SZ Gute Werke:Mit Licht, Duft und Farbe gegen das Vergessen

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Schwer demenzkranke Bewohnerinnen und Bewohner finden in der neu gestalteten Pflegeoase im Münchenstift-Heim St. Maria in Ramersdorf Ruhe und Entspannung. (Foto: Catherina Hess)

Wie man das Leben von schwer demenzkranken Menschen erleichtern kann, zeigt sich in der neu gestalteten „Pflegeoase“ im Münchenstift-Pflegeheim St. Maria in Ramersdorf. Dankbar dafür sind Bewohner und Pflegekräfte wie Dominik Schiffbahn. Er weiß, dass ein gutes Umfeld allen nützt.

Von Karin Kampwerth

Der Wald beginnt im vierten Stock. Sobald sich die breiten Aufzugtüren öffnen, durch die auch ein Pflegebett geschoben werden kann, strömt den Besucherinnen und Besuchern der Duft von frischen Tannennadeln in die Nase. Eine Deckenlampe flutet den Gang mit goldenem Licht, sodass man fast glaubt, die Sonnenstrahlen, die durch die Wipfel der Bäume auf der Fototapete scheinen, seien echt.

Die Tapete in Kombination mit dem richtigen Licht und Tannennadelduft weckt bei schwer Demenzkranken die Erinnerung an einen schönen, entspannenden Waldspaziergang. (Foto: Catherina Hess)

Dominik Schiffbahn, der an diesem Nachmittag eine Schar von Besucherinnen und Besuchern durch die ganz besondere Etage im Pflegeheim St. Maria in Ramersdorf führt, ist sichtbar stolz auf das, was er hier präsentieren darf: Die neu gestaltete Pflegeoase, die im Beisein von Münchens Dritter Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) und Gästen eröffnet wird. Finanziert wurde das Projekt von SZ Gute Werke, dem Spendenhilfswerk der Süddeutschen Zeitung.

Gemütliche Sessel laden die Bewohnerinnen und Bewohner zum Verweilen ein. Doch noch viel wichtiger ist die Kombination aus visuellen Eindrücken wie Licht und Farbe sowie Düften und Klängen. All das soll beruhigende Sinneserlebnisse befördern, um schwer demenzkranken Menschen Ängste zu nehmen und sie in einen positiven Gemütszustand zu versetzen. Vermutlich die letzte Möglichkeit, um Betroffene von dieser grausamen Krankheit, die das Ich langsam und unwiederbringlich auslöscht, doch noch zu erreichen.

Dominik Schiffbahn und seine Kolleginnen und Kollegen können Licht, Düfte und die Bilder auf den Monitoren einfach über ein Tablet an der Wand bedarfsgerecht steuern. (Foto: Catherina Hess)

„Ich habe erst auch nicht geglaubt, dass das funktioniert“, sagt Dominik Schiffbahn und berichtet dann von dem Mann, der seit einem Jahr in St. Maria lebt und noch nie ein Wort gesprochen habe. Bis er sich kürzlich im Sessel vor der Fototapete mit dem Wald niederließ, den Tannenduft tief einsog und dann sagte: „Mei, ist des schee hier.“ Schiffbahn ist anzusehen, wie sehr ihn diese Szene berührt hat. Genau wie jene mit der alten Dame, der immer kalt gewesen sei. Bis der Pfleger zum Duft von Orangen auf einem der drei großen Monitore ein Kaminfeuer abgespielt habe. „Da sagte sie, dass es ihr jetzt endlich mal wieder warm sei“, erinnert sich Schiffbahn.

Der 31-Jährige arbeitet seit zehn Jahren für die Münchenstift-Heime und seit zweieinhalb Jahren in Ramersdorf. Nach der Ausbildung zur Pflegefachkraft und einer Fortbildung ist er stellvertretender Wohnbereichsleiter. Schiffbahn liebt seinen Beruf, den er lange gar nicht auf dem Schirm hatte. „Ich bin eigentlich Archäologe“, sagt er. Während des Studiums habe er seine Frau kennengelernt – eine Altenpflegerin. Über sie ist er an einen Job als Betreuungsassistent gekommen, um sich während des Studiums etwas Geld dazuzuverdienen. Dort hat er seine Leidenschaft für die Arbeit mit Menschen entdeckt.

Die Entscheidung, eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu absolvieren, sei schließlich gefallen, als immer mehr Kriege und Konflikte wie in Syrien, Libyen oder auch Ägypten die Möglichkeiten für archäologische Grabungsfirmen stark eingeschränkt haben. „Nun kann ich durch meine Arbeit dafür sorgen, dass Menschen trotz einer schlimmen Krankheit wie Demenz einen schönen Lebensabend verbringen“, sagt Schiffbahn.

Unten in der Cafeteria von St. Maria lobt derweil Bürgermeisterin Verena Dietl bei Sekt mit Orangensaft und Häppchen die neuen Räume im vierten Stock. „Die Menschen wohnen nicht nur hier, sie leben hier“, sagt sie und drückt aus, was das Ziel der Umgestaltung „von einem einfachen Gemeinschaftsraum in eine Oase der Ruhe“ gewesen sei. Hier könnten mit Sinneseindrücken aus Klängen und Aromatherapie Medikamente nachweislich reduziert und Stress gelindert werden.

Ein Riff, in dem sich bunte Korallen seicht hin- und herbewegen und manchmal ein Fisch vorbeischwimmt, übt auf demenzkranke Menschen eine beruhigende Wirkung aus. (Foto: Catherina Hess)

Das kann Pfleger Schiffbahn bestätigen. „Sie glauben gar nicht, wie entspannt die Nachtdienste geworden sind“, sagt er. Wenn früher ein Demenzkranker nachts aufgewacht und in seiner Verwirrung den Schrank seines Nachbarn ausgeleert oder alle anderen mit lautem Rufen aufgeweckt habe, sei der Bewohner mit einer sogenannten „Bedarfstablette“ für einen überschaubaren Zeitraum beruhigt worden, „bevor dann wieder alles von vorn losging“. Nun aber nehme er den Menschen mit, setze ihn in einen Ohrensessel und fahre das passende Programm aus Bildern, Klängen, Licht und Duft hoch. Die meisten würden sich umgehend entspannen. Es hätten auch schon Bewohner die ganze Nacht in der Pflegeoase verbracht. „Vielleicht, weil sie sich hier sicherer und wohler gefühlt haben als alleine in ihrem Zimmer“, vermutet Schiffbahn.

Zur Archäologie sehnt sich der 31-Jährige längst nicht mehr zurück, denn seine Arbeit in St. Maria erfüllt ihn. „Es ist schön, in einem Haus zu arbeiten, wo man sich was traut“, sagt er. Die Gestaltung der Pflegeoase sei für das ganze Team viel Arbeit gewesen. Die aber scheut Schiffbahn nicht. Viel schlimmer fände er Stillstand. Den Satz „so haben wir es immer schon gemacht“, hasse er.

Gut möglich, dass Verena Dietl das ähnlich empfindet. Als Aufsichtsratsvorsitzende des städtischen Münchenstifts komme sie gerne in die Häuser, „weil wir hier einen innovativen Weg gehen, damit sich die Bewohner wohlfühlen“, sagt sie. Dafür brauche es Unterstützung wie von SZ Gute Werke. So habe man in Ramersdorf einen Ort schaffen können, der Bewohnern und Mitarbeitenden gleichermaßen zugutekomme. Das sei ein Leuchtturm für die Stadt, der in Ramersdorf besonders hell strahlt.

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