Süddeutsche Zeitung

Mietpreise in München:Die Mittelschicht hat in Münchens Mitte keinen Platz mehr

Die Preise im Neubaugebiet am Nockherberg zeigen: Die Politik im Bund muss endlich gegen explodierende Grundstückspreise vorgehen.

Kommentar von Anna Hoben

Höchstens ein Drittel des Nettoeinkommens sollte ein Haushalt für die Miete ausgeben. Darin sind sich Experten einig. Was bedeutet das im Fall einer Familie, die eine Vier-Zimmer-Wohnung im Neubaugebiet am Nockherberg beziehen möchte? Um die 2500 Euro warm werden für so eine Wohnung fällig. Die Familie sollte also über ein monatliches Nettoeinkommen von 7500 Euro verfügen. Es gibt im selben Haus auch Apartments mit 35 Quadratmetern. Endlich mehr Wohnraum für Studenten, will man jubeln. Aber mehr als 1000 Euro Miete - das ist dann wohl nur etwas für Studenten mit elterlichem Luxushintergrund.

Die nun veröffentlichten Mietpreise zeigen, wo die Reise auf dem Wohnungsmarkt hingeht. Und sie wird auch nicht gestoppt von Mietpreis- oder sonstigen rostigen Bremsen. Denn für Neubauten gilt das Instrument nicht - die Politik will Investitionen nicht bremsen. Nach dem Motto: bauen, bauen, bauen, Hauptsache Wohnraum, wir brauchen jeden Quadratmeter. Gewiss, dank schon vor langer Zeit klug eingeführter Instrumente wie der sozialgerechten Bodennutzung wird es auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände auch Sozialwohnungen geben. Das ändert aber nichts daran, dass die Preise für Wohnungen, die eigentlich für Normalverdiener gedacht sind, ins Unermessliche steigen.

Es helfen also kein Mietspiegel, keine Mietpreisbremse und kein Begehr für einen Mietenstopp, das der Münchner Oberbürgermeister gerade als einer der Ersten höchstselbst unterschrieben hat. Auch aus Letzterem sind Neubauten ausgenommen. Umgekehrt aber werden die Mondmieten vom Nockherberg dann sehr wohl in den Münchner Mietspiegel einfließen und dazu beitragen, dass dieser weiter in die Höhe klettert.

Die Mittelschicht hat in Münchens Mitte keinen Platz mehr. Und die Wurzel des Problems liegt da, wo Wurzeln zu liegen pflegen: im Boden. An der Entwicklung der Neubaupreise wird sich nichts ändern, so lange die Politik im Bund davor zurückschreckt, etwas gegen explodierende Grundstückspreise zu unternehmen. Ideen dafür gibt es seit den Siebzigerjahren. Man muss sie nur umsetzen.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2019
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