So muss es aussehen, dieses Dolce Vita. Orangefarbene Gläser, Sonnenbrillen und ein breites Lächeln im Gesicht. Vor der Ludwigskirche sitzen am Samstagnachmittag Magdalena Matzinger, Rita Potoku und Kevin Suchy, sie trinken, na klar, Aperol Spritz. Und sie sitzen mitten auf der Straße, so wie es nur geht, wenn Zamanand ist. Zwei Tage lang fahren keine Autos auf der Ludwigstraße zwischen Feldherrnhalle und Siegestor; auf der Leopoldstraße bis zur Münchner Freiheit führt der Corso Leopold das Festival fort.
Potoku und Suchy haben zwei Kinder, vier und zwei Jahre alt, aber an diesem Tag haben sie kinderfrei und sind mal wieder in München. Vor einiger Zeit ist die Familie rausgezogen aus der Großstadt, nach Erding. Für die Kinder sei es entspannter dort, sagt Potoku, aber „so ein Event wie heute hier hat man da draußen natürlich nicht“. Jedenfalls sind die Kinder nun bei Oma und Opa, und für die Eltern bedeutet das, dass sie mal wieder eine Freundin treffen und dieses typisch münchnerische Dolce Vita genießen können.


Ungefähr 1500 Mitwirkende - von 85 lokalen Initiativen über Künstlerinnen und Künstler bis hin zu Unternehmen. Themen von Klimaschutz über Europa bis hin zu Wissenschaft zum Mitmachen. Live-Musik, Performances und Aktionen. Dazu beim Corso Leopold mehr als 90 Aussteller, 200 Künstlerinnen und Künstler auf zehn Bühnen sowie ein Kinderprogramm. Das alles zieht viele Menschen an am Samstag, obwohl das Draußen-Konkurrenzprogramm groß ist, etwa mit Hofflohmärkten in verschiedenen Stadtvierteln.
Die Ludwigstraße ist am späten Nachmittag schon gut gefüllt, an manchen Stellen herrscht ein regelrechtes Gedränge. Wahrscheinlich haben die Menschen ihre Wetter-App konsultiert und festgestellt, dass die Dolce-Vita-Rahmenbedingungen am Sonntag nicht annähernd an die von Samstag heranreichen werden. Für den nächsten Tag ist Regen angekündigt. Wenn, dann jetzt, das werden sich wohl viele gedacht haben. Sonne und 17 Grad, perfektes Flanierwetter.


Ein Stück weiter hat die Polizei ihren Stand aufgebaut, gegenüber von verschiedenen Gruppen der Münchner Friedensbewegung. Aber was am Stand präsentiert wird, spielt für die meisten Besucher keine große Rolle – alles dreht sich um das Gefährt, das daneben steht: ein Polizei-Motorrad, natürlich mit Blaulicht. Jakob, sechs Jahre alt, steigt da jetzt drauf und setzt einen verwegenen Blick auf. Die Mütze, die ihm der Kontaktbeamte David Brons anbietet, will er aber nicht auf den Kopf setzen. Ob er Polizei-Fan sei? Jakob schüttelt den Kopf. Es geht ihm eher um das Motorrad als um die Polizei.
Ein Seifenblasen-Fahrrad hat er zuvor schon ausprobiert, er hat an einem Glücksrad gedreht und mit Lavendeldruck eine Stofftasche gestaltet. Jetzt muss er los, zusammen mit seiner Mutter, sie haben schließlich noch was vor.
Die Lavendeldruck-Taschen gibt es am Stand des städtischen Klima- und Umweltreferats, man riecht sie schon aus einigen Metern Entfernung. Beliebtheitsgrad der Do-it-yourself-Aktion: hoch, wie die Schlange am Stand anzeigt. Daneben kann man selbst Waschpulver mischen, aus nur vier Zutaten. Man braucht: eine kleine Glasflasche, einen Trichter aus Papier, Natron, Soda, Seifenflocken und Spülmaschinensalz - gibt es alles in der Drogerie. Gut schütteln, fertig ist das selbstgemachte Waschmittel.
Das passt zum Thema Nachhaltigkeit, ein Schwerpunktthema beim Zamanand. Das selbstgemachte Waschmittel sei „ein bisschen umweltfreundlicher“ als synthetisches und schnell hergestellt, sagt Lisa Madenach, die den Stand betreut. Theoretisch könne man noch verschiedene Öle dazumischen, und für weiße Wäsche empfehle sich zusätzlich Zitronensäure. Gegenüber von Madenach füllt nun Irmgard Pachl, 64, die Zutaten in das Fläschchen. Sie habe nicht gewusst, dass das so einfach geht, sagt sie. Zu Hause will sie das Pulver ausprobieren. „Schauen wir mal, ob die Wäsche auch sauber wird.“

Auch dem Sport begegnet man überall beim Zamanand Festival. Gegenüber der Staatsbibliothek wird Basketball gespielt. Nahe dem Odeonsplatz präsentiert ein älterer Mann Kerlido, ein lettisches Nationalspiel. Dabei handelt es sich um ein fliegendes Spielzeug mit drei Beinen, das durch einen Stock aufgefangen wird – zehnmal solle man es allein in die Luft werfen und wieder auffangen, dann könne man sich zu zweit mit Hin- und Herwerfen daran probieren, sagt der Mann.
Daneben ist ein Skate-Parcours aufgebaut. Bei der Tanzschule Salsamás herrscht Partystimmung, das Publikum tanzt begeistert mit, was die Tanzlehrer auf der sogenannten Welttanzbühne präsentieren. Einige Meter weiter hört man schon wieder ganz andere Musik. Elektronische Klänge am Siegestor markieren den Übergang zum Corso Leopold. Sommerliche Leichtigkeit liegt in der Luft. Getanzt wird überall.
Die Veranstalter der beiden Festivals zeigten sich am Sonntagnachmittag trotz des regnerischen Wetters zufrieden. Manuel Schaumann vom Zamanand steht gerade auf der Feiermeile, als man ihn am Telefon erwischt, er sagt: „Die Leute sind trotzdem da.“ Sie hätten sich gut ausgestattet und genössen die Veranstaltung. Aber natürlich seien es weniger als am Vortag, da schätzte die Polizei die Zahl der Besucher auf 120 000.
Nach zwei verregneten Wochenenden für das Zamanand und den Corso Leopold im vergangenen Jahr habe das Wetter diesmal zumindest am Samstag toll mitgespielt, so Schaumann. Wenn er in die Gesichter der Flanierenden geschaut habe, sei da viel „gelöste Stimmung“ gewesen. Auch Andreas Keck vom Verein Corso Leopold spricht von einem „friedlichen und schönen“ Fest, von einem „großartigen Zuspruch“ am Samstag. Schon um 15 Uhr, noch vor dem offiziellen Start, sei die Straße so voll gewesen, dass die Polizei keine Fahrzeuge für die Aufbauten mehr hereingelassen habe.