Münchener Kammerorchester:Kriegsspiele

Der fünfte "Prolog" des Münchener Kammerorchesters

Von Michael Stallknecht

Mit Glockenschlägen beginnt Arvo Pärts "Cantus in Memoriam Benjamin Britten", bevor das Streicherkorps einen mystischen Klangraum öffnet. Das Requiem des estnischen Komponisten auf seinen 1976 gestorbenen Kollegen passt fraglos gut in die Sendlinger Himmelfahrtskirche. Aber was hat Heinrich Ignaz Franz Bibers "La Battaglia" hier zu suchen, ein musikalisches Schlachtengemälde des 17. Jahrhunderts? Für den fünften seiner einstündigen "Prologe" setzt das Münchener Kammerorchester (MKO) auf eine seiner typischen, etwas wüsten Programmzusammenstellungen aus älterer und neuerer Musik. Während das Publikum wegen der steigenden Neuinfektionen die ganze Zeit Maske tragen soll, dürfen die 19 Streicher nebst Cembalistin bei Biber ganz landsknechthaft mit dem Fuß stampfen, wie betrunken durcheinanderspielen und die Saiten wie Schüsse knallen lassen.

Ein möglicher dramaturgischer Zusammenhang des von Ryan Bancroft dirigierten Programms eröffnet sich vom Schlusssatz her, der Klage der verwundeten Musketiere, vor allem aber über die Vierte Symphonie von Karl Amadeus Hartmann, die das MKO im Anschluss spielt. Denn der 1938 in einer Frühfassung entworfenen, erst zehn Jahre später vom BR-Symphonieorchester uraufgeführten Streichersymphonie liegen ebenfalls Kriegserfahrungen zugrunde. Wie in vielen Werken Hartmanns spiegelt sich in ihr das Wechselbad aus Niedergeschlagenheit, Panik und Aufbegehren, das der Münchner Komponist in der inneren Emigration durchlebte. Es tut dem Stück gut, dass Bancroft es nicht als reine Bekenntnismusik dirigiert, sondern den formalen Zusammenhang in den Vordergrund rückt.

Detailgenau setzt er mit dem MKO die reichen dynamischen Schattierungen der Partitur um, schafft bei allen Dehnungen und Stauchungen ein souveränes Tempogefüge und entfesselt den schnellen Mittelsatz mit fulminanter rhythmischer Energie.

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