Endlich, die Zeit des Klagens ist vorbei. Wochen-, ach was, monatelang schien die einheimische Filmbranche gelähmt vom Oscarschock und Feuilletonistenlob. Der deutsche Film wurde vor einem Jahr dermaßen hochgejubelt, dass seine Macher es mit der Angst zu tun bekamen. Statt weiterer epochaler Werke schufen sie verkrampfte Mediensatiren wie "Free Rainer" oder verklemmte Sexkomödien wie "Stellungswechsel" und "Pornorama". Kein Wunder, dass die Kritik fassungslos war, während das Publikum die meisten nationalen Produktionen mit Missachtung strafte.
Nun aber soll alles besser werden: Zur Münchner Filmwoche treffen sich dieser Tage Verleiher und Kinobetreiber aus ganz Deutschland, um im Mathäser Kino die Highlights des Filmjahres 2008 zu beklatschen. Auch wenn es meist nur nichtssagende Trailer zu sehen gibt, sind Pressevertreter heuer erst am Freitagabend erwünscht, wenn im Prinzregententheater die Bayerischen Filmpreise verliehen werden.
Tags drauf präsentieren sich die Gewinner erfahrungsgemäß in prächtiger Laune auf dem Deutschen Filmball - wo die Film- und Fernsehprominenz in aller Ruhe qualmen kann, schließlich feiert man in bester (geschlossener) Gesellschaft. Alles wieder in Ordnung also? Mitnichten, wenn man den Worten des Vorstandsvorsitzenden der Constantin Film AG, Fred Kogel, glaubt: "Auch 2008 wird voraussichtlich kein herausragendes Kinojahr - unabhängig davon, ob das Produkt nun gut oder schlecht ist."
Die Marktentwicklung ist schon seit Jahren besorgniserregend. Gingen kurz nach der Jahrtausendwende bis zu 180 Millionen Deutsche jährlich ins Kino, waren es 2007 nicht einmal 130 Millionen. Selbst die vermeintlichen Hits enttäuschten: "'Lissi und der wilde Kaiser' war zwar vom Umsatz her der erfolgreichste deutsche Film des Jahres, trotzdem ist er leider bei 2,3 Millionen Kinobesuchern stehen geblieben", bedauert Kogel.
Mit ein Grund für die allgemein schlechten Besucherzahlen sei die "Überfrachtung der Kinos mit Spielfilmen", so der Constantin-Chef. "Auch im vergangenen Jahr kamen wieder etwa 500 Filme in die Kinos - vor zehn Jahren waren es gerade einmal halb so viele." Deshalb hat die Constantin entschieden, 2008 deutlich weniger Filme auf die Leinwand zu bringen. Kogel hofft, dass möglichst viele Mitbewerber diesem Beispiel folgen, damit die gezeigten Werke wieder eine reelle Chance bekommen und nicht wie üblich nach ein bis zwei Wochen aus den Kinosälen verschwinden.
Auf eine möglichst lange Laufzeit setzt man zum Beispiel bei "Asterix bei den Olympischen Spielen", schließlich handelt es sich bei der deutsch-französisch-spanischen Koproduktion um den teuersten europäischen Film aller Zeiten. Die Komödie mit Michael "Bully" Herbig in einer Nebenrolle kommt bei der Kritik erwartungsgemäß schlecht an, bei den angereisten Kinobetreibern dafür umso besser. Kinostart ist bereits Ende Januar.
Sechs Wochen später soll "Die Welle" viele Zuschauer in die Kinosäle spülen, wenn im gleichnamigen Thriller Publikumsliebling Jürgen Vogel als Lehrer ein gefährliches Experiment unter Schülern anstiftet. Voraussichtlich im Dezember startet "Effi", nach dem Roman von Theodor Fontane. Julia Jentsch gibt die Briest, den Baron an ihrer Seite spielt Sebastian Koch. Das Highlight der Constantin-Verleihstaffel soll aber "Der Baader Meinhof Komplex" werden, Kinostart der Verfilmung des Buchs von Stefan Aust ist im September. In den erstmals präsentierten Ausschnitten wurde viel geballert, die Fachbesucher der Filmwoche reagierten positiv. "Ich gehe davon aus, dass das ein Knaller wird", meint dann auch Klaus Schaefer.
Der Geschäftsführer des FilmFernsehFonds Bayern hat anders als zuletzt eine Reihe von Filmen auf der Rechnung: "Wir haben schon Anfang 2007 geahnt, dass uns die ganz großen Filme fehlen werden. Der Ausstoß unserer Produktionsfirmen kann einfach nicht so kontinuierlich sein wie der der amerikanischen Filmindustrie - wobei diese im vergangenen Jahr ja auch nicht so erfolgreich war."
Schaefer freut sich schon auf "Nordwand", der im Sommer mit großen Stars (Benno Fürmann, Ulrich Tukur) und noch größerem Aufwand in den Alpen gedreht wurde. Gespannt ist er auch auf Heinrich Breloers Neuverfilmung der "Buddenbrooks", die sich mit einem Budget im zweistelligen Millionenbereich Hoffnung auf den Titel "teuerster deutscher Film des Jahres" machen darf.
Unwesentlich günstiger dürfte Marco Kreuzpaintners "Krabat" sein, die Adaption von Ottfried Preußlers Jugendbuch-Klassiker soll im Oktober in die Kinos kommen. Der in Rosenheim geborene Regisseur, dessen US-Debüt "Trade" im vergangenen Jahr gefloppt ist, zeigt sich siegessicher: ",Trade' war nie als Blockbuster angelegt, 'Krabat' dagegen wird viele Zuschauer haben. Da bin ich mir absolut sicher." Es sind vor allem Literaturverfilmungen, mit denen die Produzenten 2008 beim Publikum punkten wollen, auch wenn sich Klaus Schaefer über eine thematische "Verbreiterung" bei den Förderanträgen freut: "Mittlerweile gibt es alle Genres im deutschen Film."
Constantin-Chef Kogel sieht diese Entwicklung eher kritisch: "Es gibt überhaupt keinen Grund für einen deutschen Produzenten, einen Krimi fürs Kino zu produzieren, weil der Deutsche sich jeden Abend hochwertige Krimis im Fernsehen anschauen kann." Bei romantischen Komödien verhalte es sich ähnlich. "Man ist also als deutscher Kinoproduzent beim Genre sehr eingeschränkt." Doch egal ob Heimat- oder Kinderfilm, Bergsteigerdrama oder Familienchronik: Die deutsche Filmbranche zeigt sich auf der Münchner Filmwoche selbstbewusster denn je, geklagt wird - wenn überhaupt - erst wieder am Jahresende.