Münchens junge Kreative: Julius Hartauer:Mikroskopisch in die Zukunft

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Julius Hartauer arbeitet im Atelier Augustinum in Oberschleißheim, einem Kreativlabor zur Förderung von Künstlern mit kognitiver Beeinträchtigung. (Foto: Robert Haas)

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Von David Holzner

Ewige Kalender, die von der Gegenwart weit in die Zukunft reichen. Mit diesem Projekt beschäftigt sich Julius Hartauer schon seit acht Jahren. Der 26-jährige Künstler arbeitet im Atelier Augustinum in Oberschleißheim, einem Kreativlabor zur Förderung von Künstlern mit kognitiver Beeinträchtigung. Mit viel Erfolg: In München wurde er schon einige Male ausgestellt, in Paris sogar in einer Einzelausstellung.

(Foto: Robert Haas)

Mikroskopisch klein und mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen, notiert Julius die Wochentage auf einem großformatigen Papier. Diese Arbeitsweise entwickelt er bereits als Kind, als er auf jedes noch so winzige Zettelchen kritzelt, das ihm in die Hände kommt. „Ich wollte immer möglichst viel auf ein Blatt bringen. Anfangs zeichnete ich noch größer. Dann wurde ich immer kleiner und kleiner“, sagt er.

(Foto: Robert Haas )

Bleistift und Anspitzer sind die Werkzeuge von Julius. In penibler Kleinstarbeit zieht er Linien übers Blatt und arbeitet sich, Monat für Monat, Jahr für Jahr, voran in die Zukunft. Koloriert wird später. Seine Konzentration schwindet bei dieser gleichförmigen Tätigkeit jedoch nie: „Bis jetzt habe ich noch keinen einzigen Fehler gemacht“, sagt Julius, nicht ohne Stolz.

(Foto: Robert Haas)

Von Weitem gleichen die Kalenderblätter einem Mosaik aus bunten Steinen, die – einer inneren Logik folgend - übers Blatt leiten. Erst von Nahem erkennt man die feinen Linien, entziffert die Buchstaben und Zahlen, die farblich markierten Wochenenden und Feiertage. An einem seiner Werke saß Julius fast zwei Jahre. „Damals habe ich noch langsamer gezeichnet. Mittlerweile bin ich etwas flotter“, sagt er.

(Foto: Robert Haas)

Ein weiteres wiederkehrendes Motiv in Julius’ Werken sind imaginäre Landkarten. Komplexe Infrastrukturen, imaginäre Grenzverläufe, Eisenbahnlinien, die an erfundenen Flüssen entlang der Stadt zulaufen. Geliebte Menschen finden ihren Platz in der Benennung von Plätzen und Straßen. Die Inspiration dafür holt Julius sich auf seinen Reisen. Zurück im Atelier beginnt er Gesehenes und Erfundenes abzubilden.

(Foto: Robert Haas)

Julius’ Bleistifte werden immer kürzer, seine Kalenderblätter länger. Beginnend in 2016 ist er mittlerweile im Jahr 4286 angekommen. Ans Aufhören denkt er nicht: „Es macht noch sehr viel Spaß.“ Von der ständigen Beschäftigung mit der Zukunft bleibt Julius nicht unberührt. Fragt man ihn beispielsweise nach dem Wochentag eines beliebigen zukünftigen Datums, hat er die Antwort nach nur zwei Minuten Kopfrechnen parat.

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