Münchner Bürgerbündnis:Mehr als lästige Nörgler

Ein Zusammenschluss von 21 Initiativen strebt einen Bürgerrat und eine Bürgerakademie an. Den geplanten Austausch aber verweigern die großen Landtags-Fraktionen

Von Renate Winkler-Schlang

Mitreden auf Augenhöhe und Beteiligung, die mehr ist als ein von der Stadtverwaltung gewährtes Placebo - dafür macht sich das Bürgerbündnis München stark. Dessen Sprecher Marion Kutscher und Helge Rossen-Stadtfeld erklären die Idee: München brauche einen überparteilichen "Bürgerrat" mit konkreten Mitwirkungsrechten, und damit der weiß, worüber er redet und was er tut, am besten auch eine "Bürgerakademie". Dieses Konzept wollte das Bündnis, in dem sich 21 Initiativen aus den Stadtvierteln zusammengeschlossen haben, in der Evangelischen Stadtakademie mit Politikern aus dem Landtag diskutieren. Gekommen war jedoch nur Michael Piazolo von den Freien Wählern. Die CSU hatte abgesagt, SPD und Grüne hatten laut Kutscher nicht reagiert. Piazolo immerhin zeigte sich angetan. Das größte Problem werde die Legitimation eines solchen Bürgerrates sein. Dennoch sei der Grundgedanke ausbaufähig.

Schauriger Stadtplanungs-Horrortrip in München, 2014

"Stadtplanungs-Horror-Trip" an Halloween 2014 mit dem Bündnis Gartenstadt: Rüttelt das die Verwaltung auf?

(Foto: Florian Peljak)

Ob Altstadtfreunde oder Bürgerinitiative Amisiedlung, der Verein Verkehrsberuhigung München oder das Bündnis Gartenstadt - bis vor drei Jahren kämpfte jeder für sich allein. Die Vernetzung habe alle gestärkt, finden die Anwesenden. Die vielen Grundprobleme der Initiativen seien damit aber auch so richtig deutlich geworden: Jede muss sich Basiswissen selbst erarbeiten, das bleibe dann bei einigen Experten innerhalb einer Initiative, werde aus Zeitmangel nicht dokumentiert oder archiviert. Man sei der Verwaltung lästig und werde aus einer Abwehrhaltung heraus behandelt. Die Grundlage von Verwaltungsvorschlägen oder Prioritätenlisten liege oftmals im Dunklen: Warum etwa soll ein Tunnel unterm Englischen Garten wichtiger sein als einer unter der Landshuter Allee? Bei Bürger-Workshops zu einem Neubaugebiet entstehe oft der Eindruck, dass das gewünschte Ergebnis vorher schon feststehe, gestaltbar seien allenfalls Nuancen. Von Lobbyisten und Bauträgerinteressen erfahre man ohnehin nichts, moniert ein Bürger. Der Zeitpunkt sei immer zu spät, der Spielraum zu eng, um neue Alternativen zur Diskussion zu stellen, das habe die Diskussion um die Tram in der Fürstenrieder Straße gezeigt. Ob Bezirksausschüsse Anliegen unterstützen, sei auch vom Zufall örtlicher Koalitionen abhängig: Ober- und Untergiesing hatten verschiedene Meinungen zu einem Parkhaus für den Tierpark. Auch die differenziertesten Anträge bei Bürgerversammlungen würden mit kopierten Textbausteinen beantwortet. Stadtratsbeschlüsse wie der für ein neues Verkehrskonzept würden jahrelang nicht in die Tat umgesetzt, keiner wisse: Wollen die nicht oder können die nicht?

Tierklinik der LMU in München, 2016

Wer vorher nicht mitreden darf, dem bleibt nur der nachträgliche Protest, hier gegen den Abriss der Tierklinik.

(Foto: Catherina Hess)

Dem Bürgerbündnis gehe es nicht um pro oder contra Tunnel oder Nachverdichtung, Tram oder Neubaugebiet, Pflegeheim hier oder Gymnasium dort und schon gar nicht nur ums Jammern oder Protestieren, betonen Kutscher und Rossen-Stadtfeld. Wichtig sei ihnen die Frage nach grundsätzlichen Mitwirkungsmöglichkeiten. "Wir wollen Zukunft mitgestalten dürfen", fasst Kutscher zusammen. Andere Bundesländer, etwa Baden-Württemberg, seien da weiter als Bayern, dort spreche man schon darüber, Bürger bei Gesetzgebungsverfahren einzubinden. In Skandinavien gebe es Ansätze, die von Betroffenheit ausgehen: Man darf da mitreden, wo man wohnt.

München, Obergiesing, Harlaching, Amisiedlung Cininatti-Markgrafenstraße, Demo gegen Verkehr,

Demonstration gegen den Verkehr in der Amisiedlung.

(Foto: Angelika Bardehle)

Ihr Konzept stehe am Anfang, die konkrete Ausgestaltung von Bürgerrat und -akademie müsse gemeinsam erarbeitet werden. Das brauche einen langen Atem, das Bürgerbündnis bestehe aus Ehrenamtlichen, die alle auch noch einen Beruf haben, erklärte Rossen-Stadtfeld. Ein eigener Raum im Rathaus, Geld für einen Kongress oder eine Ausstellung, das wäre schon mal schön, um als Bündnis besser wahrgenommen zu werden. Sie wollen gemeinsam dranbleiben, auch die anderen Parteien nochmal zum Gespräch bitten.

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