Süddeutsche Zeitung

Münchner Amtsgericht:18-Jährige hat Zwangsprostitution frei erfunden

  • Im Dezember 2012 versetzte Maria A. das Sittenderzernat in helle Aufregung: Sie sei in München zur Prostitution gezwungen und in einen Keller eingesperrt worden.
  • Mittlerweile steht fest, dass die 18-Jährige gelogen hat.
  • Dennoch müssen sich wegen ihrer Falschaussage nach wie vor Beschuldigte vor Gericht verantworten.

Von Christian Rost

Sie sei in Rumänien als Kindermädchen angeworben und dann in München zur Prostitution gezwungen worden, erzählte die 18-Jährige der Kriminalpolizei. Weil sie sich anfangs geweigert habe, ihren Körper zu verkaufen, sei sie über Tage hinweg in einem dunklen Keller irgendwo in der Landeshauptstadt festgehalten worden. In das Verlies hätten die Zuhälter noch mindestens eine weitere Frau eingesperrt, so Maria A., die mit ihrer Aussage das Sittendezernat in helle Aufregung versetzte. Das war im Dezember 2012.

Mittlerweile steht fest, dass die Geschichte frei erfunden und die Frau freiwillig der Prostitution nachgegangen war. Dennoch müssen sich wegen ihrer Falschaussage nach wie vor Beschuldigte vor Gericht verantworten.

Am Montag saß ein rumänisches Ehepaar auf der Anklagebank im Münchner Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft warf dem 38-jährigen Cristian M. und seiner Frau Oana M., 30, Menschenhandel vor. Sie hätten die 18-Jährige Ende 2012 in ihrer Münchner Wohnung aufgenommen, bei der Polizei als Prostituierte angemeldet und dann zu mehreren Bordellen in der Stadt gebracht, wo Maria A. habe arbeiten müssen. Ihre Einnahmen habe sie fast in voller Höhe an einen anderen Landsmann abgeben müssen. Dieser Mann habe sie auch von Rumänien nach München gebracht, hieß es in der Anklage weiter. Das Ehepaar habe sich strafbar gemacht, weil es eine Person unter 21 Jahren der Prostitution zugeführt habe.

Was Maria A. der Polizei erzählt hatte

Cristian und Oana M. stritten das ab. Die Verteidiger Christian Bärnreuther und Julia Mehlstäubl verwiesen auf die Ermittlungen der Polizei. Und die haben letztlich ergeben, dass Maria A. den Beamten, die sie aufgegriffen hatten, eine Räuberpistole aufgetischt hatte:

Nach ihren Angaben war sie als Kindermädchen zu einer Familie Am Hart gelockt worden. Dann habe man ihr die Augen verbunden, sie mit dem Auto auf einer Schotterstraße zu einem Haus gebracht und in ein nach Fäkalien stinkendes Kellerverlies gesperrt. In dem dunklen Raum mit Stockbetten und rauen Wänden habe es keine Toilette, nur ein stinkendes Loch im Boden gegeben. Im Keller habe sich bereits ein anderes Mädchen befunden. A. sagte, sie sei drei Tage dort geblieben, bis sie psychisch gebrochen eingewilligt habe, doch im Bordell zu arbeiten.

Was tatsächlich passiert ist

Die Polizei suchte fieberhaft nach dem Verlies. In Sorge um mögliche weitere dort eingesperrte Opfer liefen die Ermittlungen auf Hochtouren. Dann aber widersprach sich Maria A. bei weiteren Vernehmungen und es zeigte sich, dass sie alles frei erfunden hatte. Zwar war sie tatsächlich von einem Rumänen nach München gebracht worden, um sich zu prostituieren, weswegen der Mann auch zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Im Bordell hatte sie aber freiwillig gearbeitet.

Dafür hatte sie auch das rumänische Ehepaar eingespannt, das sie aufgenommen und ihr bei Behördengängen geholfen hatte. Cristian und Oana M. hätten ihr "einen Gefallen getan", so Verteidiger Bärnreuther, sie gewiss aber zu nichts gezwungen. Dennoch waren die beiden wegen Maria A.s Geschichte vier Wochen in Untersuchungshaft. Nun ist auch der Staatsanwaltschaft klar geworden, dass das Paar sich nichts hatte zuschulden kommen lassen - und willigte in die von Richter Matthias Braumandl angeregte Einstellung des Verfahrens ein.

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SZ vom 16.06.2015/infu
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