Literatur in München:Was die Münchner Bücherschau bietet

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Gemeinsam über Bücher sprechen: Mai Thi Nguyen-Kim und Marie Meimberg stellen zum Beispiel ihr neues Sachbuch für Kinder auf der Bücherschau vor. (Foto: Boris Breuer)

Bei der 65. Münchner Bücherschau im Haus der Kunst sind zahlreiche Veranstaltungen für Kinder wie Erwachsene zu erleben, mit Lesungen von Mai Thi Nguyen-Kim bis Robert Harris. Ein Überblick.

Von Antje Weber

Stapelweise Lesestoff: Die Münchner Bücherschau ist, Veranstaltungsprogramm hin oder her, traditionell vorwiegend eine Ausstellung. Damit passt die nunmehr 65. Schau gut ins Haus der Kunst, wohin sie nach vielen Jahren im Gasteig vor zwei Jahren wieder zurückgekehrt ist – und wo sie diesmal, losgelöst von der zwischenzeitlichen Literaturfest-Einbindung, wieder auf ihr Alleinstellungsmerkmal im Münchner Literaturherbst setzen kann.

Stöbern, reinlesen, Titel notieren – das ist im Westflügel des Hauses der Kunst möglich, wo der Landesverband Bayern des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels die Neuerscheinungen von mehr als 200 Verlagen bei freiem Eintritt präsentiert. Dazu ist während der Laufzeit vom 14. November bis zum 1. Dezember jeden Tag mindestens eine Veranstaltung geboten, die bewusst ein sehr unterschiedliches Publikum ansprechen soll. Hier ein Überblick.

Romance und andere Romane

Von queerer Liebe erzählt Hengameh Yaghoobifarah in „Schwindel“. (Foto: Lior Neumeister)

Was junge Lesende interessiert? Zum Beispiel ein Abend mit Hengameh Yaghoobifarah, bekannt geworden unter anderem durch eine taz-Kolumne und den Roman „Ministerium der Träume“. Im neuen Roman „Schwindel“ erzählt Yaghoobifarah von komplexen Liebesbeziehungen in der queeren Community (24.11.). Viele junge Frauen sind zuvor bei „All About Romance“ zu erwarten: Der „große New-Adult-Abend“ bringt die vier Autorinnen Lilly Lucas, Maren Vivien Haase, Carolin Wahl und Saskia Hirschberg ins Gespräch mit der Instagram-Influencerin Julia Hohage (23.11.).

Ein junges Publikum dürfte auch ein Science-Fiction-Abend mit Aiki Mira und Theresa Hannig anziehen – dass dabei Plots wie „Die Welt steht vor dem Abgrund“ aufgerufen werden, erscheint so unrealistisch nicht (17.11.). Einen Schritt weiter ist Thriller-Altmeister Robert Harris: Sei neues Werk heißt einfach nur „Abgrund“ (18.11.). Da möchte man doch am liebsten mit Autorin Melanie Raabe in den „längsten Schlaf“ wegtauchen, leider jedoch leidet die Hauptfigur unter Schlafproblemen (14.11.).

Ab in die Zukunft: Aiki Mira spricht beim Science-Fiction-Abend mit Theresa Hannig. (Foto: Miguel Ferraz Araújo)

Dann doch lieber das „stille Glück“ finden – es schwebt zumindest Jan-Philipp Sendker vor, der in seinem neuen Roman „Akikos stilles Glück“ gen Japan entführt (20.11.). Wie man sein Lebensglück stattdessen hierzulande in einer Wohngemeinschaft mehren kann, erklärt dagegen Isabel Bogdans Roman „Wohnverwandtschaften“ (28.11.) Wer wiederum die Lesung des tschechischen Autors Petr Borkovec besucht, bekommt fünf Objekte präsentiert, die für seine Erzählungen stehen. Deren Titel heißt „Den Stock aufheben“ – eine kleine Bewegung kann also der Beginn von etwas Großem sein (26.11.).

Die Welt erklären

Katerina Gordeeva erhält in diesem Jahr den Geschwister-Scholl-Preis für ihr Buch „Nimm meinen Schmerz“. (Foto: Varvara Gataullina)

Große Entwürfe für die Welt, dafür ist natürlich auch das Sachbuch zuständig. Astrophysiker Harald Lesch als Stammgast diskutiert mit Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer über den Stand der Schulbildung (22.11.), die Rechtswissenschaftlerin Angelika Nußberger und die Illustratorin Rotraut Susanne Berner erzählen in Wort und Bild von den Menschenrechten (25.11.). Und Lena Gorelik und Mirjam Zadoff laden als Herausgeberinnen in einer zunehmend antisemitisch und rassistisch geprägten Gesellschaft zum Gespräch ein: „trotzdem sprechen“ (19.11.).

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Die Autorinnen Annett Gröschner, Peggy Mädler und Wenke Seemann brauchen dazu Alkohol: „Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat“ – das könnte, je nach Pegel, ja doch konstruktiv sein (15.11.). Es gibt jedoch Katastrophen, über die hilft kein Alkohol hinweg, wie die Autorin Katerina Gordeeva nur zu gut weiß. Ihr Buch „Nimm meinen Schmerz“ mit „Geschichten aus dem Krieg“ gegen die Ukraine wird in diesem Jahr mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. Einen Tag nach der nicht öffentlichen Preisverleihung stellt Gordeeva ihre Porträts von Überlebenden im Rahmen der Bücherschau in der Buchhandlung Lehmkuhl vor (27.11.).

Speeddating und andere Specials

Auf der Suche nach Orientierung im Büchermeer? Da empfiehlt sich ein Speeddating mit „Bayerns Besten Independent Büchern“, die vom Freistaat empfohlen werden (29.11., 17 Uhr), vertieft in einer Benefiz-Lesung (19 Uhr). Ein „politischer Österreich-Abend“ des Magazins Buchkultur mit Thomas Köck, Christian Moser-Sollmann und Theresia Töglhofer gipfelt in einer Sound- und Tanznacht (30.11.). Als „Talking Heads“ sind die Comicautorinnen Barbara Yelin und Jutta Pilgram zu erleben (16.11.). Und dann fängt es auch an, verschärft zu adventeln: Mit Weihnachts-Empfehlungen und Weihnachtslieder-Mitsingen können sich die Besucher eingrooven (1.12.).

Was Kinder fasziniert

„Bodyguard Reloaded“ ist eine Bestsellerserie von Chris Bradford, der im Haus der Kunst zur Action-Leseshow lädt. (Foto: Chris Bradford)

Wie immer ist bei der Bücherschau auch viel für Kinder geboten. Auch wenn eine Lesung mit Paul Maar längst ausverkauft ist: Karten gibt es noch für eine Action-Leseshow mit Chris Bradford (16.11.) oder eine interaktive Leseshow im Residenztheater mit Wissenschaftsautorin Mai Thi Nguyen-Kim, die zusammen mit Marie Meimberg und der Figur Bibibiber da mal eine Frage hat: „Welche Farben hat der Regenbogen?“ (17.11.).

Für kleine Kinder sind Bilderbuchlesungen wie „Lumpi“ mit Ralph Caspers (23.11.) geeignet, eine Comiclesung mit Ole Könnecke und Nikolaus Heidelbach aus ihren „Gutenachtgeschichten für Celeste“ (30.11.) oder „Grimm und Möhrchen“ von Stephanie Schneider (1.12.). Das bestens eingespielte und eingelesene „Literarische Jugendquartett“ dagegen diskutiert über neue Bücher für Jugendliche ab 14 Jahren – unter anderem über den sehr besonderen Roman „Gras unter meinen Füßen“ von Kimberly Brubacker Bradley (1.12.).

Workshops und Weiterbildung

Weitere Kinderbuchtipps gefällig? Bereits ein Klassiker sind die Empfehlungen „Die 100 besten Kinder- und Jugendbücher“ der Expertinnen Roswitha Budeus-Budde, Marlene Zöhrer und Hilde Elisabeth Menzel (17.11.). Und wie Jugendliche, die nach vielen großartigen Lektüren unrettbar ans Lesen verloren sind, daraus später ebenfalls einen Beruf machen können, erfahren sie bei einem Branchen-Gespräch (19.11.).

Etliche Werkstätten und Workshops ergänzen das breite Angebot der Bücherschau, zum Beispiel die Offene Schreibwerkstatt „Unlesbar!“ für Kinder (14.–1.12.). Auch Erwachsene können sich in einer Matinee mit der Verlegerin und Biografin Annette Stroux zu eigenen Werken inspirieren lassen (24.11.). Die Idee ist einleuchtend: Wer all die vielen Bücher im Haus der Kunst nicht zu schätzen weiß, schreibt sich eben selbst seins.

65. Münchner Bücherschau, Donnerstag, 14. November, bis Sonntag, 1. Dezember, Westflügel im Haus der Kunst, täglich 8–22 Uhr, Eintritt frei. Infos und sämtliche Termine unter www.muenchner-buecherschau.de

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