Süddeutsche Zeitung

München:Zucker oder Leber

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Neuer Band "Mordsmäßig Münchnerisch"

Von Jutta Czeguhn, München

Die Handgriffe sind dem Loisl in Fleisch und Blut übergegangen: Sauber trennt er den Kopf und die Läufe ab und wirft sie ins Gebüsch. Er weiß, nach ein paar Tagen wird nichts mehr davon übrig sein. Herz, Leber und Nieren behält er für sich, den Rehkorpus wird der Loisl, der sich hier kurz nach Sonnenaufgang durch das "Laimer Tor" aus dem Nymphenburger Schlosspark schleicht, in der Küche eines nahen Gasthofs abliefern. Dort wird er diese zierliche schwarze Frau dabei ertappen, wie sie die Innereien aus seinem alten Jagdrucksack nimmt und von der blutigen Leber abbeißt. Mit seinem Hirschfänger schlägt er sie bewusstlos ...

Die Geschichte "Der Wilderer" - sie spielt in Neuhausen - ist eine der eher ungewöhnlichen unter den 20 Stadtteil-Krimis im nunmehr dritten Band der Reihe "Mordsmäßig Münchnerisch". Der Hirschkäfer-Verlag hat sein nicht unerfolgreiches Format weitergedreht. Herausgeberin der Anthologie ist wieder Ingrid Werner, die es zwar mittlerweile ins niederbayerischen Rottal verschlagen hat, die aber das Gefühl für die kriminelle Energie in ihrer Geburtsstadt noch nicht verloren hat.

Und wie schon in der ersten, 2017 erschienen Sammlung werden die Mordsgeschichten mit Kochrezepten garniert, eine Dreingabe, die es nicht unbedingt gebraucht hätte. Hat man doch allzu oft den Eindruck, die Autorinnen und Autoren hätten in den Plot ihrer Storys noch rasch ein Menü gepresst, damit's halt aufgeht mit dem Verlagskonzept.

Den Texten tut das ganze Topfdeckel-Klappern als Bonus-Material nicht wirklich gut. Man hat den Eindruck, dass da den Schreibern wie den Lesern zu wenig zugetraut wurde. Die Kurzkrimis würden auch so funktionieren. Wen interessiert zwischen all dem Morden von Perlach bis Freimann, von Hadern bis nach Ramersdorf, wie man Rahmschwammerl zubereitet oder Tafelspitz mit Krensoße. Steht doch in jedem Kochbuch.

Wer sich je gähnend durch einen allgäuer Kluftinger gequält hat und oder bei der Aufklärung eines Mordes im Nürnberger Knoblauchsland am trockenen mittelfränkischen Humor gescheitert ist, wird an diesen Münchner Krimi-Fingerfood vielleicht mehr Geschmack finden. Es braucht zwar ein wenig, bis man sich einschwingt auf die Geschichten und ihre kleine Form goutieren kann. Viele der Mini-Thriller entwickeln sich dann aber doch zu Page-Turnern, zumal es meist nur zehn Seiten zu blättern bedarf, bis eine Erzählstimme den Staffelstab an die nächste weiterreicht. Und der Münchner Schauplatz wechselt. Hin und wieder ist es sogar der Mörder selbst, mit dem man es da als unzuverlässigen Zeugen des Geschehens zu tun hat. Oder ein Geist.

Solcherart Wesen machen - Jogger im westlichsten Münchner Westen müssen jetzt ganz stark sein - die Aubinger Lohe unsicher. Dort stand einst ein Schloss, das aber nach widrigen Umständen durch einem Fluch versank. Seitdem muss man sich im Wald vor Spukerei in acht nehmen. Im Aubing-Krimi "Einmal Bruni, immer Bruni" von Manuela Obermeier ereilt einen Freizeitläufer dort am sagenumwobenen Teufelsberg das frühzeitige Ende. Die Autorin ist eine Kennerin der Crime-Scene, ist sie doch in Neuaubing aufgewachsen. Und mit krimineller Energie kennt sie sich auch aus, trat Manuela Obermeier 1990 doch als eine der ersten Frauen in Bayern in den uniformierten Dienst der Polizei.

Wie vieler der Autorinnen und Autoren dieser Anthologie kann Obermeier auch die Langform, bislang hat sie drei Krimis mit ihrem fiktiven Münchner Kommissar Toni Stieglitz veröffentlicht. Thomas Kastura lässt, wenn er nicht über den Schlosspark-Wilderer Loisl schreibt, eigentlich auf den Hebriden ermitteln, unter seinen Pseudonym Gordon Tyrie. Nicole Neubauer, die ein tödliches Geheimnis unter alten Freunden im Freimanner Floriansmühlbad aufdeckt, war einst als Verbraucherschutzanwältin im Bereich Wirtschaftskriminalität unterwegs, heute ist sie hauptberuflich Krimiautorin. Beatrix Mannel, Mitbegründerin der Münchner Schreibakademie, lässt gar in der Black Box im Gasteig morden, mehr wird nicht verraten, nur so viel: Zu viel Zucker im Kaffee war noch nie eine wirklich gute Idee.

Mordsmäßig Münchnerisch 3: 20 Stadtteilkrimis & 20 Rezepte, Hirschkäfer Verlag 2021

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SZ vom 08.05.2021
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