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Bei Marie Müller im neuen Zollbereich läuft alles auf, was Menschen in ihren Koffern und Taschen mitnehmen können. "Von A wie verbotenen Arzneimitteln bis Z wie Zollzuschlag", umreißt die 26-jährige Zollbeamtin ihre Aufgaben. Der Zollzuschlag wird zum Beispiel dann fällig, wenn ein Reisender ein paar Stangen Zigaretten zu viel im Gepäck hat. Der Zollbereich befindet sich direkt hinter den Glaskanzeln der Bundespolizisten, an denen diese die Pässe und Einreisedokumente kontrollieren. Ihre Zollerklärung, sagt Müller, müssen die Fluggäste dann "konkludent" abgeben. Sprich: Passiert jemand den Zollbereich durch den mit grünen Bodenfließen markierten Bereich, hat er nichts zu verzollen. Wählt er den roten Bereich, hat er etwas anzumelden - und landet dann bei Marie Müller und deren Kollegen. Aber auch wer den grünen Weg wählt, kann von den Zöllnern an einen der höhenverstellbaren Kontrolltische gebeten werden. Denn die greifen immer mal wieder zufällig ausgewählte Passagiere auf und schauen nach, ob die auch wirklich nichts zu verzollen haben.

Der Haustechniker: Dominik Benz hält den Betrieb am Laufen

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Ohne ihn und seine Kollegen läuft eigentlich nichts im Satelliten: Dominik Benz ist einer von insgesamt 13 Haustechnikern, die sich unter anderem um die Lautsprecheranlage, den Türschließmechanismus, die Alarmanlagen in den Geschäften oder die Brandmeldeanlagen kümmern. "Alles, was irgendwie mit Sicherheit zu tun hat", sagt Benz. Die Techniker stehen rund um die Uhr bereit, um kleinere wie größere Störungen zu beheben. Das ist auch dringend nötig: Würde zum Beispiel die Lautsprecheranlage in dem Abfertigungsterminal für längere Zeit ausfallen, könnte das Gebäude bei einem Brand oder einem anderen Notfall nicht mehr rasch genug evakuiert werden, weil die Passagiere und Mitarbeiter im Gebäude nicht gewarnt werden können. "Das Terminal wäre dann schlicht nicht mehr zu betreiben", sagt Benz. Seit sechs Jahren arbeitet er am Flughafen, seine Lehre zum Mechatroniker hat der 22- Jährige schon am Airport absolviert. Nun will er sich zum Techniker fortbilden, um irgendwann vielleicht einmal eine Leitungsfunktion zu übernehmen.

Die Verkäuferin: Michaela Hiebl vertreibt Hochprozentiges

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Seit eineinhalb Wochen sind Michaela Hiebl und ihre etwa 70 Kollegen im Dauereinsatz. "Es ist schon eine ganze Menge Ware", sagt die 39-jährige Leiterin der beiden Duty-Free-Shops, die sich auf zwei Ebenen des neuen Terminals verteilen. Insgesamt 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche stehen dort zur Verfügung. Die Verkaufsregale sind zwar schon aufgebaut, aber längst noch nicht alle mit Waren bestückt. Schokolade, Parfüms, Alkoholika, Süßigkeiten - bis zur feierlichen Eröffnung muss alles an seinem Platz sein. Auch wenn die ersten richtigen Kunden erst am Dienstag auftauchen, für die Prominenz am Freitag soll alles hergerichtet sein. Bei der Konzeption des Shops hat Michaela Hiebl selbst mitgearbeitet: "Uns war es wichtig, dass der Passagier merkt, in welcher Stadt er sich befindet", sagt sie. Also wurde ein kleiner Maibaum in den Laden integriert, außerdem werden Hiebl und ihre Kollegen noch mehrere Bronzefiguren aufstellen, die berühmte Münchner zeigen. Karl Valentin zum Beispiel. Oder den Schauspieler Helmut Fischer.

Der Küchenchef: Erik Kliemt bedient nun Reisende statt Hotelgäste

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Bis vor kurzem hat Erik Kliemt noch im Berliner Hotel Adlon gekocht. Seit Januar nun kümmert sich der 34-Jährige um eine etwas andere Küche: Schweinsbraten oder Hamburger hat er künftig im Satellitenterminal im Angebot. Drei Restaurants hat Küchenchef Kliemt im Erdinger Moos zu betreuen, mit insgesamt mehr als 20 Köchen. "Da muss jeder Handgriff sitzen", sagt Kliemt - damit am Ende stets ein qualitativ einheitliches Produkt auf dem Tisch lande. Gute 15 Jahre war er in der Spitzengastronomie tätig, gelernt hat er einst bei dem Berliner Holger Zurbrüggen, der auch bei einer Kochshow im Fernsehen mitmischt. "Ich wollte was anderes machen", sagt Kliemt. Verkehrs- statt Spitzengastronomie. Die Herausforderung am Münchner Airport sei "das schnelllebige Geschäft", an das er aber "ebenfalls höchste Ansprüche hat". Zudem müssten seine Leute in "den kleinsten Küchen kochen, in denen ich je gearbeitet habe". Das sei aber nicht immer ein Nachteil: Kleine Küchen böten kurze Wege, alles sei in Reichweite, sagt er: "Hier wird effektiv gekocht."

Die Servicekraft: Katharina Jakob sucht den Kontakt

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

"In einem Büro", sagt Katharina Jakob und schaltet ihr überzeugendes Servicekraft-Lächeln an, "in einem Büro könnte ich niemals arbeiten." Acht Stunden am Tag am Schreibtisch - das wäre nichts für die 31-jährige Lufthansa-Mitarbeiterin. Da ist sie lieber ständig unterwegs in den Terminals, wird immer mal wieder mit der Mini-U-Bahn zwischen dem Terminal 2 und dem Satelliten pendeln. Mal wird sie am Check-In-Schalter die Gäste in Empfang nehmen, kurz darauf einen Flieger an einem der neuen Gates im Satellitenterminal abfertigen und später am zentralen Info-Punkt stehen, wo die Kunden zum Beispiel Umbuchungen vornehmen können. "Wenn ich morgens zur Arbeit fahre, kann ich nie sagen, was mich an dem Tag erwartet", sagt Jakob. Genau diese Abwechslung schätze sie an ihrer Tätigkeit. Außerdem das ständige Hin- und Herwechseln zwischen den Sprachen: Jakob ist zweisprachig aufgewachsen, mittlerweile beherrscht sie Deutsch, Englisch und Französisch fließend. Das war's? "Nein", sagt sie. "Als nächstes will ich Japanisch lernen."

Der Tierbetreuer: Hubertus Nicolai kümmert sich um reisende Hunde

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Als "Ramp-Agent" kümmert sich Hubertus Nicolai normalerweise um die Beladung der Lufthansa-Maschinen. Er schaut, dass Gepäck und Container im Laderaum richtig verstaut werden. Hin und wieder aber wird er auch zu einer Art Tierpfleger. Denn ungefähr bei jedem fünften Langstreckenflug, sagt Nicolai, sei auch ein Tier an Bord. Meistens sind es Hunde, die im beheizten Teil des Frachtraums mitfliegen. Ramp-Agent Nicolai holt die Tiere nach der Landung mit als erstes aus dem Bauch der Jets, versorgt sie mit Wasser und Zuspruch - und übergibt sie kurz darauf im Terminal den Besitzern. Im neuen Satelliten können umsteigende Passagiere mit ihren Vierbeinern auch noch einen speziellen Tierraum aufsuchen: Dort kann die Transportbox während des Zwischenstopps gereinigt werden, bevor es dann auf den Weiterflug geht. Zudem liegen Leckerlis aus, und es gibt eine Tierdusche. Denn mitunter, sagen selbst Lufthansa-Leute, kommen die Tiere nach einem langen Flug nicht mehr ganz sauber an. Eine Tiertoilette gibt es schließlich nicht an Bord.

Der Brückenfahrer: Joachim Schmidt dockt behutsam an

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Wenn eine Maschine im Erdinger Moos landet, zählt Joachim Schmidt zu den Menschen, die sofort um den Flieger herumwuseln. Das Gepäckförderband ranfahren, die Servicetreppe am Heck positionieren - um all das kümmert sich ein meist vierköpfiger Trupp rund um den 60-Jährigen. Eine spezielle Aufgabe ist es, die Passagierbrücke möglichst behutsam an die Maschine heranzufahren - ohne Schäden zu verursachen. 35 neue Brücken wurden am Satelliten installiert, alle mit einer neuen Technik. So zeigt zum Beispiel eine Kamera den Raum rund um das Fahrwerk direkt unter der Brücke - "falls da jemand zwischenzeitlich ein Auto abgestellt haben sollte", sagt Schmidt. Wer will, kann bei den neuen Brücken auch einfach nur einen Knopf auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm drücken, dann fährt der Passagierzugang automatisch an das jeweilige Flugzeug ran. Allerdings stoppt die Automatik etwa 1,50 Meter vor dem Flugzeug. "Den Rest muss man per Hand fahren", sagt Schmidt. Neigung, Höhe, Winkel - alles steuert er per Joystick. Sicher ist sicher.

Der Bundespolizist: Andreas Rohde bringt niemanden hinter Gitter

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(Foto: Natalie Neomi Isser)

Eine Haftzelle mit Ausblick in die Berge - das könne nur seine Dienststelle bieten, sagt Andreas Rohde. Der 42-Jährige arbeitet in der neuen Bundespolizeiinspektion im Satellitenterminal, zusammen mit 190 weiteren Beamten. Entweder sitzt er in einer der verglasten Passkontroll-Kanzeln und prüft die Pässe und Dokumente einreisender Passagieren. Oder aber er ist als Streife zu Fuß im Gebäude unterwegs und schaut nach dem Rechten. Gibt es irgendwo ein Problem, taucht beispielsweise ein möglicherweise gefälschtes Dokument auf, können sich Rohde und seine Kollegen zusammen mit dem Einreisewilligen in die Wache direkt hinter den Kontrollkanzeln zurückziehen. Dort gibt es neue, äußerst lichte Büros. Und zwei Zellen, getrennt nach Geschlechtern, in denen ein Festgenommener untergebracht werden kann. Der blickt dann durch eine mit Panzerglas gesicherte Tür direkt aufs Vorfeld und einen Teil der Alpenkette. "Die Zeit der vergitterten Räume ist vorbei", sagt Rohde. Auch wenn er einräumt, dass so mancher auf diese Aussicht wohl verzichten kann.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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