Münchens Eismacher:Eine eiskalte Tradition

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Eisproduktion bei Giogio Ballabeni in München, 2009 Eisproduktion bei Giogio Ballabeni und seiner Frau Lorella im Eislabor ihrer Eisdiele an der Ecke Türkenstraße / Theresienstrasse in Schwabing. (Foto: Stephan Rumpf)

Welches ist die beste Eisdiele? Wer darauf in München die falsche Antwort gibt, kann schnell als Ignorant gelten. Seit Jahrzehnten erfinden die Gelatiere der Stadt ausgefallene Kreationen.

Von Franz Kotteder

Zum Überleben im Dschungel der Großstadt gehört es, über einen gewissen Bestand von Futter- und Wasserstellen zu verfügen. Von Stadt zu Stadt gibt es da Besonderheiten, das ist klar, und jeder Münchner kennt ebenfalls solche Besonderheiten. Die Wasserstellen sind hier eher Biergärten und Bars. Jeder hat da seine Favoriten, und natürlich muss man in der bayerischen Landeshauptstadt auch seine Lieblingsbiermarke haben, der man bedingungslos treu bleibt.

Sie bestimmt folglich auch die Wahl des Biergartens und des Lokals, in denen es den besten Schweinsbraten gibt oder die besten Weißwürste. Zur Grundausstattung des Münchners gehören darüber hinaus noch der Lieblingsitaliener, das Straßencafé, in dem man andere sehen und selbst gesehen werden kann, und schließlich - last but not least - die bevorzugte Eisdiele.

Der Treffpunkt schlechthin

Eisdielen haben in München überhaupt eine viel größere Bedeutung, als man vermuten möchte. Anders als Wien oder Salzburg hat es die Stadt an der Isar ja eigentlich nicht so sehr mit den Süßspeisen. Beim Eis scheint das aber anders zu sein. Die Eisdiele ist ja weit mehr als nur ein Ort der Nahrungsaufnahme oder eine Möglichkeit, sich Genuss zu verschaffen.

Eisdielen in München
:Ice Ice, Baby!

Sommer in der Stadt. Was gibt es da schöneres als eine süße Erfrischung? Ob Bio, Gorgonzola, Weißwurst oder einfach nur ein ganz normales Stracciatella: München hat unzählige Eisdielen mit unzähligen Sorten. Ein Überblick.

Sie ist zugleich auch ein Ort der Kommunikation und Sozialisation. Hier treffen sich die Jugendlichen nach der Schule, um bestimmte Verhaltensweisen einzuüben oder zum Beispiel das Flirten zu erlernen. Hier wird erörtert, wie der Vormittag verlaufen ist, wer sich mal wieder unmöglich aufgeführt hat und wie man den Nachmittag oder den Abend zu gestalten gedenkt.

Das alles ist in seiner Wirkung gar nicht zu unterschätzen. Besonders in den Randbezirken der Stadt und in den Vororten ist die Eisdiele der Treffpunkt schlechthin. Wer zum Beispiel in Pasing das Stichwort "Portofino" fallen lässt, löst eine Fülle von Assoziationen aus, die mit Speiseeis nur noch am Rande zu tun haben.

Eiswerkstatt in München
:Professor für Gelato

Giorgio Ballabeni weiß, worauf es bei gutem Eis ankommt. Als der Gelatiere 2006 sein erstes Geschäft in München startete, wurde er von Kollegen ausgelacht. Jetzt eröffnet er eine Lehr-Werkstatt.

Von Philipp Crone

Ebenso wichtig ist es natürlich zu wissen, welche Eisdiele das beste Eis der Stadt verkauft. Bis vor wenigen Jahren war das alles keine große Frage. Als führend galt zum Beispiel das "Sarcletti" am Rotkreuzplatz - allein schon wegen der Riesenauswahl an verschiedenen Eissorten, wegen der die Münchner auch aus anderen Stadtteilen extra anreisten.

Obendrein handelt es sich da um ein Haus mit Tradition: Das erste Eis wurde hier bereits 1879 von Firmengründer Peter Paul Sarcletti verkauft. Trotz der Erfahrung aus vielen Jahrzehnten aber gebührte die Krone für das beste Eis der Stadt jedoch viele Jahre lang der Eisdiele von Franz Xaver Ranftl am Baldeplatz. Wer in München eine andere Meinung äußerte, galt als Ignorant, der nicht den Hauch einer Ahnung hatte, was gutes Eis eigentlich ausmacht, und hatte damit seinen gesellschaftlichen Selbstmord besiegelt.

Das Ranftl-Eis war besonders üppig, was für einen höheren Sahne- und Eigelb-Anteil spricht als gemeinhin üblich, und die Familie Ranftl experimentierte auch früh mit eher ungewöhnlichen Geschmacksrichtungen. So schwärmen manche Münchner noch heute vom Ranftlschen Rum-Eis. Das will etwas heißen, denn die Eisdiele Ranftl gibt es schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr.

Ranftl hat damals schon Maßstäbe gesetzt, die heute der große Trend in der Stadt sind: Produktqualität und Originalität. Neben Frische und cremiger Konsistenz zählen da vor allem ungewöhnliche Geschmacksrichtungen, und dafür ist man offenbar auch gerne bereit, Preise von bis zu 1,50 Euro für die Kugel zu bezahlen.

Dem Einfallsreichtum sind kaum Grenzen gesetzt, wie man etwa beim "verrückten Eismacher" in der Amalienstraße 77 erleben kann. Das Lokal von Matthias Münz ist eine kleine Erlebniswelt für sich, angelehnt an die Geschichte von "Alice im Wunderland", in der es einen verrückten Hutmacher gibt. Münz macht zum Beispiel Bier- und Weißwursteis - beides verblüffend echt im Aroma, aber gewöhnungsbedürftig.

Ballabeni gilt als der große Trendsetter

Ebenso ausgefallen sind das Gorgonzola- und das Zitrone-Paprika-Eis, es gibt aber auch die herkömmlichen Sorten, und an heißen Tagen bilden sich lange Schlangen vor dem Eis-Tresen. Dafür steht natürlich auch Ballabeni beim Brandhorstmuseum (Theresienstraße 48), dort hat man inzwischen schon lange Absperrungen eingerichtet, um den Kundenansturm zu bewältigen.

Seit gut sechs Jahren gilt Ballabeni als der große Trendsetter, wegen der handwerklichen Qualität und der manchmal auch ausgefallenen Sorten. Pro Tag gibt es nur zehn davon, dafür wechseln sie öfters. Chef Giorgio Ballabeni hat jetzt sogar in der Seidlstraße eine Eis-Werkstatt aufgemacht, in der fanatische Kunden seiner Eisdiele die Kunst des Eismachens auch selbst erlernen können.

Wo ein kulinarischer Trend ist, da findet man selbstverständlich auch Alfons Schuhbeck. Der hat schon seit einigen Jahren in seinem Reich am Platzl eine italienische Eisdiele mit exotischen Sorten wie Kaiserschmarrn, Feige-Rosenblüte und, logisch, fast immer irgendwas mit Ingwer. Täglich gibt es 36 wechselnde Sorten. Für Schuhbeck hat auch der Eismacher Mori Barghtchi einmal gearbeitet.

Ein Meister seines Fachs

Der gebürtige Iraner ist ein Meister seines Fachs und bietet in seiner kleinen Eisdiele "Domori" (Kapuzinerstraße 43) etwa 20 Sorten pro Tag an, rund 290 Geschmacksrichtungen gibt es bei ihm insgesamt. Dass er hochwertige Zutaten verwendet, schmeckt man sofort, etwa bei den Klassikern Erdbeere und Schokolade. Einer der Renner: Joghurt-Gurke-Dill-Eis.

Trotz der Vielzahl an Aromen und Geschmacksrichtungen: Letztlich ist dann doch die Qualität der Zutaten entscheidend und die Erfahrung des Gelatiere. Bei "Del Fiore" (Gärtnerplatz 1) etwa, eigentlich eine typisch italienische Bar mit kleinem Speisenangebot, gibt es seit zwei Wochen jetzt auch hausgemachtes Eis, an dessen Rezepturen der Eismacher Stefano de Giglio angeblich fünf Jahre gearbeitet hat. Das Ergebnis überzeugt durch satten Gehalt und angenehm unaufdringliche Geschmacksnoten.

Es gibt also wieder viele gute Gründe, sich darüber zu streiten, wo es in München das beste Eis gibt.

© SZ vom 03.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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