Münchner Abgeordnete im Bundestag:Selten gehört

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"Volksvertreter und Parlamentarier hat was mit parlare, mit reden und öffentlichem Argumentieren zu tun und nicht mit sedere, also sitzen." Gauweiler redet, nur eben mehr in Bierzelten und vor dem Bundesverfassungsgericht als im Bundestag. (Foto: dpa)

Schweigen ist seine Sache nicht - doch am Rednerpult des Deutschen Bundestages ist Peter Gauweiler eher ein seltener Gast. Andere Münchner Abgeordnete ergreifen deutlich öfter das Wort. Dafür gibt es allerdings einen plausiblen Grund.

Kassian Stroh

Um ein scharfzüngiges Wort oder eine feurige Rede ist der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU) selten verlegen. Das Hohe Haus freilich hat den Münchner nur sehr selten in Aktion erlebt. Ganze viermal erst hat er in dieser Legislaturperiode im Plenum des Bundestags am Rednerpult gestanden. Das geht aus einer Auswertung der Aktivitäten aller Abgeordneten hervor, die die Parlamentsverwaltung Anfang der Woche erstellt hat. Sogar die Germeringer Grünen-Abgeordnete Beate Walter-Rosenheimer hat auf dieser Liste Gauweiler bereits überholt - mit sechs Auftritten. Dabei zog sie erst vor einem Jahr als Nachrückerin nach Berlin.

Nun kann die Anzahl der Plenarreden nicht als alleiniger Indikator für Fleiß oder Faulheit, Wirkungslosigkeit oder Effizienz eines Abgeordneten gelten - schon weil im Bundestag der Großteil der inhaltlichen Arbeit in den Ausschüssen gemacht wird. Bemerkenswert ist jene Liste gleichwohl, schließlich ist das Plenum das Herz eines jeden Parlaments. Und Gauweiler steht ja auch in der CSU im Ruf, mehr Aufmerksamkeit den Geschäften seiner Rechtsanwaltskanzlei am Promenadeplatz zu widmen als den Mühen des Parlamentsalltags in Berlin.

Interessanterweise direkt neben ihm steht auf der Liste der scheidende CSU-Mann Herbert Frankenhauser (München-Ost). Auch der hat seit 2009 nur vier Reden gehalten - nicht weil er ein Neuling wäre, der sich in seiner Fraktion erst hochdienen müsste. Frankenhauser gehört dem Parlament seit fast einem Vierteljahrhundert an. Sein CSU-Kollege Florian Hahn (München-Land), 2009 erstmals gewählt, hat bereits jetzt 52-mal gesprochen.

Damit kommt der Putzbrunner den Münchnern Rainer Stinner (FDP) und Jerzy Montag (Grüne) schon recht nahe. Die führen mit 62 respektive 63 Reden die Liste an, wenn man nur die Abgeordneten aus dem Großraum München betrachtet. Überdurchschnittlich häufig das Wort ergriffen in dieser Legislaturperiode auch Daniel Volk (FDP/40), Toni Hofreiter (Grüne/30), Hans-Peter Uhl (CSU/28), Johannes Singhammer (CSU/26) und Klaus Barthel (SPD/24). Die Münchner Linken-Vertreterin Nicole Gohlke (29 Reden) legt vor allem Wert darauf, die Bundesregierung mit schriftlichen Anfragen zu löchern (103-mal) oder mit mündlichen in der Fragestunde des Plenums (60-mal). In diesen Kategorien wiederum gehört Hofreiter, der aus Sauerlach stammt, zu den absoluten Spitzenreitern: Er hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren 245 Fragen und 350 schriftliche Anfragen formuliert.

Im Mittelfeld der Liste bewegen sich die übrigen Abgeordneten aus der Region. Jimmy Schulz (FDP, München-Land) kommt wie der Freisinger Franz Obermeier (CSU) auf 19 Auftritte, CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt auf 15 und der Ebersberger Ewald Schurer (SPD) auf 13. Ein Hinterbänkler-Dasein führt der Erdinger CSU-Abgeordnete Max Lehmer, der dem Bundestag seit 2005 angehört. Elf Plenarauftritte sind bei ihm verzeichnet.

Kurios mutet auf den ersten Blick an, dass die prominentesten Volksvertreter fast durchweg eine Null auf der Liste stehen haben: die Mitglieder der Bundesregierung wie Agrarministerin Ilse Aigner. Das liegt daran, dass sie im Plenum praktisch immer in ihrer Regierungsfunktion das Wort ergreifen, nicht aber als einfache Abgeordnete. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) etwa tat dies nur einmal: im April 2011 bei der Debatte über die Präimplantationsdiagnostik. Dass die Zahl der Plenarreden nicht einhergeht mit Prominenz, illustriert auch der Abgeordnete Alexander Dobrindt, der zwar nur fünfmal sprach, in seinem Nebenjob als CSU-Generalsekretär aber ungleich mehr Aufmerksamkeit genießt.

Das Prinzip zeigt sich auch bei Gauweiler aus dem Wahlkreis München-Süd. Auf die Frage nach seiner raren Bundestagsanwesenheit antwortete er einmal: "Aber Volksvertreter und Parlamentarier hat was mit parlare, mit reden und öffentlichem Argumentieren zu tun und nicht mit sedere, also sitzen." Gauweiler redet ja, nur eben mehr in Bierzelten und vor dem Bundesverfassungsgericht als im Bundestag.

© SZ vom 31.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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