Süddeutsche Zeitung

Münchner Altstadt:Schnäppchenparadies Viktualienmarkt

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Zumindest Italiener und neureiche Schweizer freuen sich über die niedrigen Bierpreise dort.

Kolumne von Thomas Anlauf

Am Viktualienmarkt ist ja mehr los als derzeit auf der Theresienwiese. Das liegt natürlich an den unverschämt günstigen Preisen, mit denen dort die Standlbetreiber Kunden ködern. Der Durchschnittsmünchner kann es sich nämlich locker leisten, zweimal pro Monat Zutaten fürs Abendessen zu kaufen, wenn er die restlichen Abende des Monats aufs Nachtmahl verzichtet.

Nicht umsonst wird der Viktualienmarkt jetzt mit dem "Eckart" ausgezeichnet, dem Eckart-Witzigmann-Preis in der Kategorie "Lebenskultur". Für den Münchner Koch-Guru, der den Preis seit 2004 auslobt, ist der Standlverhau zwischen Schranne und Altem Peter "ein Magnet", wie er der Abendzeitung verriet.

Ein seltsamer Vergleich, schließlich liegen Magneten ja meist schwer im Magen, im Gegensatz zu den leichten Speisen aus Witzigmanns Küche. Die Preise in der Edelgastronomie können dem Konsumenten hingegen gehöriges Magengrimmen bescheren. Schon in Helmut Dietls "Münchner Geschichten" verspeiste Tscharlie im "Tantris" lediglich ein Witzigmann-Ei, für mehr reichte es halt nicht. Die köstliche Filmszene aus dem Jahr 1974 hat sich offenbar im kollektiven Gedächtnis des Münchners so tief eingebrannt, dass er ein Sternelokal ähnlich oft besucht wie den Viktualienmarkt.

Dort tummeln sich vor allem neureiche Touristen aus der Schweiz, die von den unverschämt günstigen Preisen völlig verzückt sind. Auch weniger betuchte Italiener sind dort verstärkt zu sehen, allerdings vor allem wegen des Biergartens. Dort gibt es die Mass Bier zum Schnäppchenpreis, verglichen mit der Heimat. Schließlich zahlen sie in Rom laut aktuellem Bierpreisindex von "Go Euro" für den Liter mehr als 25 Euro.

Der Münchner könnte also durchaus ein bisschen stolz sein auf das Schnäppchenparadies Viktualienmarkt, das sich nun mit dem "Eckart" schmücken darf. Wenigstens das: Auf die Unesco-Liste des Welterbes hat es Münchens gute Stube noch immer nicht geschafft. Vielleicht verkauft sich der Viktualienmarkt ja einfach unter Preis.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2016
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