München/Unterföhring:Es liegt was in der Luft

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Sollte München eine Seilbahn über dem Frankfurter Ring errichten, möchte Unterföhring sie bis ins eigene Gewerbegebiet fortführen. In Milbertshofen-Am Hart gibt man dagegen dem DB-Nordring den Vorzug

Von Nicole Graner und Sabine Wejsada, München/Unterföhring

Die Straßen sind verstopft, S- und U-Bahnen proppenvoll und selbst Linienbusse kommen wegen langer Staus nicht voran: Mit einer Seilbahn als weiteres Transportmittel im öffentlichen Nahverkehr würden sich diese Beschwernisse zwar nicht in Luft auflösen, die für viele Pendler unerträgliche Situation, Stunden im Stau oder an überfüllten Bahnhöfen und Haltestellen zu verlieren, könnte sich aber entspannen. Das sieht man in München so, wo aktuell eine Machbarkeitsstudie für eine Gondelbahn über dem Frankfurter Ring erstellt werden soll, und auch die Unterföhringer könnten einer Seilbahn einiges abgewinnen.

Wie Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) am Mittwoch beim Wirtschaftsgespräch der Gemeinde sagte, könnte er sich vorstellen, die Seilbahn am Frankfurter Ring, die auf einer Länge von viereinhalb Kilometern die U-Bahnstationen Oberwiesenfeld und Studentenstadt verbinden soll, über die Isar bis nach Unterföhring fortzuführen - im besten Fall bis ins Gewerbegebiet der Medienkommune, in dem mehr als 22 000 Beschäftigte arbeiten. "Wir haben Ende Oktober unseren Hut in den Ring geworfen", berichtete Kemmelmeyer, der darauf baut, an den Gesprächen zwischen der Stadt München und dem Freistaat beteiligt zu werden.

Seit Juli wird das Seilbahn-Projekt für den Frankfurter Ring in München diskutiert. Vielleicht schon 2025, so wünscht sich das Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), könnten über der Hauptverkehrsader Gondeln schweben. Eine Seilbahn würde etwa nur ein Zehntel einer U-Bahn und die Hälfte einer Tram kosten, und wenn sie als Verkehrsmittel nicht angenommen würde, könne sie vergleichsweise einfach ab- und woanders wieder aufgebaut werden, heißt es von den Herstellern der Bahn. Für München soll nun zunächst eine Machbarkeitsstudie erstellt werden, 2019 müsste dann der Stadtrat eine vertiefende Planung beschließen, dann folgt das Baugenehmigungsverfahren.

Markus Haller, Bereichsleiter Konzeption beim Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) und Referent beim Wirtschaftsempfang, teilt das Interesse an Seilbahnen und sieht gute Chancen, "dass Unterföhring dabei sein könnte - als erste Strecke im Landkreis München". "Ich hoffe, dass wir im ersten Quartal etwas von der Stadt hören werden", sagte Bürgermeister Kemmelmeyer und erinnerte an die erfolgreiche Kooperation von Unterföhring und München beim vierspurigen Ausbau des Föhringer Rings. Nach den Worten des Rathauschefs sieht der Zeitplan einen Start der Rodungen für Februar vor. Bereits 2020/21 soll die neben der alten Herzog-Heinrich-Brücke neu errichtete Querung von Isar und Isarkanal fertig sein, über die dann Verkehr laufen soll, wenn der marode Übergang durch einen Neubau ersetzt wird; 2025 soll das Projekt abgeschlossen sein. Unterföhring setzt sich derzeit massiv dafür ein, dass beim Ausbau des Föhringer Rings die Anbindung an die Autobahn A 9 so gestaltet wird, "dass es nicht dort den nächsten Flaschenhals gibt, der wieder Staus und Behinderungen verursacht", so Kemmelmeyer. Für Unterföhring sei jedes Auto weniger ein Gewinn. Deshalb werde man auch weiterhin auf den Einsatz von Langzügen bei der S-Bahn drängen. Laut Zusagen von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sollten diese schon seit Januar verkehren, was nicht der Fall ist. Jetzt sollen sie erst im Laufe des nächsten Jahres kommen.

Während im Landkreis am Mittwoch die grundsätzlichen Verkehrsstrukturen referiert wurden, setzte sich der Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart mit den Details einer Gondel 60 Meter hoch über dem Frankfurter Ring auseinander. Bündnis 90/Die Grünen halten davon allerdings nicht viel. Zumindest nicht an dieser Stelle. Viel wichtiger sei die zügige Realisierung des S-Bahn-tauglichen DB-Nordrings. Man wolle ein "Verzetteln mit luftigen Hochseilbahnnummern verhindern". Eine Seilbahn habe weder die Kapazität noch sei geklärt, wie ein Aus- und Einsteigen in 60 Metern Höhe funktionieren soll, erklärte Jürgen Trepohl (Grüne) in der Sitzung. "Sinnvolles wie der DB-Nordring darf nicht ausgebremst werden."

In einem Antrag fordern sie, den Nordring voranzutreiben, die Mittel, die für die Erschließung der Seilbahn nötig sind, lieber für eine gute Verknüpfung der U-Bahnen mit dem Nordring, die Gestaltung von Bahnhöfen und den Unterhalt auszugeben. Und sie wollen, dass die Machbarkeitsstudie der Stadt München auch aufzeige, wie viel Fahrgastpotenzial eine Seilbahn dem DB-Nordring entziehe und ob sie zum Scheitern des S-Bahn-Rings führe.

Der Nordring kann einen großen Teil des Verkehrs im Münchner Norden entzerren. Vor allem dann, wenn zuerst die Verbindung zwischen Johanneskirchen, dem BMW-FIZ, Dachau und anderen Bahnlinien erfolgt. Möglich sind auch Anbindungen in Richtung Olching und Augsburg. Ein wichtiges Ziel ist für die Grünen auch, den bei Stau zunehmenden Schleichverkehr in den Wohngebieten abzubauen.

Der Antrag stieß auf geteilte Meinung im Gremium. Nicht in dem Punkt, den die Priorität des DB-Nordrings betrifft. Eine zügige Umsetzung dieses Projekts wollen alle. Doch Nordring und Seilbahn müssten sich ja nicht ausschließen, glaubt Karl Ilgenfritz (Freie Wähler/ÖDP): "Wir brauchen kreative Lösungen, die das Maximum in einer möglichst schnellen Zeit herausholen." Er warnte davor, Türen zuzuschlagen. Auch Claus Wunderlich (FDP) wehrt sich gegen ein "Entweder-oder". Die CSU plädiert dafür, die Stadt doch "einfach mal machen zu lassen". Der Vorteil einer Seilbahn sei, so Erich Tomsche, dass sie nicht so teuer sei und - falls sich der Standort als ungünstig erweise - "woanders wieder verwendet werden kann". Auch SPD-Fraktionssprecherin Susanne Schneider-Geyer hält eine Prüfung der Seilbahn für sinnvoll und beides sei denkbar: Seilbahn und Nordring. Das Gremium stimmte der Forderung der Grünen zu, den Nordring "vorrangig" voranzutreiben und in der Machbarkeitsstudie auch das Fahrgastpotenzial der Seilbahn zu erschließen. Die Seilbahn zu verhindern oder aus der Planung auszuschließen, lehnt der BA ab.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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