Münchens einzige Actionsport-Halle:Sieben Wochen bis zum Neustart

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Die Actionsport-Halle "Gravity Lab" ist akut gefährdet. Das Refugium in der Werkstadt Sendling soll einem Bürokomplex weichen - viel Zeit bleibt der Betreiberin nicht

Von Birgit Lotze, Sendling

Nein, es sieht nicht gut aus. Die Existenz der einzigen Münchner Actionsport-Halle ist akut gefährdet. Bereits in sieben Wochen soll Sabine Schmalschläger ihr "Baby", das Gravity Lab, abgebaut haben und die Halle besenrein hinterlassen. Derzeit birgt sie ein 2000-Quadratmeter-Refugium für bewegungsbegeisterte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene: eine riesige Trampolinlandschaft, ein Areal für Skateboarder und BMX-Fahrer; Freerider - Skifahrer und Snowboarder - machen hier ihr Trockentraining. Auch gibt es einen Parkour für Tricker, die sich vorwiegend mit waghalsigen Sprüngen und Flips fortbewegen. Am 30. April soll damit Schluss sein. Initiatorin und Betreiberin Sabine Schmalschläger wurde der Mietvertrag nicht verlängert. Das Gravity Lab soll einem Bürokomplex weichen.

Seit das Ende öffentlich wurde, ist viel passiert: Mehr als 3150 Fans haben eine Online-Petition unterschrieben: "Gravity Lab darf nicht sterben", lautet die Forderung. Die Stadt und der Freistaat Bayern sollen alles tun, um das Gravity Lab zu erhalten, wünscht sich der Petitions-Initiator Robinson Reichel. Es gebe in München Bürogebäude zu Hunderten, in Bayern Tausende, sagt Reichel, "aber keine einzige Actionsport-Halle wie das GravityLab".

Die Münchner Sportstätten kommen zunehmend unter die Räder. Um viel Adrenalin, Körperspannung und hohe Sprünge geht es in Münchens einziger Actionsport-Halle. (Foto: Florian Peljak)

Das Gravity Lab befindet sich in schickem Umfeld: Auf dem früheren Produktionsgelände von Philip Morris nahe dem S-Bahnhof Mittersendling entstand 2010 auf 60 000 Quadratmetern eine Ideenfabrik mit Ateliers, Büros und Hallen für Produktion, Lager und Logistik, Wohnungen, Fitnessstudio und Café - ein bunter Branchen-Mix, High Tech und Kreativwirtschaft. Werkstadt Sendling nennt sich diese Spielstätte, die die Investa Real Estate ins Leben gerufen hat. Die derzeit zuständige Investa-Mitarbeiterin konnte am Dienstag wegen einer Geschäftsreise nicht Stellung nehmen. Doch fest steht: Die Eigentümerin plant den Abbruch. Die Lokalbaukommission hat bereits im Juni einen Vorbescheid dafür erteilt, ebenso für einen "Neubau mit Nutzungsänderung eines Gewerbegebäudes". Auf ihrer Internetseite kündigt die Investa an, dass auf dem Areal der Werkstadt weitere 10 000 Quadratmeter "moderne Bürolofts" entstehen sollen.

Am Montagabend hat der Bezirksausschuss (BA) einhellig Stellung bezogen. Gerade für junge Erwachsene sei die Halle wichtig, hieß es dort. Man will an Vermieter wegen einer Verlängerung des Mietvertrags herantreten. "Wir hoffen, dass er den Abriss hinauszögert, so dass Sie mehr Zeit haben", so Vorsitzender Markus Lutz (SPD). Auch will sich der BA an das Referat für Arbeit und Wirtschaft wenden, damit es Schmalschläger bei Bewerbungen um andere Hallen unterstützt.

Doch das Gravity Lab muss bis Ende April die Halle auf dem ehemaligen Philip-Morris-Gelände in Sendling verlassen. Jetzt wird Fans und Lokalpolitikern nach und nach bewusst, was sie damit verlieren könnten. (Foto: Florian Peljak)

Auch Stadträte versuchen das Gravity Lab zu retten. Das Angebot sei einzigartig, die Stadt solle "alles" unternehmen, diese Sportmöglichkeiten für die Münchner zu erhalten, führt Stadträtin Ulrike Grimm (CSU) in einem Antrag an. Es sei sportpolitisch wichtig, dass man den neuen Trendsportarten nachgehen könne. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Verena Dietl, die auch Sprecherin im Sportausschuss und stellvertretende Sprecherin im Kinder- und Jugendhilfeausschuss ist, hat beantragt, Kooperationen der Stadt mit Freestyle-Anbietern zu prüfen. Man müsse nach neuen Förderchancen suchen. Die Stadt wolle zwar selbst ein Actionsport-Zentrum auf dem Gelände der ehemaligen Eggenfabrik in Pasing aufmachen, sagt Dietl. "Aber das zieht sich noch ein paar Jahre hin." Das müsse man überbrücken.

Wichtig sei zunächst allerdings, dass die Existenz von Gravity Lab als Projekt zunächst gesichert werde: "Erst muss die Halle auf sicheren Beinen stehen." Dietl hat schon die Lokalbaukommission kontaktiert, auch bereits andere Hallen, Hallenbetreiber und -nutzer aufgetan, die eventuell kooperieren würden - doch ohne Erfolg. Man brauche mehr Zeit, sagt sie.

Sabine Schmalschläger würde sich eine Zusammenarbeit mit der Stadt wünschen. "Ich kämpfe", sagt sie. "Aber auf verlorenem Boden." Sie könne doch nicht einfach abbauen und schließen, es gebe doch in der Stadt viel zu wenige Sportanlagen, vor allem keine, in denen man auch im Winter trainieren könne. 1,5 Millionen Euro hat sie investiert. "Das könnte die Stadt jetzt einfach so haben." Dass eine Allianz mit der Stadt möglich wäre, ist ihr im vergangenen September bewusst geworden, als die Kommune sich mit dem Versicherungskonzern Allianz über die Nutzung des SV-Weißblau-Geländes an der Osterwaldstraße am Englischen Garten geeinigt hat. Die Stadt übernahm die Erbpacht und einen Teil der Belegungsrechte, die Allianz blieb aber Eigentümer. Welches Modell sich für das Gravity Lab eignen könnte? Da hofft die Betreiberin auf eine Lösung seitens der Stadt.

Sabine Schmalschläger hofft auf die Stadt. Aber die Uhr tickt. (Foto: Florian Peljak)

Bislang ist allerdings nichts in Sicht. Eine Förderung sei nur möglich, wenn die Einrichtung auf einen gemeinnützigen Sportverein mit Mitgliedern statt mit Nutzern laufe, heißt es im Referat für Bildung und Sport. Ob Trendsportler Vereinsanschluss suchen oder nicht - für Schmalschläger käme auch diese Lösung zu spät. Mindestens ein Jahr müsse der Verein bestehen, bis er förderwürdig sei, sagt sie. Der Neustart müsse jedoch in sieben Wochen gelingen.

© SZ vom 13.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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