„Ich war besessen davon, schöne Kleider zu zeichnen, die ich niemals tragen werde“, sagt Sevilay Hannas. Sie ist in Nordzypern aufgewachsen, einem Land, das vom Islam geprägt ist. Als Kind malte sie Frauen, die sie nur aus dem Fernsehen und der europäischen Kultur kannte. „Ich zeichnete Dinge, die ich nicht sein konnte, und verarbeitete so meine Unsicherheiten.“
Böse Kommentare, wenn sie kurze Hosen trug, und das negative Körperbild ihrer Mutter beeinflussten Sevilay stark. „Als ich ein Kind war, malte ich immer diese langen, dünnen Beine“, sagt sie heute. Sevilay malt und macht Kunst, seitdem sie sich erinnern kann. Es war ihr Weg, Gefühle auszudrücken. Das Motiv der Frauenkörper verfolgt sie bis heute.
Sevilays Potenzial hat ihr Vater schon früh gesehen. „Er ist sehr emotional geworden, wenn er meine Zeichnungen gesehen hat“, sagt sie. Er habe sie immer unterstützt, auch wenn es hieß, sie loszulassen. Denn die Kunstszene in Nordzypern ist sehr klein und der Beruf der Künstlerin nicht gesellschaftlich angesehen. „Es gibt kaum Bildung in Sachen Kunst“, sagt sie.
Sevilay kam nach Deutschland, machte einen Intensivsprachkurs und bewarb sich an verschiedenen Kunsthochschulen. Sie landete an der Akademie der bildenden Künste in München und studiert hier seit fünf Semestern freie Kunst. Vor ihrem Studium zeichnete sie viel oder malte mit Acryl. Im Studium hat sie ihre Liebe für Ölfarben entdeckt, die in Nordzypern nicht sehr verbreitet sind.
Wenn man freie Kunst studiert, kommt es vor, dass man sich unter Druck setzt, endlich ein neues Werk zu schaffen. Die Folge kann eine kreative Blockade sein. Will sich Sevilay die Leichtigkeit des Malens zurückerobern, setzt sie sich in ihr kindliches Ich zurück. Sie malt dann mit „weirden, grellen Farben und ohne Konzept“, sagt sie.
Die Kunststudentin malt auch heute hauptsächlich Frauenkörper. Als Kind mit dem Bleistift, jetzt mit Ölfarbe auf Stoff. Die Frauen tragen häufig wenig oder keine Kleidung und ähneln ihr selbst. Die Kunst hilft ihr, Schönheitsstandards zu reflektieren und selbstbewusster zu sein. Sevilay fühlt sich frei dabei, so als könnte sie sich „endlich selbst ausdrücken“.