Süddeutsche Zeitung

Verkehr in München:Bau der zweiten Stammstrecke könnte sich weiter verzögern

Im Jahr 2028 sollte der neue S-Bahn-Tunnel in Betrieb gehen. Nun deutet sich an, dass es deutlich länger dauern könnte. Die Bahn überprüft ihren Zeit- und Kostenplan.

Von Heiner Effern

Die Deutsche Bahn (DB) macht sich offenbar Sorgen, dass beim Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke der Zeitplan und die Kosten erneut gesprengt werden könnten. Nach derzeitigem Stand soll der Tunnel im Jahr 2028 in Betrieb gehen. Angesetzt ist dafür eine Maximalsumme von etwa 3,8 Milliarden Euro. Die Planung wurde erst im vergangenen Jahr im Umgriff des Ostbahnhofs noch einmal entscheidend verändert, die Station dort wurde vom Orleansplatz auf die anderer Seite an die Friedensstraße verlegt. Seit diesem Beschluss im Jahre 2019 arbeite die DB mit allen Partnern intensiv zusammen, um die Planungen detailliert auszuarbeiten und das Bauvorhaben weiter voranzutreiben, erklärte eine Sprecherin der Bahn. "Wir prüfen dabei auch Entwicklungen bei der Zeit- und Kostenschiene. Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu Details erst äußern können, wenn valide Ergebnisse vorliegen."

Der Münchner Merkur hatte am Wochenende berichtet, dass bei der Bahn intern sogar von bis zu vier Jahren erneuter Verzögerungen die Rede sei. Eröffnung der zweiten Stammstrecke wäre dann erst im Jahr 2032. Die Sprecherin der Bahn wollte zu dieser Zahl nicht Stellung beziehen. Im Juli 2019 erklärte die DB, dass sie die Stammstrecke am Ostbahnhof neu plane und deshalb die Linienführung des Tunnels verändern müsse. Zugleich sollte ein Rettungsstollen mehrere aufwendige Rettungsschächte ersetzen. Dafür wurde die Eröffnung von 2026 auf 2028 verschoben.

Auch das für den Bau zusammen mit dem Bund politisch zuständige bayerische Verkehrsministerium bleibt vage. Der Tunnel werde wie jedes Großprojekt regelmäßig hinsichtlich der Zeit- und Kostenpläne überprüft, sagte ein Sprecher von Ministerin Kerstin Schreyer (CSU). Auf "Fachebene" sei das Ministerium informiert worden, dass "derzeit eine solche Überprüfung" laufe. Über Ergebnisse werde man sofort informiert. Laut Ministerium schritten die Umplanungen sowie die schon 2017 begonnenen Bauarbeiten voran.

Entscheidend für den weiteren Fortgang dürfte die Genehmigung für die neue Trasse und die neue Station am Ostbahnhof sein. Im November 2019 reichte die Bahn laut einer Beschlussvorlage der Stadt München die Unterlagen dafür beim zuständigen Eisenbahnbundesamt (EBA) ein. Knapp ein Jahr später ist die DB noch immer damit beschäftigt, alle Pläne genehmigungsreif vorzulegen. "Das EBA hat die Vorhabenträgerin aufgefordert, die eingereichten Planunterlagen in verschiedenen Punkten zu überarbeiten", heißt es von der Behörde in Bonn. Einzelheiten und Hintergründe seien bei der DB nachzufragen.

Die Deutsche Bahn mag allerdings auf detaillierte wie allgemeine Fragen konkret gar nicht antworten. "Jetzt geht's ans Bauen", hatte allerdings Kai Kruschinski Ende Februar öffentlich erklärt. Wenige Wochen zuvor hatte der Bau- und Wirtschaftsingenieur die Gesamt-Projektleitung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke übernommen. Damit verantwortet er ein Projekt, das eine reiche Historie an geplatzten Zeitplänen aufweist.

Die Grünen im Landtag gehören zu den Kritikern des Großprojekts. Der Abgeordnete Martin Runge verweist auf ein Schreiben der Staatsregierung aus dem Jahr 2005, als die Eröffnung der zweiten Stammstrecke 2010 geplant war. Im Wirtschaftsausschuss habe der damalige Vorsitzende Erwin Huber im Jahr 2011 zugegeben, dass die eine Inbetriebnahme zu den angestrebten olympischen Winterspielen 2018 nur mit viel Fantasie möglich sei. Mehr Chancen hätte man bei Olympia 2034. "Da sind wir nun ja auch bald", sagte Runge, der die Verzögerungen auch auf Fehler in der Planung zurückführt. Er selbst schrieb im November 2011 in einem Beitrag von "München 31", das in einer Reihe mit Stuttgart 21 und dem Flughafen Berlin-Schönefeld stehe.

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SZ vom 13.10.2020/kafe
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