Festival der Begegnung:Blaues Auge, derbe Sprüche

Beim Filmfest München gibt es so viele Partys und Premieren zu feiern, dass es schwerfällt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. SZ-Autoren haben es dennoch versucht.

Von Bernhard Blöchl, Josef Grübl und Susanne Hermanski

Filmfest München 2019 CineMerit Award

Sobald Stars wie Antonio Banderas auftauchen, sind Fotografen wie Autogrammjäger in Aufruhr. Ansonsten ist das Münchner Filmfest ein unaufgeregtes Festival der Begegnung.

(Foto: Felix Hörhager/dpa)

Zehn Tage dauert das Filmfest, rund 180 Filme aus 62 Ländern werden bis Sonntag gezeigt, 48 Weltpremieren jede Menge Partys gibt es. Hier ein kleiner Überblick über die wichtigsten Premieren, die schönsten Feiern und die Treffs hinter den Kulissen.

Im Wäldchen mit den Stars

Die roten Teppiche gab es woanders, hier gingen die Stars über Sand, Kiesel, Gras und Erde. Der Fernsehsender und Hauptsponsor Tele 5 hat sich für sein Sonderprogramm eines der lauschigsten Filmfest-Plätzchen ausgesucht: Im Wäldchen hinter dem Kulturstrand am Vater-Rhein-Brunnen gastierten TV-Größen wie Thomas Gottschalk, Oliver Kalkofe und Friedrich Liechtenstein sowie Filmemacher wie Oskar Roehler beim "Filmfestival der Liebe". Man plauderte, aß und trank, spielte Boccia und diskutierte Kurzfilme von Studenten. Das mehrtägige Event war deshalb so gelungen, weil sich hier Prominente und Normalos besonders schön mischten, weil hier das gelebt wurde, was das Filmfest sein (und bleiben) möchte - ein Festival der Begegnung. Und unter uns: Der Kalkofe liebt nicht nur schlechte Filme, er liebt auch guten Weißwein.

Festival der Begegnung: Beim Filmfest in München herrscht meist gute Laune: Filmproduzent Oliver Berben, Produzentin Lena Schömann und Regisseur Bora Dagtekin beim Empfang des Film-Fernseh-Fonds Bayern (von links).

Beim Filmfest in München herrscht meist gute Laune: Filmproduzent Oliver Berben, Produzentin Lena Schömann und Regisseur Bora Dagtekin beim Empfang des Film-Fernseh-Fonds Bayern (von links).

(Foto: Catherina Hess)

Verliebte Götter

Die vielleicht schrägste Liebeserklärung begann mit dem Worten "größtes Arschloch". Bei der Premiere eines Klaus-Lemke-Films passieren ja oft die kuriosesten Dinge. Die jüngste Episode geht nun so: Nach der umjubelten Uraufführung von Lemkes Milieustudie "Neue Götter aus der Maxvorstadt" in der Astor-Film-Lounge im neuen Arri ergriff der Nebendarsteller und Künstler Wolfgang Flatz das Mikrofon und holte ein bisschen weiter aus. Er erzählte von den gemeinsamen Filmen, etwa zuletzt "Unterwäschelügen", und davon, wie er den Anarcho-Regisseur in jungen Jahren verabscheut habe, etwa am Set zum Film "Amore". Erst viel später habe Flatz seine Meinung revidiert. Sein Vortrag endete mit den Worten: "Ich liebe dich!"

Probleme auf der Bierbank

Die hübsche Idee, Kino und Party zusammenzubringen, verfolgt seit einigen Jahren das "Film Volk Fest". Das Prinzip: Der Münchner Sausen-Experte Otger Holleschek und sein Team laden an einen besonderen Ort, wo man gemeinsam einen Festivalfilm guckt und danach stimmig feiert - also mal nicht im Kinosaal hockt. Dazu wurde dieses Mal die Halle 32 des Balan-Industriegebiets mit einer Jukebox, einer Fünfzigerjahre-Bar und Bands aufgemotzt, um nach dem Kneipenfilm "Leif In Concert" die darin heraufbeschworene Livemusik-Atmosphäre noch ein bisschen weiter genießen zu können. Eigentlich ziemlich lässig, bis auf den Haken, der Stammgäste schon länger ärgert: die bescheidene Akustik beim improvisierten Kinoerlebnis. Und da Christian Klandts Film mit diversen Sprachen spielt, hatten die Besucher noch ein weiteres Problem. Untertitel entziffern zu können, auf Bierbänken sitzend? Schwierig.

Diana goes Carmen

Bei der Verleihung des Cinemerit an Antonio Banderas dankte der Schauspieler Festivalchefin Diana Iljine nicht nur für den Preis, den sie ihm in die Hand drückte, sondern auch für eine Aufmerksamkeit der besonderen Art. Iljine überreichte ihn - in einer zusätzlichen Verbeugung vor dem Spanier - im Carmen-Look. Sie trug ein feuerrotes Kleid, das an den Flamencostil angelehnt war, und einen entsprechenden Haarknoten. Zu verdanken waren derlei subtile Outfits auf diesem Festival Natascha Grün, die einen Verleih für Abendkleider betreibt. Sie war viele Jahre die Lebensgefährtin des Produzenten Quirin Berg und beriet Iljine erstmals hinsichtlich ihrer Garderobe.

Die Frau an Antonios Seite

Nicole Kimpel spricht ausgezeichnet Deutsch, verdient ihr Geld als Investmentberaterin und ist die Frau an Antonio Banderas Seite. "Entschuldigen Sie, ich bin etwas aus der Übung, weil ich nur immer mit meinem Vater Deutsch spreche", sagt die 39-Jährige beim Galadinner. Auf die Bemerkung, was sie da für ein hübsches Täschchen trage, entgegnet sie: "Danke! Das ist eine neue Marke, die ich gemeinsam mit meiner Zwillingsschwester Barbara gerade herausbringe. In Deutschland kann man unsere Taschen aber noch gar nicht kaufen." Die darauf folgende Frage - "Wie, Sie sind Designerin?" - entpuppt sich als peinlich naiv. "Das auch wieder nicht", antwortet sie, "aber ich habe Antonio bei einigen Produktlinien beraten, die unter seinem Namen erscheinen. Und da dachte ich mir, warum nicht gleich selber eine machen?" Auf Instagram findet man die Taschen schon von "Baniki" (der Name vereint Barbara und Niki alias Nicole). Auf Tausenden Fotos von Nicole an der Seite Antonios auf den roten Teppichen der Welt ebenso.

Eröffnung des Münchner Filmfests, 2019

Schauspielerin Emma-Lynn Mainzer, Regisseur Klaus Lemke und Schauspielerin Judith Paus bei der Eröffnung des Münchner Filmfests.

(Foto: Stephan Rumpf)

Türöffner Fiennes

Einem Star wie Ralph Fiennes, den wirklich alle kennen - die jungen Leute als Lord Voldemort aus "Harry Potter", die älteren noch als "Der Englische Patient" - öffnen sich Türen widerstandslos. Denkt man als Normalsterblicher zumindest. Doch so einfach ist die Sache nicht. Bei der Verleihung des Cinemerit an ihn erzählt Fiennes, wie sehr er kämpfen musste, um für seinen Film über den Tänzer Rudolf Nurejew in der Eremitage in Sankt Petersburg drehen zu dürfen. "Ich musste dem Direktor vermitteln, dass ich sein Museum nicht als Kulisse missbrauchen will, sondern dass Nurejew in einer Szene vor einem ganz bestimmten Gemälde stehen soll, um es anzusehen. Denn ein Mann, der ein Bild betrachtet, bewegt mich tief." Der Direktor gab schließlich nach. Anders als die Tür übrigens, an der sich laut Aussage seiner Agentin Fiennes das Veilchen geholt hatte, mit dem der Schauspieler und Regisseur in München angekommen war.

Kulturfreunde im Schwimmbad

Im Juli gibt es in München das Filmfest. Und es gibt die Opernfestspiele. Beide Feste haben viel mit Kultur zu tun, aber wenig miteinander - außer dass die besonders wichtigen Leute dieser Stadt an vielen Abenden nicht wissen, wo sie zuerst hingehen sollen. Am Dienstag müssen sie nur ins Müller'sche Volksbad: Dort hören sie in der kleinen Schwimmhalle eine nagelneue Arie, es geht um Leben, Liebe, Tod. Also um alles. Die Akustik ist toll, das Publikum ergriffen. Der Jungregisseur Lukas von Berg hat dazu einen Animationsfilm gemacht, er wird mit dem "Shocking Short" ausgezeichnet. Ausgerechnet ein Kurzfilmpreis für Genrefans vereint an diesem Abend also Kino und Oper, U und E. Der Gewinnerfilm heißt übrigens "Tod einer Fruchtfliege" und erzählt mit grimmigem Humor vom qualvollen Sterben eines Insekts.

Zweite Wahl

Den wohl lässigsten Auftritt des Filmfests legt Frauenschwarm Louis Garrel hin, der im Gasteig einen neuen Preis für künstlerische Multitalente erhält. Dazu muss man wissen, dass der Franzose nicht nur ordentlich Schlag bei Frauen hat, sondern auch als Schauspieler, Autor und Regisseur reüssiert. Dann aber hört er unendlich viele Lobeshymnen auf ein ihm vermutlich bis dato unbekanntes Multitalent, nach dem der Preis benannt ist: Margot Hielscher starb vor zwei Jahren in München, ihr Neffe will das Andenken an sein "Tantchen" wach halten, mit Reden, Liedern, Filmausschnitten. Der eigentliche Preisträger gerät dabei etwas in Vergessenheit, Garrel nimmt es mit Humor. Das habe er schon einmal daheim in Paris erlebt, sagt er in seiner Dankesrede, da sei er ebenfalls nur zweite Wahl für den Preis gewesen: "Also sagen Sie mir bitte nicht die Wahrheit!"

Heiße Thesen

Die Hitze macht den Filmfestgästen an allen Tagen zu schaffen, sei es beim Cartier Cocktail in einem überfüllten Maximilianstraßen-Appartement oder beim Stelldichein einer Schauspielagentur im Charles Hotel, bei dem die Köpfe der Gäste mindestens so rot sind wie die Würstchen auf dem Grill neben ihnen. Heiße Thesen stellt auch Bayerns neue Digitalministerin Judith Gerlach beim Empfang des Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) auf der Praterinsel auf: Zuerst freut sie sich über das Wetter, dann über Besucherzahlen und Netzwerkmöglichkeiten. Sie lobt ihr eigenes Engagement für die bayerischen Kinos, die jetzt noch mehr gefördert würden: "Wir haben da noch einmal eine Schippe draufgelegt." Zur selben Zeit geht das Kinosterben in der Stadt und auf dem Land weiter - aber das geht in der Hitze der Debatte unter.

100 000 Euro

gibt es für den Gewinner des erstmals auf dem Filmfest verliehenen Cinecopro-Awards. Ausgezeichnet wurde die brasilianisch-deutsche Koproduktion "A vida invisível de Eurídice Gusmão" von Karim Aïnouz, koproduziert von Viola Fügen und Michael Weber (Pola Pandora Filmproduktion). "Es ist ein Preis, der die kulturelle und wirtschaftliche Partnerschaft Deutschlands mit der ganzen Welt hervorhebt, in unserem Fall zwischen Deutschland und Brasilien", sagte der brasilianische Regisseur Karim Aïnouz, der seit einigen Jahren in Deutschland lebt.

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