Süddeutsche Zeitung

Münchens Alter Nordfriedhof:Partymeile auf dem Friedhof

Familien verabreden sich zum Spielen, Menschen flanieren - Münchens Alter Nordfriedhof war schon immer ein etwas anderes Ausflugsziel. Doch seit dort nächtliche Feiern mit lauter Musik und Grillpartys zwischen Grabsteinen stattfinden, wird es der Verwaltung zu viel der Freude.

Alfred Dürr

Wenn sich Eltern mit kleinen Kindern "zum Spielen auf dem Friedhof" verabreden, mag das vielleicht etwas merkwürdig klingen. Aber in der Maxvorstadt weiß man, was damit gemeint ist. Der Alte Nordfriedhof an der Arcisstraße, der aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt und auf dem es seit 1939 keine Bestattungen mehr gibt, ist eine wunderbare Freizeitoase inmitten der dicht bebauten Umgebung und weit weg von jeder Hektik. Doch manchmal wird es wohl zu viel mit Freude und Entspannung. Man habe überhaupt nichts gegen Kinder, die fröhlich zwischen den historischen Grabmälern spielten, sagt Kriemhild Pöllath-Schwarz, die Leiterin der Städtischen Friedhofsverwaltung. Auch nichts gegen die Jogger, die eisern ihre Runden auf dem Gelände drehten. Und wer auf den Grünflächen unter den Bäumen eine Decke ausbreite, um etwa in Ruhe ein Buch zu lesen, sei ebenfalls willkommen. Allerdings nachts Partys mit lauter Musik zu feiern, halbnackt tagsüber zwischen den Grabsteinen zu grillen oder auf den Denkmälern zu turnen - das gehe dann doch zu weit und sei der Würde des Ortes nicht angemessen. Noch immer würden viele Gräber von den Nachkommen der Verstorbenen gepflegt: "Das Prinzip der Totenruhe und der Respekt vor den Trauernden gelten nach wie vor." Weil das Benehmen gerade auf dem Tag und Nacht geöffneten Nordfriedhof nach Erkenntnissen der Verwaltung immer ungenierter wird, soll nun im Zusammenarbeit mit dem Bezirksausschuss der Maxvorstadt "Aufklärungsarbeit" geleistet werden. Mit Broschüren und Flugblättern will man auf die Bedeutung des Friedhofs hinweisen. An den Eingang kommt eine Tafel mit den entsprechenden Informationen. Die Friedhofsverwaltung wird auch in die umliegenden Schulen und Kindertageseinrichtungen gehen und dort Projekttage zum Thema Nordfriedhof anregen. Auch Führungen über das Gelände oder eine Fotoausstellung im Zwischengeschoss des nahe gelegenen U-Bahnhofs Universität könnten zur Sensibilisierung für den Friedhof beitragen."Wir wollen auch keine Blockwart-Mentalität fördern" Sowohl Pöllath-Schwarz als auch der BA-Vorsitzende Oskar Holl betonen, dass es nun nicht darum gehe, streng mit Gesetzesbüchern zu winken. "Wir wollen auch keine Blockwart-Mentalität fördern", sagt Holl. Es könne auch nicht hinter jedem Baum künftig ein Wächter stehen. Man appelliert also zunächst einmal an die Einsicht der Besucher. Überlegt wird zudem, ob der Friedhofsgärtner im Sommer ein bisschen später mit seiner Arbeit beginnt und dann dafür länger am Abend im Friedhof präsent ist. Der Alte Nordfriedhof vermittelt einen sehr angenehmen und gepflegten Eindruck. Ist also die geplante Öffentlichkeitsoffensive der Verwaltung eine Überreaktion? Das sieht man dort nicht so. Es sei deutlich festzustellen, dass bei vielen der Begriff "Freizeitpark" im Vordergrund stehe und nicht der auch kulturhistorisch bedeutsame Friedhof. Pöllath-Schwarz: "Vieles geschieht nicht aus bösem Willen, sondern aus Unwissenheit."

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SZ vom 06.08.2011/afis
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