Münchne Momente:Austeilen statt Einschenken

Weil das Oktoberfest ausfällt, verkürzt sich die sommerliche Auszeit der Stadträte. Einigen dürfte das aber sogar gefallen

Kolumne von Heiner Effern

Die Stadt verfällt nun in ihren einzigartigen, entspannten August-Modus. Viele genießen bereits die dringend nötige Ruhephase nach diesem seltsamen ersten Halbjahr. Hoffentlich auch die Stadtpolitiker. Noch ist den meisten von ihnen vielleicht nicht bewusst, dass sie heuer besonders Gas geben sollten beim Erholen. Denn den Münchner Stadträten droht eine der kürzesten Politpausen der neueren Zeitrechnung. Bevor sich nun aber jemand über eine ungebührliche Urlaubskürzung aufregt, sei angemerkt: Dieses Jahr fällt nur die hier übliche Urlaubsverlängerung aus.

Genauer gesagt: Das Oktoberfest fällt aus. Die Münchner Stadträte genossen bisher das weltweit einmalige Privileg, fließend vom Sommerurlaub in den Dämmerzustand der Wiesnzeit hinübergleiten zu dürfen. Offiziell gab es natürlich im Septemberloch zwischen Ferienende und Anstich schon ein paar Dinge zu erledigen, doch de facto ist bis zum Rausschmeißer am letzten Wiesnsonntag kaum etwas passiert außer einer intensiven Pflege der Bürgernähe. Doch wegen Corona beginnt die Polit-Schufterei nun schon wieder in der zweiten Septemberwoche. Das wird vor allem für diejenigen hart, die sich schon viele Jahre lang an das Urlaubs-Privileg gewöhnt haben.

Aber es gibt auch viele Neue im Stadtrat, die bisher vor allem eines auszeichnet: Sie debattieren leidenschaftlich gerne. Die Juli-Vollversammlung dauerte bis etwa 23 Uhr. Manchmal ging da sogar der Überblick verloren. Von der Fraktion der Linken/Die Partei etwa schloss ein Mitglied den Redebeitrag sinngemäß, dass es nun genug sei mit der Polemik, man überlasse das Pult nun wieder denjenigen, die sich hier ständig profilieren wollten. Als nächstes auf der Rednerliste stand jedoch zum Gaudium des Stadtrats: ein weiteres Mitglied der eigenen Fraktion. Doch von solchen Kleinigkeiten werden sich die Neuen nicht aufhalten lassen. Man ahnt schon, dass die Septembersitzungen dieses Jahr trotz des verkürzten Urlaubs länger dauern könnten als je zuvor. Niemand muss dringend auf die Wiesn, und so einige könnten sich gleich an der nächsten Debatte berauschen.

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