Münchens Stadtheiliger:St. Onuphrius - voll im Trend

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"Sankt wer?" vom 10. Juni:

Der Beitrag über Münchens ersten Stadtheiligen St. Onuphrius (ein 320 geborener Fürstensohn aus Abessinien) ist nicht nur sehr informativ, er regt auch zu tiefergehenden Überlegungen an, insbesondere inwieweit dieser Wüstenheilige Trends und Erscheinungen der modernen Zeit vorweggenommen hat und als Symbol hierfür tauglich ist.

Wenn einer sechzig Jahre in der Wüste lebt, er sich mangels Wasser nicht waschen kann, sich nur von Wurzeln und Datteln (also echt vegan) ernährt, nur mit eigenen Scham- und Haupthaaren bedeckt in der Wüste ohne Sonnencreme herumläuft, mit dem ihn besuchenden ägyptischen Bischof Paphnutius (auch ein sehr schöner Name) eine ganze Nacht im Gebet verbringt, um dann zu sterben: So einer kann, ja muss heiliggesprochen werden!

Noch aufschlussreicher für uns ist, wenn man liest, wofür (für welche Mischung) er zuständig ist: er hilft beim Finden verlorener Sachen (hat er wohl in der Wüste geübt), er ist der Patron der Studenten mit Lernproblemen (!), der heiratswilligen Frauen (wie der da wohl ran gekommen ist?) und der Prostituierten (wie lernt man in der Wüste diese zu schützen?): also eine etwas seltsame Zusammenstellung. Und: Er schützt auch die von sexuellen Übergriffen Bedrohten. Damit könnte er, ganz modern, zum Hirten der "Me-too"-Bewegung aufsteigen! Wenn in Filmstudios oder im Weißen Haus die Chefs übergriffig werden, und die attackierte Assistentin "Heiliger Onuphrius hilf" ruft, dann werden die Chefs beim Nennen dieses heiligen Namens sich mit Sicherheit sofort beruhigen. Um deutlich zu machen, dass der Wind sich gedreht hat und eine neue Moral herrscht, könnte man ihn auch zum Stadtheiligen von Hollywood oder gar Washington machen! In Hollywood könnte man dann neben den berühmten großen weißen Buchstaben am Felsen auch das Gemälde vom Marienplatz dorthin duplizieren.

Schon hierdurch wäre Onuphrius der Vergessenheit entrissen und sein Name würde weit in die Welt hinaus strahlen! Aufgrund seiner Vergangenheit in der Wüste könnte er auch Stadtpatron der Stadt in der Wüste von Nevada werden - also von Las Vegas. Wir sprechen also hier von einem weltweiten Marketing vom Feinsten, das man dann auch für München nutzbar machen könnte!

Neue Moden und Ideologien brauchen symbolträchtige, personifizierte Vorbilder. Die katholische Kirche hat dies schon früh erkannt, ihn zum Heiligen ernannt (Namenstag 12. Juni) und ihn damit zu einem der Ihren gemacht. Er hat völlig CO₂-frei gelebt und fast keinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Ich habe das im Internet angebotene Meßverfahren zum "ökologischen Fußabdruck" des Heiligen Onuphrius mit dem in der SZ geschilderten Lebensstil gefüttert und beantwortete alle Fragen in den Teilbereichen Essen, Wohnen, Konsum, Mobilität. In drei Bereichen gab es hervorragende Benotungen, denn er hatte nicht einmal ein Fahrrad oder eine Wohnung. Lediglich beim Essen musste ich die Frage, wie oft er Biokost kauft, mit "nie" beantworten - da gab es die Höchstzahl an Minuspunkten. Bei der Frage nach der Berücksichtigung von regionalen und saisonalen Produkten ging ich davon aus, dass Wurzeln und Datteln in der Wüste sowohl regionale als auch saisonale Produkte sind. Es lässt sich also konstatieren: Er lebte ein sehr "grünes" Leben. Es wäre zu überlegen, St. Onuphrius in der "Fridays for Future"-Bewegung neben der Greta als Symbolfigur aufzubauen.

Dr. Helmut Ritter, Aying

© SZ vom 14.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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