Süddeutsche Zeitung

World Cleanup Day:Eine Aktion, die wie eine große grüne Welle über die Welt rollt

Am Samstag wird weltweit wieder Müll aufgesammelt. Sonja Wilhelm, Teamleiterin in Bayern, erzählt von ihrem spektakulärsten Fund und unangenehmen Momenten an der Parkbank.

Von Katharina Federl, München

Noch immer landet ein großer Teil des Mülls weltweit an Orten, wo er nicht hingehört. Am World Cleanup Day sollen Menschen dazu animiert werden, die Welt zu einem saubereren Ort zu machen. Die 27-jährige Münchnerin Sonja Wilhelm leitet die Aktion in Bayern und erzählt von ihrer Motivation, E-Roller aus der Isar zu fischen und Zigaretten im Olympiapark aufzusammeln.

SZ: Frau Wilhelm, wer kam auf die Idee, einen solchen Tag ins Leben zu rufen?

Ursprünglich kommt die Idee aus Estland, wo sich 50 000 Bürgerinnen und Bürger schon im Jahr 2008 auf den Straßen versammelt haben, um ihr Land gemeinsam von illegal entsorgtem Müll zu befreien. Schnell fand ihre Aktion internationales Aufsehen, und jedes Jahr kommen mehr Anhängerinnen und Anhänger dazu. Die weltweite Aktion findet nun schon zum fünften Mal statt.

Was soll der World Cleanup Day bezwecken?

Der World Clean Up Day soll ein Zeichen setzen: gemeinsam für eine saubere und plastikmüll-freie Zukunft. Ich will mit den Aktionen ein Bewusstsein schaffen für die globale Problematik, dass überall auf der Welt, an Land und in den Meeren, Müll herumliegt. An jedem dritten Samstag im September räumen wir für zwei Stunden auf, gemeinsam mit der ganzen Welt. Durch die Zeitverschiebung wird die Aktion wie eine große grüne Welle über den Globus schwappen: Jeder und jede kann dann mit dem Aufräumen anfangen, wann er oder sie möchte.

Wie viele Menschen machen mit?

Im vergangenen Jahr haben mehr als 14 Millionen Menschen aus mehr als 190 Ländern bei der Aktion mitgemacht. Allein in Deutschland waren über 800 Kommunen und knapp 190 000 Helferinnen und Helfer beteiligt. In Bayern werden in diesem Jahr wieder mehr als 100 Cleanups organisiert. Knapp 30 davon finden in und rund um München statt. Es gibt also sehr viele Möglichkeiten mitanzupacken.

Wie viel Müll kommt erfahrungsgemäß zusammen?

Das Ziel ist jedes Jahr, mindestens fünf Prozent der Menschen für den World Cleanup Day zu aktivieren, um möglichst viel Müll aus der Natur zu entfernen. Vergangenes Jahr waren es gut 53 000 Tonnen, wie viel es dieses Jahr werden, wird sich zeigen. Der Fokus liegt heuer besonders auf der Beseitigung von Plastikmüll.

Ist Plastikmüll die häufigste Art Müll, die Sie auf Straßen und in Gewässern finden?

Ja, Plastik findet man echt überall, das ist definitiv das größte Problem. Auch Zigarettenstummel liegen massenweise auf den Straßen. Vor allem an Orten, wo sich Menschen in ihrer Freizeit gerne treffen. In München sind das zum Beispiel der Englische Garten, die Isar und der Olympiapark. Da kann man von Glück sprechen, dass der Abfallwirtschaftsbetrieb hier so eine gute Arbeit leistet. Ohne ihn würde München im deutschlandweiten Ranking mit Sicherheit nicht so gut dastehen.

München ist sauberer als andere deutsche Großstädte, aber auch hier werden bestimmt große Funde gemacht. Was war Ihr ausgefallenstes Fundstück beim Müllsammeln?

Puh, da findet man so einiges, was man nicht erwartet. In der Isar landen zum Beispiel unzählige E-Roller, die man da erstmal wieder rausbekommen muss. Einmal haben wir einen Heimtrainer im Wasser gefunden.

Was machen Sie beruflich?

Ich arbeite als Projektmanagerin an der Hochschule München und motiviere junge Studierende dazu, unternehmerisches Handeln mit sozialem Denken in Einklang zu bringen. Durch meine Arbeit sollen Impact-orientierte Geschäftsmodelle zum "New Normal" in unserer Wirtschaft werden. Das Startup "Recup", das 2016 ein nachhaltiges Mehrweg-Pfandsystem für To-Go-Becher auf den Markt gebracht hat, ist ein gutes Beispiel dafür, was mit "Impact-orientiert" gemeint ist. Für mich geht es immer darum - und das ist die Parallele zu meiner ehrenamtlichen Arbeit beim World Cleanup Day -, Menschen für bestehende Probleme zu sensibilisieren und letztlich durch soziale Innovationen eine positive Wirkung für unsere Gesellschaft zu erzielen.

Wie fallen die Reaktionen auf die Müllaktion aus? Schließen sich Leute spontan an?

Wir kriegen überwiegend positives Feedback. Wenn wir auf den Straßen und in Parks unterwegs sind, sprechen uns echt viele Leute an, was wir denn da genau machen und ob sie auch helfen können. Viele sind total überrascht, wenn ich ihnen sage, dass wir alle ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind und keine Sozialstunden oder ähnliches ableisten. Es gibt aber auch unangenehme Situationen. Wenn ich im Olympiapark Zigarettenstummel aufhebe zum Beispiel und auf der Bank jemand sitzt, mit Kippe in der Hand. Spätestens, wenn ich mit der Zange um ihn oder sie rumwusele, spüre ich in seinem oder ihrem Blick ein gewisses Schamgefühl. Aber wenn das dafür sorgt, dass die Zigarette nicht auf dem Boden landet, hat sich die Aktion für mich schon gelohnt.

Ob Privatpersonen, Schulen, Initiativen oder Vereine, jeder und jede kann beim World Cleanup Day am 17. September mitmachen. Infos zu den Aktionen in München und Umgebung unter www.worldcleanupday.de.

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