Fertigstellung 2026:Neues Schutzhaus für wohnungslose Mütter

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Architekt Florian Nagler (rechts) unterstützt Jutta Speidel beim Bau des dritten Horizonthauses mit seinem Baukonzept. (Foto: Catherina Hess)

Der Verein Horizont von Schauspielerin Jutta Speidel beginnt nun mit dem Bau des Hauses, in dem die oft traumatisierten Frauen und ihre Kinder betreut werden sollen. Es soll Platz für bis zu 20 Familien bieten.

Von Thomas Becker

Auftritt Jutta Speidel: immer wieder ein Schauspiel. Eins der unterhaltsamen Art. Auch wenn sie gar nicht in ihrem Brotjob - der Schauspielerei - unterwegs ist, sondern als sozial Engagierte, im Ehrenamt als Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Horizont e.V. Den hat sie 1997 gegründet, als ihr bewusst wurde, dass es auch in der so lebenswerten Weltstadt mit Herz zu viele Mütter und Kinder ohne festen Wohnsitz sowie sozial benachteiligte Familien gibt, denen keiner hilft. Eine Herkulesaufgabe.

Also gerade groß genug für Speidel, die vor vier Monaten angeblich 70 geworden sein soll, wobei es sich nur um eine Falschmeldung handeln kann. Welche 70-Jährige hat denn bitte schön noch so viel Power? Schaut man der energischen Dame bei ihrem Pressetermin zur sogenannten Aufbruch-Party für das nächste 14,8 Millionen Euro teure Großprojekt zu, kommt einem sofort der Begriff ‚in die Pötte kommen‘ in den Sinn.

Erst mal jedem die Hand schütteln, dann kann’s auch schon losgehen: ein Foto zum Spatenstich? Klar, machen wir, wo ist der Spaten? Gerade ist nur eine Schaufel da, aber wie egal ist das denn? Die Botschaft ist klar: Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt! Und falls es doch nicht so klar sein sollte, legt die Schauspielerin noch mal nach, schippt für die Fotografen imaginäre Schaufeln voller Sand durch die Gegend und ruft dazu: „Hau ruck! Hau ruck!“ Ja, anpacken, das kann sie, die Speidel Jutta.

Der Anlass zur Aufbruch-Party: Die Initiative Horizont baut im Nordwesten Münchens ein drittes Haus für wohnungslose Mütter und ihre Kinder. Es entsteht geschützter Wohnraum auf Zeit für 20 Familien mit ganzheitlichem Betreuungskonzept sowie ein Gesundheits- und Therapiezentrum für traumatisierte Frauen und Kinder. Baubeginn: jetzt. Die Verfahren für die Genehmigung und die Wohnbauförderung durch die Stadt wurden in der vergangenen Woche abgeschlossen. Geplante Fertigstellung des mehr als 2000 Quadratmeter großen Projekts: in zwei Jahren.

Wie wichtig Speidels Engagement ist, zeigt ein Blick auf die Zahl der Wohnungslosen in der Stadt: Laut Sozialreferat waren im November 2023 mehr als 11 000 Menschen ohne feste Bleibe, darunter 3300 Kinder und Jugendliche. Die Tendenz ist deutlich steigend. Wohnungslose Kinder und ihre Mütter leiden in besonderer Weise, weil sie meist häusliche Gewalt erfahren mussten. Neben brüchigen Familienstrukturen prägen immer häufiger auch Fluchterfahrungen die Schicksale der Hilfesuchenden: Erlebnisse, die traumatisieren und krank machen. Hinzu kommen die sozialen Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Ihre Not aus eigener Kraft zu überwinden, ist für Betroffene oft nicht möglich. Daher sind Hilfsangebote wie das von Horizont wichtiger denn je.

Ein Modell zeigt, wie das neue Schutzhaus für wohnungslose Mütter und ihre Kinder später einmal aussehen soll. (Foto: Catherina Hess)

Nur wie findet man in einer Stadt wie München Wohnraum für Bedürftige? Manchmal hilft da Kommissar Zufall. Dachte Jutta Speidel jedenfalls, als ihr 2016 ein Brief ins Haus flatterte und die Horizont-Chefin erfuhr, dass sie gerade ein Haus samt Grundstück geerbt hatte. Eine Bäuerin aus besagtem Münchner Nordwesten – da es sich um ein Schutzhaus handelt, bleibt die genaue Adresse nicht-öffentlich – hatte Horizont im Testament bedacht, und Speidel fragte sich: Wie kommt die gerade auf uns?

Des Rätsels Lösung brachte der Besuch eines Schweizer Schauspielerkollegen, der früher oft in München gedreht hatte. Dem zeigte Speidel das geerbte Grundstück, woraufhin der verdutzt ausrief: „Ach, das ist ja meine alte Stammkneipe!“ Es stellte sich heraus, dass die Bäuerin in ihrem Gasthaus seit den 60er-Jahren oft und gerne Schauspieler beherbergt und verköstigt hatte – und so schloss sich wohl der Kreis zur sozial engagierten Schauspielerin Speidel. Über Jahre hinweg bewies sie mal wieder Steher-Qualitäten, bis sämtliche Hürden für Haus Nummer drei genommen waren. Nur einen Bauhelm will sie für die Fotografen dann doch nicht aufsetzen: „Kommt nicht infrage! Dann hab’ ich gleich ’nen Bad Hair Day.“

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