Münchenstift:Niemand soll sich fremd fühlen

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Das Münchenstift-Haus Heilig Geist will alle Menschen willkommen heißen, gebürtige Münchner ebenso wie Menschen aus anderen Teilen der Welt. (Foto: Stephan Rumpf)

In München leben viele Menschen mit Migrationshintergrund - aber in Altenheimen findet man sie kaum. Einige Häuser versuchen nun, sich für alle zu öffnen

Von Sven Loerzer

Das Entree wirkt einladend, Schriftzüge auf dem Teppich und an der Wand heißen Besucher in zehn verschiedenen Sprachen "Willkommen". Lichte Gänge und Aufenthaltsbereiche, warme Farben, fremdsprachige Zeitungen an der Rezeption, geschickt gesetzte Akzente, die an das Flair eines geschichtsträchtigen Hotels am Mittelmeer erinnern. Mehr als 80 ausländische TV-Sender lassen sich in den Zimmern empfangen. Die Tristesse des denkmalgeschützten Heiliggeistspitals hat das Münchenstift-Haus Heilig Geist in Neuhausen am Dom-Pedro-Platz hinter sich gelassen.

Der Charakter des Hauses hat sich geändert: Es lässt die Lebenswelt der Menschen, die seit Langem in München leben, und jener, die vor allem aus Staaten rund ums Mittelmeer zur Arbeit in das Haus Heilig Geist gekommen sind, enger zusammenrücken. Niemand soll sich fremd fühlen - so lässt sich beschreiben, was im Rahmen des fünf Jahre laufenden städtischen Projektes mit dem sperrigen Namen "Interkulturelle Öffnung der Langzeitpflege" entstanden ist.

An dem von 2014 bis 2019 laufenden Projekt hatte sich Münchenstift als städtischer Träger mit drei seiner 13 Häuser beteiligt. Obwohl es nach dem Auslaufen der Modellphase nur noch Förderung für Fortbildungen gibt, will der städtische Träger die Öffnung nach und nach auf seine anderen Häuser übertragen. Ziel ist, für alle Menschen in der Stadt da zu sein, das Angebot so zu verändern, dass es auch für Menschen mit Migrationshintergrund infrage kommt. Denn 2019 hatten gerade mal 4,1 Prozent der mehr als 2800 Bewohner einen ausländischen Pass, weitaus weniger als ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Das Durchschnittsalter der Münchenstiftbewohner liegt bei 83 Jahren, mehr als 80 Prozent sind in den drei höchsten Pflegegraden eingestuft.

Im Haus Heilig Geist hatten vor der Öffnung noch nicht einmal fünf Prozent der Bewohner Migrationshintergrund, inzwischen sind es dort 19 Prozent, etwa so viel, wie es ihrem Anteil an der Bevölkerung in dieser Altersgruppe entspricht, sagt Münchenstift-Chef Siegfried Benker, betont aber auch: "Die interkulturelle Öffnung ist kein spezielles Programm für Menschen mit Migrationshintergrund." Sie nimmt auch niemandem etwas weg, sondern sie bringt allen mehr Vielfalt - auch mehr Abwechslung. Sei es bei den Festen, die bei den Bewohnern Urlaubserinnerungen wecken und bei den Mitarbeitenden Heimatgefühle, genauso wie beim Essen, bei Ausstellungen, die Bewohner wie auch Pflegekräfte porträtieren, oder der Filmauswahl.

In drei der 13 Häuser hat der städtische Altenheimträger unterschiedliche Ansätze ausprobiert: In Heilig Geist die breitere Öffnung auch für Bewohner aus dem Mittelmeerraum, im Hans-Sieber-Haus an der Manzostraße war es ein Wohnbereich für Muslime, im Haus an der Rümannstraße in Schwabing wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Blick genommen, von denen rund 60 Prozent Migrationshintergrund haben. Um ihnen den Start zu erleichtern, wurde dort ein Einarbeitungskonzept entwickelt, das für den unterschiedlichen kulturellen Hintergrund von Bewohnern und Personal sensibilisiert. Inzwischen wurde das Konzept auf alle Münchenstift-Häuser übertragen.

An der Manzostraße wird der eigens umgebaute Wohnbereich für Muslime mit Teestube und Gebetsraum gut angenommen. Bis zu 16 Muslime lebten dort, derzeit sind es zehn. Das Essen wurde umgestellt, eine Küche für Halal-Kost eingerichtet. Außerdem gibt es schon lange auf allen Speisekarten ein eigens zubereitetes vegetarisches Gericht, also nicht nur Beilagen: "Das wird gerne angenommen", sagt Benker. In der Rümannstraße wurde ein interkulturelles Einarbeitungskonzept erstellt, um so dem Personal das nötige Rüstzeug und Verständnis mitzugeben. Mit dem Ende des von der Stadt geförderten Projektes hat sich die interkulturelle Öffnung aber für Benker nicht erledigt. "Wir machen weiter."

Viertes Projekt sei das Haus an der Tauernstraße in Harlaching, dessen Neubau 2024 fertig sein soll. Ähnlich wie in Heilig Geist gibt es dort eine Umstellung beim Essens- und Veranstaltungsangebot und ein breiteres TV-Programm. "In naher Zukunft" sollen sich alle Häuser öffnen, auch wenn das nun langsamer gehe, weil die Förderung etwa für Umbauten fehle. Um das Konzept voranzutreiben, hält Benker an der Stabsstelle Vielfalt fest, die darauf achten soll, dass es mit der Öffnung vorangeht nach dem Modell von Heilig Geist. Einen weiteren Wohnbereich für Muslime wird es nicht geben: "Der passt gut nach Allach, weil dort viele ehemalige Gastarbeiter von BMW und MAN leben", meint Benker, der bei der Öffnung der Häuser den Blick darauf richten will, "wer lebt dort in der Nähe".

Gehörten früher oft Kirchen wie in Heilig Geist zum Bestand, will Benker nun bei Neubauten Räume schaffen, "die für jeden, ob gläubig oder nicht, und für alle Religionen als spirituelle Räume funktionieren". Für den Münchenstift-Chef heißt das, "wir dürfen nichts einbauen, was andere Religionen ausschließt". In ersten Ideensammlungen und studentischen Entwürfen werde viel mit Farbe und Licht gearbeitet, berichtet er. Die Überlegungen kreisten vor allem um die Frage, was jede Religion brauche: "Wo steht der Mensch, der predigt?"

© SZ vom 27.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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