München/Bad Tölz:Alarm am Fluss

Badegäste in der Isar bei Pullach, 2018

Hunderte Schlauchboote passieren im Hochsommer die Grünwalder Brücke - die Isar ist eines der Top-Ausflugsziele der Region.

(Foto: Claus Schunk)

Mit der neuen Bootsverordnung des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen wird die Nutzung der Isar stark eingeschränkt, allerdings nur im Frühjahr, Frühsommer und im Herbst. Wassersportler reagieren empört, der Bayerische Kanu-Verband zieht sogar eine Klage in Erwägung

Von Martin Mühlfenzl, München/Bad Tölz

Drei Mal war Jochen Langbein dieses Jahr schon auf der Isar unterwegs - vom Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen vorbei am Georgenstein bei Baierbrunn bis in die Stadt. Immer mit den Jugendgruppen des Deutschen Touring-Kajak-Clubs aus München, dessen Vorsitzender er ist. Die Isar, sagt er, biete Kindern und Jugendlichen ideale Bedingungen; anders als etwa die Loisach, die deutlich schwerer zu befahren sei. Doch mit den Isar-Touren ist es vorerst vorbei: Am Karfreitag ist die neue Bootsverordnung des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen in Kraft getreten. Sie gestattet Fahrten südlich der Kreisstadt Bad Tölz nur noch vom 1. Juni bis 15. Oktober; vom Tölzer Kraftwerk bis zur Landkreisgrenze bei Schäftlarn darf der Fluss immerhin noch bis 31. Dezember befahren werden. Die zeitliche Einschränkung, sagt Langbein, sei für Sportler eine "einzige Katastrophe".

Die Isar erfreut sich stetig wachsender Beliebtheit. Mountainbiker brettern an ihren Ufern durchs Unterholz, Familien tummeln sich auf ihren Kiesbänken, grillen dort, manche übernachten auch am Fluss, und im Hochsommer wird er von Menschen in Feierlaune - und allzu oft mit entsprechendem Alkoholpegel - in Schlauchbooten nahezu bedeckt. Bis zu 500 Boote am Tag sind in der Hochsaison unterwegs.

"Klar, es gibt auf der Isar einen offensichtlichen Missstand im Sommer", sagt Jochen Langbein. "Und Teile der neuen Verordnung sind ja auch sinnvoll." Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen dürfen seit Freitag keine Beiboote mehr angehängt werden, es gilt ein Nachtfahrverbot von 20.30 bis 7 Uhr, Kiesinseln dürfen nur noch in Notlagen betreten werden, Kinder und Nichtschwimmer müssen Schwimmwesten tragen, für Bootsfahrer gilt eine 0,5-Promille-Grenze, mehr Isar-Ranger sind im Einsatz. "Von mir aus hätte es auch ein komplettes Alkoholverbot sein können", sagt Langbein. "Wir sind als Sportler einverstanden damit, dass die Isar geschützt werden muss. Aber dass sie nur noch viereinhalb Monate lang befahren werden darf, hilft dabei überhaupt nicht."

Für die Sportler ist die Isar eine "natürliche Sportstätte", sagt Stefan Schmidt, Ressortleiter für die Bereiche Umwelt und Gewässer beim Bayerischen Kanu-Verband. Sein Verband, sagt er, prüfe derzeit rechtliche Schritte gegen die von Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) veröffentlichte Bootsverordnung. "Und ich habe auch das Okay des Präsidiums", sagt Schmidt. Tatsächlich seien die Zustände an und auf der Isar im Sommer teils "unhaltbar", , urteilt er. "Und es gibt auch immer Menschen, die sich nicht an eh schon bestehende Regeln halten, die Brutstätten betreten, betrunken auf dem Fluss unterwegs sind", fügt er hinzu. Die neue Verordnung aber bestrafe diejenigen, die sich an Regeln hielten. "Wir Sportler wissen, wie wir uns in der Natur verhalten müssen, wir geben das auch an unseren Nachwuchs weiter und versuchen auch andere, die gerne am Fluss sind, aufzuklären", sagt er. "Statt mit Verboten zu hantieren, sollte auch die Politik eher aufklären und das Verhalten der Massen verändern."

Die Verordnung des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen gilt nur bis zur Landkreisgrenze. Von dort an wirken die Bestimmungen des Landkreises München - und der plant derzeit nicht, sich ähnlich restriktive Regelungen aufzuerlegen. Das Münchner Landratsamt, lässt Pressesprecherin Christina Walzner verlauten, wolle in einem ersten Schritt nur prüfen, welche Regelungen "zum besseren Schutz der Menschen auf der Isar" aufgestellt werden könnten. Dazu könnte etwa eine Schwimmwesten-Pflicht für Kinder und Nichtschwimmer zählen, die der Nachbarlandkreis in seine neue Verordnung aufgenommen hat. Auch soll eine "Einschränkung von untauglichen und für das Befahren der Isar gefährlichen Billig-Schlauchbooten", geprüft werden. Hierzu hat das Landratsamt Kontakt mit dem TÜV Süd aufgenommen, der klären soll, welche Bootstypen überhaupt noch zum Einsatz kommen dürfen. Grundsätzlich, sagt Landrat Christoph Göbel (CSU), sei es aber entscheidend, "die verschiedenen Interessen aller Betroffenen vernünftig in Einklang zu bringen" und "die Freiheiten der Bürger so weit wie möglich zu erhalten".

Für Gert Molewski, Ehrenvorsitzender des Bayerischen Kanu-Verbandes und Referent für Sicherheit, ist die neue Bootsverordnung des Nachbarlandkreises "eine Katastrophe". "Wir haben unsere Mitglieder und Sportler immer mit viel Einsatz und Mühe so erzogen, dass sie sich naturbewusst verhalten und die Umwelt schützen", sagt Molewski. Die Entscheidung des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen sei "blinder Populismus", kritisiert er. "Denn mit dieser Verordnung wird das eigentliche Problem, der Partyboot-Tourismus, ja überhaupt nicht angegangen", moniert er. "Die Schlauchboot-Party auf der Isar im Sommer kann einfach weitergehen", stellt auch Stefan Schmidt fest. "Und in einer Zeit, in der sonst vernünftige Sportler den Fluss nutzen, darf nicht mehr gefahren werden. Die Isar hätte wirklich Besseres verdient als diese Verordnung."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: