Schon in Alter von drei Jahren hatte Lisa Merlin Baumeister, 28, ein Morgenritual. Erst nachdem sie ein Bild gemalt hatte, kam sie zum Frühstück. „Ich male, seitdem ich einen Stift halten kann“, sagt Lisa, deren Eltern Kunst unterrichteten. Es gibt ein Foto von ihr im Hochstuhl, zusammen mit ihrem Vater, Buntstifte in der Hand. „Ohne meinen Vater würde ich hier nicht sitzen“, sagt Lisa. Er starb, als sie 16 war.

Die Kunst half ihr, ihre Trauer zu verarbeiten. Der Schicksalsschlag führte Lisa zu einer Erkenntnis: „Manche Sachen muss man ausprobieren. Sonst macht man sich Vorwürfe auf dem Sterbebett.“ Sie wollte einen Neustart, wollte das Risiko eingehen und Künstlerin werden. „Mein Vater lebt auch mit in meinen Bildern“, sagt Lisa. Schließlich hat er ihr sein Talent weitergegeben. „Das erfüllt mich mit Stolz“, sagt sie.

Lisa bewarb sich an der Akademie der Bildenden Künste in München, mit 19 – und traf auf Vorbehalte wegen ihres jungen Alters. Genommen wurde Lisa trotzdem. „Warum woanders starten, wenn man schon weiß, wo man hinwill?“, fragte sie sich damals. Inzwischen hat sie ihr Studium abgeschlossen. Jetzt arbeitet sie in ihrem Atelier am Candidplatz. Hier will sie im April eine kleine Ausstellung organisieren.

„Ich bin kein schneller Mensch, ich brauche meine Zeit“, sagt Lisa und lacht. Das habe an der Kunstakademie für so manches Problem gesorgt. Dass sie einmal ein ganzes Jahr an einem Bild gearbeitet hat, gefiel ihrer Professorin nicht besonders. Aber für Lisa muss Kunst nicht schnell entstehen. Sie sieht es als ihre Aufgabe, sich selbst und den Betrachter zu entschleunigen. „Kreativität braucht seine Zeit“, sagt sie.

Schon Lisas Leinwände entstehen in einem langwierigen und aufwendigen Prozess. Für den Halbkreidegrund, der ihren Bildern einen samtigen Effekt verleiht, arbeitet sie mit Hasenleim, Leinöl und Champagnerkreide. Mehrere Schichten muss sie dafür auftragen, mehrere Trockenzeiten einlegen. Doch dieser Aufwand ist es Lisa wert. Die Leinwand wirkt wie ein polierter Stein, die Farben sumpfen ab.

Lisa mag Grün- und Blautöne, und Lila, „pastellig und zart“ eben. Die Farbe Rot hingegen hat es Lisa nicht besonders angetan, zu leuchtend, zu knallig. Zartheit, Einfühlsamkeit und Liebe zum Detail dominieren ihre Arbeit. Lisa malt Gegenstände und Landschaften, Menschen porträtiert sie nicht sehr gerne. „Gegenstände mit Gefühl zu zeichnen und die Art und Weise, den Inhalt zu übermitteln, das ist die große Kunst.“