„Eigentlich war es nie mein Plan, die Ukraine zu verlassen. Ich hatte meine Freunde und Familie dort“, sagt Nikita Senkevych, 22. Seit Herbst 2022 studiert er freie Kunst in München. Geplant war das nie, es waren mehrere Schicksalsschläge, die ihn an die Akademie brachten: Erst setzte eine Herzkrankheit seiner Schwimmkarriere ein Ende, dann begann der Krieg gegen sein Heimatland.

Als Nikita im Oktober 2022 in München ankam, konnte er kein Wort Deutsch, hatte keinen Schlafplatz und kaum Geld. Die ersten Wochen übernachtete er bei Kommilitonen oder im Akademiegebäude. Im Unterricht benutzte Nikita eine Übersetzer-App, um den Inhalten zu folgen. Währenddessen besuchte er einen Sprachkurs und schaute sich nach Wohnungen um. „Ich habe alles step by step gemacht“, sagt er.

Das tägliche Malen ist für Nikita nicht nur Teil seines Studiums, es ist auch ein Job. „Ich bin kein Typ, der erst auf Emotionen wartet, um zu malen“, sagt Nikita. „Ich komme und mache. Malen ist eigentlich ein Handwerk.“ Um den Prozess zu reflektieren, führt Nikita ein Ateliertagebuch: „Mir hilft es total zu schreiben. Immer abends nehme ich mir etwas Zeit, rauche eine und notiere, was ich heute gemacht habe.“

Wenn Nikita ein neues Gemälde beginnt, malt er ohne genaue Referenz, dafür mit einer groben Vorstellung, wie das Bild am Ende aussehen soll. Wichtig ist ihm dabei, immer offen für Veränderungen zu bleiben. „Das führt dazu, dass meine Bilder häufig mehrfach übermalt sind“, sagt Nikita. „Ein Gemälde ist wie ein Puzzle, das nimmt viel Zeit Anspruch. Ich verbringe manchmal bis zu zwölf Stunden am Tag in der Akademie.“

Nikita sieht sich als Beobachter in der Welt. Auf langen Spaziergängen oder auf Reisen findet er Gegenstände oder Personen, die ihn beeindrucken und die er als Motiv in seinen Bildern aufgreift. Besonders intensiv setzt er sich mit ihren Oberflächen auseinander. „Ich nenne das ‚Oberflächenfetischismus‘“, erklärt er. „Ich erforsche sie ganz mathematisch und ich baue meine Bilder anschließend auch ganz mathematisch auf.“

Nikita versucht, bei seinen Werken stets mit unterschiedlichen Techniken zu arbeiten: „Ich finde es nicht gut, wenn Künstler heutzutage nur in einem Stil malen, und man direkt merkt, wo derjenige gelernt hat. Viele Maler warten auf diesen Punkt, an dem sie sich selbst gefunden haben, aber ich hoffe, dass mir das nie passiert. Ich möchte in der Recherche bleiben und überraschen können.“