Münchens Erfolg:Die Mischung macht's

Die Branchenvielfalt und der Mix von großen und kleinen Firmen machen die Stadt relativ konjunkturunabhängig

Otto Fritscher

In den vergangenen Wochen waren die Schlagzeilen für den Wirtschaftsstandort München nicht gerade berauschend: BenQ hat Insolvenz angemeldet, bei Siemens gärt es, die Allianz will Personal abbauen, genauso die Telekom.

Trotzdem verfällt Wirtschaftsreferent Reinhard Wieczorek nicht in Pessimismus: ,,Das sind alles keine schönen Nachrichten, aber sie werden dem Wirtschaftsstandort München nicht nachhaltig schaden'', ist Wieczorek, seit mehr als 15 Jahren im Amt, überzeugt. Ist so eine Aussage Zweckoptimismus oder gar Schönfärberei? Bei nüchterner Betrachtung kommt man zum gegenteiligen Schluss: Der Mann hat recht.

Die Zahlen belegen, dass es der Stadt und damit auch der Wirtschaft in der Stadt in den vergangenen Jahren nicht schlecht gegangen ist: die niedrigste Arbeitslosenrate unter den deutschen Großstädten (7,2 Prozent im Jahr 2005), die höchste Kaufkraft (24700 Euro) und die meisten Existenzgründungen (mehr als 13000 pro Jahr).

Zahlen, die München an die Spitze vieler Rankings gebracht haben und immer wieder bringen. München ist zudem der Versicherungsstandort Nummer eins in Deutschland, zirka 80 Versicherungsunternehmen haben ihren Hauptsitz in der Stadt. Bei den Banken reicht es nur für Platz zwei - da ist Frankfurt traditionell vorne.

München steht auf vielen Beinen

Was ist das Münchner Erfolgsrezept? ,,Die Mischung macht den Unterschied'', sagt Wieczorek. Er meint damit den Mix aus kleinen Unternehmen und Weltkonzernen, aber auch die breite Streuung der Branchen. München ist nicht von einem einzigen Industriezweig abhängig oder einer speziellen Dienstleistungsbranche, sondern steht wirtschaftlich sozusagen auf vielen Beinen.

Wenn eine Branche Schwierigkeiten hat oder eine Firma in Turbulenzen geraten ist, bringt das nicht gleich das gesamte wirtschaftliche Gefüge ins Wanken. ,,Hier treffen Hightech-Betriebe und bodenständiger Handel, Weltunternehmen und Mittelstand, Traditionsbetriebe und erfolgreiche Start-ups aufeinander'', sagt auch Erich Greipl, Präsident der Münchner Industrie- und Handelskammer. Ein ,,riesiger Pluspunkt'' sei Münchens Spitzenstellung bei Forschung und Innovation.

BMW und Siemens sind die größten Arbeitgeber

665000 Menschen waren im vergangenen Jahr in München sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 0,2 Prozent mehr als im Vorjahr. In der Region lag die Beschäftigungszunahme bei 0,3 Prozent, wenn man das Umland mit einrechnet, arbeiten hier insgesamt beinahe 1,1Millionen Menschen. ,,Die Beschäftigungsprognosen lassen einen weiteren Anstieg erwarten'', sagt Wieczorek. Die größten Arbeitgeber in der Stadt sind BMW mit zirka 34000 Mitarbeitern und Siemens mit gut 25000 Mitarbeitern.

München ist produktiv: 21 Prozent der bayerischen Bevölkerung leben in der Metropolregion, sie erwirtschaften aber 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Freistaat. Dieses betrug in München im Jahr 2005 67,3 Milliarden Euro, in der gesamten Region waren es sogar 119 Milliarden Euro. Die Wirtschaftsstruktur wird vom Dienstleistungssektor bestimmt, der 77 Prozent zum BIP beiträgt. Die restlichen 23 Prozent steuert das produzierende Gewerbe bei.

Die Mischung macht's

Weltbekannt sind die Automobile aus München. Das Werk 1, das älteste von BMW, besteht seit 1922. Damals wurde es auf der grünen Wiese gebaut, inzwischen liegt es inmitten der Stadt, umgeben von Wohnbebauung. Andernorts würde dies zu heftigen Protesten führen - doch die Milbertshofener mögen BMW. Schließlich arbeiten viele im Werk, das jüngst einen Produktionsrekord melden konnte: der hunderttausendste 3er-touring lief innerhalb von 14 Monaten vom Band.

Zunächst hatte BMW in seinem Stammwerk Flugzeugmotoren und danach Motorräder gebaut. Erst seit 1952 werden dort Autos gefertigt. Bis heute sind es insgesamt rund 7,5 Millionen Fahrzeuge. Das Werk1 hat zirka 10000 Mitarbeiter, die aus mehr als 50 Nationen stammen.

Informations- und Kommunikationstechnologie sind ein anderes Standbein der Münchner Wirtschaft. Von Global Playern wie Siemens und Infineon bis hin zu kleinen Firmen, die in winzigen Marktnischen Weltmarktführer, so genannten ,,Hidden Champions'' sind, reicht die Bandbreite. Allerdings hat diese IuK-Branche in den vergangenen Jahren Federn lassen müssen: Arbeitsplätze wurden ins Ausland verlegt, Firmenteile verkauft, wie die Handysparte von Siemens an BenQ. ,,Die Globalisierung macht vor den Stadtgrenzen Münchens nicht Halt'', sagt Wieczorek.

Tritt gefasst hat dafür wieder die Biotechnologie, die einen Schwerpunkt, auf Neudeutsch einen Cluster, in Martinsried und Großhadern hat. Rund 115 Firmen mit zusammen etwa 3000 Mitarbeitern sind es, die zum Beispieldie zum Beispiel an Krebsmedikamenten forschen.

Erfolgsfaktor Forschung

Die Lebenswissenschaften profitieren von der Nähe vieler Forschungseinrichtungen wie den Max-Planck-Instituten für Biochemie und Neurologie und der dichten Vernetzung mit den Universitäten. ,,München ist eine Stadt des Wissens'', sagt Wieczorek, wenn es um die Standortvorteile Münchens geht.

Der Erfolg der beiden Münchner Universitäten beim Wettbewerb um den Titel ,,Elite-Universität'' belege dies eindrucksvoll. München habe ein weltoffenes und innovationsfreundliches Klima. Die Stadt sorge auch für entsprechende Infrastruktur. Etwa mit dem Münchner Technologiezentrum, das als erstes in Deutschland vor 22 Jahren am Frankfurter Ring etabliert wurde. Inzwischen wird es in Moosach neu gebaut. Ziel des MTZ ist es, günstige Räume für Startups zur Verfügung zu stellen, aber auch die Netzwerkbildung zu fördern.

Die Universitäten und Forschungseinrichtungen mit ihren insgesamt 85000 Studenten bilden die hochqualifizierten Arbeitskräfte aus, die von vielen Firmen gesucht werden. In manchen Branchen - wie bei den Ingenieuren - sogar händeringend. Ihre Krise hat eine andere für München wichtige Branche, die Medienwirtschaft, inzwischen überwunden: Unterföhring hat sich zu einem bedeutenden Medienstandort entwickelt.

Standbein Tourismus

Auch der Tourismus bringt viel Geld in die Stadt. ,,Jetzt haben wir die Zahlen von 2001 wieder erreicht und sogar übertroffen'', freut sich Tourismus-Chefin Gabriele Weishäupl. 4,1 Millionen Gäste, 8,3 Millionen Übernachtungen in Hotels und Pensionen, dazu noch 83 Millionen Tagesgäste im Jahr 2005 spülen viel Geld in die Kassen von Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel: Insgesamt 5,3 Milliarden Euro lassen die Touristen in der Stadt. Von dieser Branche hängen in der Stadt 68000 Arbeitsplätze ab.

,,Tendenz steigend'' kann in diesem Jahr erstmals auch das Handwerk wieder melden. ,,Fast zehn Jahre waren die Zahlen negativ: weniger Umsatz, weniger Beschäftigte, jetzt dreht sich die Entwicklung um'', sagt Heinrich Traublinger, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern. 17800 Handwerksbetriebe waren Ende September 2006 in München registriert, was einem Plus von 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Mehr als 92000 Menschen stehen in den Handwerksbetrieben in Lohn und Brot.

Einige Münchner Standortvorteile sind unbezahlbar: etwa die hohe Lebensqualität und der hohe Freizeitwert. Diese weichen Standortfaktoren ziehen nicht nur neue Firmen, sondern auch Arbeitskräfte an - und halten sie am Ort.

Während andere Metropolen händeringend nach Vorteilen suchen, die sie herausstreichen können, hat Wieczorek ein ganz anderes Problem: ,,München hat so viele Vorzüge, dass wir sie gar nicht alle aufzählen können.'' Das ist aber auch gar nicht nötig, denn vieles spricht für sich selbst: das weltweit bekannte Oktoberfest, BMW, das Hofbräuhaus und der FC Bayern. Die Münchner Mischung eben.

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