München: OB Ude im Interview:"Natürlich habe ich Nachfolger im Blick"

Oberbürgermeister Christian Ude über die Olympiabewerbung von München, leere Kassen - und wie er sich seine Nachfolge vorstellt.

S. Lode, B. Kruse, D. Hutter

Bei der Olympiabewerbung hat München die erste Hürde genommen, beim Sparpaket hat die Stadt noch viele davon vor sich. Im Gespräch mit Silke Lode, Birgit Kruse und Dominik Hutter hat Oberbürgermeister Christian Ude auch darüber gesprochen, wie er sich seine Nachfolge vorstellt.

SZ: München ist jetzt offiziell Kandidat für die Olympiabewerbung. Wie schätzen Sie momentan die Chance ein, dass es auch zum Zuschlag kommt?

Christian Ude: Wir haben sehr gute Chancen, dürfen aber nicht von Gewissheit reden. Bei der IOC-Bewertung ist München in etlichen Punkten auf Platz eins, allerdings bei der öffentlichen Zustimmung hinter Pyeongchang. Pyeongchang ist schon mehrfach angetreten und damit ein erfahrener und ernstzunehmender Rivale. Dafür hat die Münchner Bewerbung wirklich ein sportliches Gesicht, das bringt uns bei der olympischen Familie sicher Anerkennung.

SZ: Aber ohne breite Begeisterung, auch im Oberland, hat München trotzdem keine Chance. Oberammergau steht schon auf der Kippe.

Ude: Ich kenne in Deutschland kaum ein Thema, zu dem - wie bei der Olympiabewerbung - 70 Prozent der Bevölkerung eine positive Meinung haben -, auch wenn sich einige Garmischer Grundstückbesitzer noch bessere Konditionen für die Grundstücksüberlassung wünschen.

SZ: Was hilft Ihnen eine Zweidrittelmehrheit, wenn die Grundeigentümer nicht mitspielen? Unterschätzen Sie das nicht?

Ude: Ich habe das nie unterschätzt. Bei manchen Lösungen muss jeder mitwirken und dass lange hoch gepokert wird, versteht sich von selbst. Ich habe niemals etwas Negatives gesagt über Menschen, die der Olympiabewerbung skeptisch gegenüberstehen. Aber ich verstehe die Garmischer CSU nicht, die zwei Jahre lang im Gemeinderat zustimmt, und dann, nachdem die Bewerbung abgegeben ist, mit einem Bürgerbegehren droht. Das ist doch kein schlüssiges Vorgehen.

SZ: Nichtsdestotrotz wird es in Oberammergau zu einem Bürgerbegehren kommen. Steht damit das ganze Projekt Olympia in Frage?

Ude: Nein, die Bewerbung wäre nicht gefährdet, wenn Oberammergau diese Chance nicht ergreifen will. Man sollte nicht vergessen, dass Oberammergau wahrlich nicht die einzige Kommune in der Nähe von Garmisch ist, in der Loipen gezogen werden können.

SZ: Die Sommerspiele 1972 haben der Stadt die U-Bahn und faszinierende Sportanlagen gebracht. Was werden denn die Winterspiele bringen, über den Imagegewinn hinaus?

Ude: Die Dimensionen sind in der Tat nicht vergleichbar, Gott sei Dank auch nicht bei den Kosten. Aber ich nenne nur mal das bedeutendste Anliegen, das wir Münchner haben: den Wohnungsbau. Mit den Winterspielen bekommen wir ein Gelände des Verteidigungsministers im Süden des Olympiaparks und können dort - zusammen mit dem Mediendorf - 1300 ökologisch vorbildliche Wohnungen errichten. Die stehen sofort nach den Winterspielen den Wohnungssuchenden der Stadt zur Verfügung, und das an einer der attraktivsten Lagen Münchens. Dann werden wir natürlich bedeutsame Sportstätten bekommen, wobei zwei neue Hallen auf jeden Fall dauerhaft bleiben. Und die Verkehrsanbindung nach Garmisch wird verbessert, sowohl für die Eisenbahnfahrgäste als auch für den Autoverkehr.

SZ: Muss sich München dafür um Olympia bewerben?

Ude: Theoretisch nicht, man hätte auch die U- und S-Bahn ohne die Spiele 1972 errichten können. Nur muss ich als Realpolitiker irgendwann zur Kenntnis nehmen: Ohne Olympiabewerbung ist in München jahrelang über die Unterpflasterbahn gestritten worden, und der U-Bahn-Bau hat nicht begonnen. Aber durch den Zeitdruck von Olympia gab es einen Sprung nach vorn wie noch nie in der Stadtgeschichte. Außerdem fließen für eine nationale Aufgabe wie Olympia Landes- und Bundesmittel.

SZ: Es müssen aber auch Mittel aus dem Haushalt der Stadt fließen. Kann sich die Stadt angesichts der Kommunalfinanzen Olympia überhaupt leisten?

Ude: Diese Frage hat uns sehr ernsthaft bewegt, wobei wir die meisten Projekte sowieso brauchen. Der Etat des Olympischen Komitees für die Durchführung der Spiele wird ja im Glücksfall nicht dem Steuerzahler zur Last fallen. Ein Risiko ist dabei, das leugne ich nicht. Aus Steuergeldern wird die Infrastruktur finanziert, die wir aber sowieso brauchen. Ich wüsste wirklich nicht, wo da die große Geldverschwendung liegen soll.

SZ: Die Stadt hat gerade ein großes Sparpaket verabschiedet, gleichzeitig fällt der Stadtrat ständig Beschlüsse, die viel Geld kosten. Wie passt das zusammen?

Ude: Das ist in der Tat ein Glaubwürdigkeitsproblem, an dem wir schwer knabbern. Es ist schwierig zu vermitteln: Rien ne va plus, aber dieses und jenes müssen wir doch ermöglichen. Dennoch gibt es auch neue Aufgabenstellungen: den Klimaschutz zum Beispiel. Es wäre weder befriedigend noch inhaltlich richtig, gar keine neuen Akzente mehr zu setzen.

SZ: Eine mindestens genauso wichtige Aufgabe ist es, eine soziale Spaltung Münchens zu verhindern. Wie wollen Sie gegensteuern?

Ude: Dass die Reichen reicher und die Armen zahlreicher werden, ist in dieser marktradikalen Zeit ein internationales Phänomen. Seit 15 Jahren werden Sozialleistungen zurückgefahren und Regulierungen gestrichen. Die gesellschaftliche Spaltung erleben wir in München besonders sinnfällig, weil hier die finanzielle Oberschicht massiv vertreten ist. Und wir haben viele Migranten. In München ist auch die ,,Aufwertung'' von Vierteln mit Verdrängung der alteingesessenen Bewohnern ein Problem. Man kann vieles verzögern oder abmildern, aber fast nichts prinzipiell verhindern.

SZ: Kann die Stadt Luxussanierungen und stetige Teuerung aufhalten?

Ude: Wir haben leider nur begrenzte Möglichkeiten. Aber unsere Instrumente setzen wir ein wie keine andere Stadt. Vor allem haben wir nicht unsere städtischen Wohnungsbestände verkauft wie Dresden, das so seine Schulden getilgt hat. Mit 55 000 Wohnungen haben wir eine Reserve, mit der wir in marktrelevanter Weise das Preisniveau beeinflussen können. Wir können die Zweckentfremdung von Wohnungen verhindern, aber nicht die Umwandlung von preiswerten in unerschwingliche Wohnungen. Wir erlassen Erhaltungssatzungen und machen immer wieder vom Vorkaufsrecht Gebrauch, anfangs unter dem Protest der Opposition. So können wir Vereinbarungen über einen Verzicht auf Luxussanierungen in vielen Fällen durchsetzen.

SZ: Kommen wir doch mal zu Ihnen. Wäre es für Ihre Partei nicht das Beste, wenn man die Altersgrenze für kommunale Wahlbeamte anhebt? Dann könnten Sie noch einmal antreten?

Ude: Ich sehe da überhaupt keine Probleme. Die SPD kann heute so viel Kompetenz in der Stadtpolitik aufbieten wie schon lange nicht mehr. Wir brauchen da keinen Vergleich zu scheuen - schon gar nicht mit dem Freistaat. Ich habe mit Christine Strobl eine sehr populär gewordene Bürgermeisterin. Und auch unser Fraktionschef Alexander Reissl braucht keinen Vergleich mit dem CSU-Herausforderer zu scheuen. Der Wirtschaftsreferent Dieter Reiter hat sich schon viel Respekt verschafft, die städtischen Unternehmen stehen prächtig da. Es ist Sache der Münchner SPD, den Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters zu bestimmen. Das wird sie zu einer vernünftiger Zeit auch tun.

SZ: Wann ist denn dieser vernünftige Zeitpunkt gekommen?

Ude: Weil ich von einem längeren Wahlkampf ausgehe und von einer Phase der innerparteilichen Diskussion vorher: 2012, also zwei Jahre vor dem Wahltermin.

SZ: Welche Rolle spielen Sie bei der Auswahl des eigenen Nachfolgers?

Ude: Ich werde mich an dieser Diskussion maßgeblich beteiligen. Natürlich habe ich potentielle Nachfolger im Hinterkopf. Aber ich kann das nicht durch Handauflegen bestimmen, das ist das ureigenste Recht der SPD. Natürlich sollte die Partei einen erfahrenen Oberbürgermeister und Wahlkämpfer zu Rate ziehen. Dazu bin ich gerne bereit.

SZ: Sie haben Christine Strobl und Alexander Reissl erwähnt. Sind das Kandidaten, die Sie im Blick haben?

Ude: Das sind die Personen, die zusammen mit einem beachtlichen Team derzeit für die kommunalpolitische Kompetenz der SPD stehen. Man muss aber kein Kommunalpolitiker sein, um Oberbürgermeister werden zu können. Schorsch Kronawitter war Agrarexperte im Landtag. Ich kann mir durchaus auch Personen außerhalb des kommunalpolitischen Spektrums vorstellen.

SZ: Zum Beispiel Julian Nida-Rümelin, der ist Hochschulprofessor ...

Ude: Richtig, das ist eine Persönlichkeit, die hier unbedingt genannt werden sollte. Julian Nida-Rümelin genießt in der SPD sehr hohes Ansehen.

SZ: Ist es nicht reichlich riskant, die Nachfolgefrage allein der SPD zu überlassen? Ohne Georg Kronawitter hätte es doch im Jahr 1993 keinen Oberbürgermeister Ude gegeben.

Ude: Mein Angebot steht, nicht nur im Wahlkampf massiv zu helfen, sondern auch schon vorher bei der Personalauswahl. Allerdings sollte man eines nicht vergessen: Nicht die SPD bestimmt, wer der nächste Oberbürgermeister wird - sie kann nur bestimmen, wer für sie antritt. Ob der sich dann durchsetzt, entscheiden die Wähler.

SZ: Was machen Sie denn, wenn die Grünen bei der OB-Wahl 2014 eine Art Gauck für München aufstellen?

Ude: Vor 2014 kommt 2013, und in dem Jahr sind Bundestags- und Landtagswahlen. Und bei beiden ist denkbar, dass die Reihenfolge der Parteien nicht unverändert bleibt. Bei der Europawahl sind die Grünen bereits weit vor der SPD. In einigen deutschen Städten ist die SPD nur noch die drittstärkste Kraft. Wenn die SPD keine Punkte gutmachen kann und 2013 auf Platz drei landet, erscheint auch die Wahl des Münchner Oberbürgermeisters in einem anderen Licht. Es gibt ja Städte, wo das längst passiert ist: Stuttgart zum Beispiel, ebenfalls eine süddeutsche Landeshauptstadt mit florierender Wirtschaft. Dort stellen die Grünen die stärkste Fraktion, und man interessiert sich schon gar nicht mehr dafür, wen die SPD ins Rennen schickt. Deshalb muss die SPD aus dem Jahr 2013 gestärkt hervorgehen.

SZ: Der Kandidat für 2014 muss also ein politisches Schwergewicht sein.

Ude: Auf jeden Fall. Ein Schwergewicht mit Bodenhaftung und hohem Ansehen weit über die SPD-Wählerschaft hinaus. Wir erreichen derzeit bei Europawahlen unter 20Prozent, bei einer Bundestagswahl um die 30Prozent. Über diese Wählerschaft hinaus müssen wir bei einer OB-Wahl mindestens 20Prozent dazugewinnen. Sonst ist ein Erfolg im ersten Wahlgang nicht vorstellbar. Es geht also nicht nur um die Frage, bei welchem Bewerber die Befindlichkeiten der SPD-Funktionäre am besten aufgehoben sind. Es geht darum, wer selbstverständlich alle SPD-Anhänger gewinnt, und darüber hinaus noch 20Prozent dazu. Mein Vorgänger Schorsch Kronawitter pflegte in solchen Situationen immer zu sagen: Mei, Christian, mir ham's net leicht, aber die anderen auch nicht. Und das ist die nackte Wahrheit. Dem Seppi Schmid würde es ja nicht einmal ausreichen, seine Wählerschaft zu verdoppeln. Die CSU hat es weiß Gott auch sehr schwer.

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