Klassik:Der neue Tänzer

Uraufführung, Mozart - das Münchener Kammerorchester kann an diesem Abend alles.

Von Egbert Tholl, München

Enrico Onofri ist ein ungeheuer versierter Musiker, spielte Geige in verschiedenen renommierten Ensembles, vor allem solchen, die auf Alte Musik spezialisiert sind, war lange Jahre Konzertmeister und begann dann auch zu dirigieren. Eine außerordentlich gute Entscheidung. Im Prinzregententheater steht er nun vor dem Münchener Kammerorchester als Mitmusikant, als euphorischer Antreiber, Tänzer, wundervoll elegant. In der kommenden Saison wird Onofri einer von drei Dirigenten sein, die die künstlerischen Geschicke dieses so vielseitigen Ensembles bestimmen werden; der derzeitige Chef Clemens Schuldt gibt Ende Juni sein Abschiedskonzert, danach braucht es erst einmal keinen alleinigen Chefdirigenten mehr, sondern unterschiedliche künstlerische Handschriften.

Onofri beweist, nicht als erster, dass wer sich in Alter Musik auskennt, auch sehr gut mit zeitgenössischer zurechtkommt; das oft bräsige 19. Jahrhundert klammert man einfach aus. Allein die Programmierung ist großartig: Die äußere Klammer bilden eine Sinfonie von Joseph Martin Kraus und die 35. von Mozart. Kraus überlebte Mozart um ein Jahr, ansonsten sind die Lebensdaten identisch, die Musik ist es nicht. Kraus beginnt in zarten Sphären, probiert dann immer wieder etwas Neues aus, separiert die Gedanken mit Generalpausen, bis er zu einem mitreißenden Tosen gelangt. Den Mozart am Ende gestaltet Onofri mit viel Witz, Spielfreude, das Orchester pulst in feinster Dynamik, es ist ein musikantisch fabelhaftes Erlebnis.

"Neroli" von Lisa Streich gibt das nicht her. Das Auftragswerk besteht aus Nichts. Keine Sinnlichkeit, nur sture Langeweile, man bedauert die Geigensolistin Carolin Widmann. Stur ist Hans Abrahamsen auch, aber zehnmal neu und neugierig. Seine "10 Präludien" sind zehn tönende Erzählungen, sinnlich, aufregend, toll gespielt.

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