Münchens Großleinwände:Fast wie im richtigen Stadion

Dunkle Halle, schattiger Biergarten oder Open-Air-Halbrund - wo der Fußball zum Erlebnis wird. Die besten Schau-Plätze im Test.

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Die Südkurve

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(Foto: Foto: SZ/Rumpf)

Stadion-Atmosphäre:***** Deutschland-Fan-Faktor:***** Übertragungsqualität:**** Auslastung:***** Kulinarisches:**** Bierpreis: Halbe 2,50 Euro

Dumme Kommentare des Nebenmanns gehören zu einem echten Stadionbesuch einfach dazu. "doofe Lehmann", grantelt ein Rentner auf seinem Plastikstuhl, als er Deutschlands neue Nummer eins erblickt. Doch der Herr sitzt nicht in der Fröttmaninger Arena, sondern in der "Südkurve Deutschland" an der Arnulfstraße.

Der halbrunde Tribünenkomplex garantiert bis zu 900 Zuschauern auf den Rängen und weiteren 1500 auf den günstigeren Stehplätzen im Innenraum echte Stadion-Atmosphäre. Trikotquote: rund 80 Prozent. Statt Netzer und Beckenbauer erwarten den Besucher dank Premiere-Übertragung die Einschätzungen von Effe und Hitzfeld. Beim Eröffnungskick ertönt vor dem Anpfiff und nach dem Abpfiff allerdings eine halbe Stunde die Musik eines Lokalradios. Das ist wohltuend, weil man sich vorher nicht die Interviews mit Matthäus anzuhören braucht, aber ärgerlich, weil man nach Spielende lange auf Klinsmann warten muss.

Sound- und Bildqualität auf der 40-Quadratmeter-Leinwand sind prima - nur das Drahtseil eines Fangnetzes quer vor dem Bild stört. Normalverdienern bietet die Südkurve Komplettspaß mit Fanshop, Bratwurst und Riesen-Brezn, nicht so schön sind die langen Schlangen vor der Biertheke. Für VIPs gibt"s auch ein Rundum-Sorglos-Paket inklusive Catering.

Fast wie im richtigen Stadion

Flaucher

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(Foto: Foto: SZ/Rumpf)

Stadion-Atmosphäre:** Deutschland-Fan-Faktor:*** Übertragungsqualität:* Auslastung:*** Kulinarisches:* Bierpreis: Maß 5,90 Euro

Eine "Großleinwand" hat auch der Biergarten am Flaucher angekündigt, nur ist Größe bekanntlich relativ. Was am ersten WM-Spieltag an der Außenwand des Wirtshauses hängt, ist kaum größer als jenes Modell, auf das Opa im Wohnzimmer seine Feriendias wirft. Auf gerade einmal knapp zwei mal drei Metern Leinwändchen und drei zusätzlichen Fernsehapparaten ist für alle, die nicht direkt davor sitzen, allenfalls zu erahnen, was die Nationalmannschaft in der Fröttmaninger Arena gerade so treibt - zumal bis halb sieben Uhr abends die Sonne die Bildschirm-Fußballer zu bloßen Schemen ausbleicht.

Auch das ziemlich unfreundliche und überforderte Schänkenpersonal ist am Tag des Eröffnungsspiels offenbar nur unzureichend darauf vorbereitet, dass Fussballschauen auch Durst und Hunger macht. Für eine Maß müssen Durstige in langen Schlangen anstehen. Die Fans - unter ihnen viele Familien mit Kindern - lassen sich von den widrigen Umständen jedoch nicht abschrecken. Dicht gedrängt vor den Bildschirmen machen sie Stimmung. Der größere leinwand- und fußballlose Teil des Biergarten bleibt leer - eine Oase für Fußball-Verächter.

Fast wie im richtigen Stadion

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(Foto: Foto: SZ/Rumpf)

Muffathalle

Stadion-Atmosphäre:*** Deutschland-Fan-Faktor:**** Übertragungsqualität:***** Auslastung:***** Kulinarisches:* Bierpreis: 0,4 Liter-Becher 2,70 Euro

Ein bisschen sonderbar fühlt sich das schon an: Endlich ist es Sommer, Biergartenwetter, Open-Air-Stimmung im Olympiapark - und man selbst trottet ins Dunkel der fensterlosen Muffathalle. Wer jetzt einwendet, dass es hinter der Halle ja auch einen Biergarten und vor dem Ampere einen kleinen Platz zum Schauen gibt, verkennt zweierlei: Erstens ist der Biergarten schon Stunden vorher überfüllt, weshalb man hier wohl übernachten müsste, um einen Platz zu ergattern. Und auf den Wohnzimmerfernsehern, die da vor dem Ampere aufgebaut sind, sieht man nicht wirklich, wer gerade am Ball ist.

Also rein in die Nacht, es lohnt sich. Kein Sonnenstrahl trübt die Bildqualität der Leinwand, die das Präfix "Groß-" wirklich verdient hat. Der Saal ist wie ein Bierzelt ausstaffiert, schon nach dem ersten Tor der Deutschen tanzen die Fans auf den Bänken. Logistisch macht den Muffathallenbetreibern so schnell keiner was vor, die Bierversorgung der schätzungsweise 2000 Leute beim Eröffnungsspiel, von denen viele stehen müssen, klappt reibungslos. Warten muss schon deshalb keiner lange, weil vorne in der Nähe der Leinwand auch nochmal ein Tresen aufgebaut ist. Hungrig sollte man allerdings nicht zum Spiel kommen, außer kleinen Sandwiches (2,50 Euro) gibt´s nicht zum Beißen.

Fast wie im richtigen Stadion

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(Foto: Foto: SZ/Rumpf)

Chinaturm

Stadion-Atmosphäre:**** Deutschland-Fan-Faktor:***** Übertragungsqualität:*** Auslastung:***** Kulinarisches:**** Bierpreis: Maß 6,80 Euro

Im Englischen Garten, möchte man meinen, geht es eher ruhig zu. Fehlanzeige. Zumindest bei den Spielen der deutschen Mannschaft sollte man sich rechtzeitig einen Platz im Biergarten am Chinesischen Turm sichern. Der Bildschirm ist zwar groß genug, dass locker mehrere hundert Fans das Spiel verfolgen können, doch früh kommen lohnt sich. Anderthalb Stunden vor dem Anpfiff sind die Tische mit dem besten Blick längst besetzt, beziehungsweise vorab reserviert.

Für Münchner dürfte das nichts ungewöhnliches sein: Es geht zu wie auf der Wiesn. Die Frage, ob man sich noch dazu setzen darf, wird meistens mit einem mitleidigen Blick kommentiert. Der Massenandrang hat aber auch einen Vorteil: Es herrscht echte Stadionatmosphäre mit Sprechchören und Schlachtenbummlern. Dass der Bildschirm im Baumschatten steht, hat nicht nur für die Bildqualität Vorteile: Auch auf den Bäumen finden etwas Mutigere einen Platz. Der gute Blick vom Geäst geht indes zu Lasten der Kommunikation. Etwa die Hälfte der Besucher sind Frauen, im engen Gedränge lassen sich spielend Bekanntschaften schließen. Hoher Flirtfaktor.

Die Verpflegung ist typisch für einen Münchner Biergarten. Brotzeiten, warme Gerichte zu den üblichen Preisen. Der größte Vorteil für all jene, die keine Stadionkarten bekommen haben: Es gibt Münchner Bier (HB), der Preis fällt mit 6,80 Euro nicht aus dem Rahmen. Auch die Erreichbarkeit ist gut: Mit der U3 oder U6 zur Leopoldstraße, dann noch ein etwa zehnminütiger Spaziergang, oder mit dem Bus 154. Fazit: Der Chinaturm ist eine stimmungsvolle Alternative zum Stadion, vorausgesetzt man kommt nicht zu spät und muss sich dann mit schlechter Sicht begnügen.

Fast wie im richtigen Stadion

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(Foto: Foto: dpa)

Fan-Fest Olympiagelände

Stadion-Atmosphäre:***** Deutschland-Fan-Faktor:**** Übertragungsqualität:*** Auslastung:***** Kulinarisches:**** Bierpreis: Maß 7 Euro

Das Fanfest hat zwei Gesichter. Wenn man zeitig vor dem Anpfiff kommt, fühlt man sich ein bisschen wie beim Kino-Open-Air am Königsplatz: Die Leute breiten ihre Decken aus, sonnen sich oder starren schon mal probeweise nach oben, zur Respekt einflößenden 60-Quadratmeter-Leinwand. Doch je näher das Spiel rückt, desto enger wird es auf der Wiese und den Hügeln vor dem Olympiasee. Also weichen viele nach hinten aus und nutzen jeden Zentimeter Platz, bis ihnen die Glaswand der Olympiahalle eine Grenze setzt.

Zum Eröffnungsspiel standen tausende Nase an Hinterkopf - Arena-Atmosphäre pur. Auch der Weg zu den Verpflegungsständen ist allerdings weitgehend versperrt, was schade ist, gibt es dort doch Schmankerl aus aller Welt: Döner natürlich, Burger und Pizza. Aber auch Yassa, ein Hühnergericht aus Gambia, mit Senfsauce und Reis. Wer Durst hat, wählt zwischen Prosecco mit Energy Drink, Frozen Cocktail und Bier, das hier zuweilen nicht als Maß, sondern als Mega-Cup angeboten wird.

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