Flächenfraß in MünchenEine Stadt stößt an ihre Grenzen

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Angesichts der Klimakrise müssen gerade in den Außenbereichen der Stadt Frischluftschneisen freigehalten werden, hier ein Blick auf das Neubaugebiet Freiham.
Angesichts der Klimakrise müssen gerade in den Außenbereichen der Stadt Frischluftschneisen freigehalten werden, hier ein Blick auf das Neubaugebiet Freiham. (Foto: Friedrich Bungert)

Bislang hat der Wohnungsbau in München Vorrang. Aber wie können verbliebene Grünflächen erhalten werden und möglichst noch mehr Parks entstehen? Eine Erkundung in anderen Metropolen soll Lösungen bringen.

Von Thomas Anlauf

Drei Viertel von München sind bebaut. Damit ist die Stadt die mit Abstand am stärksten zugepflasterte Metropole in Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist Berlin mit 70,6 Prozent verbaut, danach folgen Köln mit knapp 61 Prozent, Hamburg mit etwa 59 Prozent und Frankfurt mit 58,5 Prozent. München hat im Gegensatz zu anderen Großstädten das Problem, dass es eng gefasste Grenzen hat und somit im Wortsinn seit vielen Jahren an seine Grenzen stößt.

Die schon jetzt bebauten Flächen sind nach Angaben des Münchner Planungsreferats "allein wegen der angespannten Situation auf dem Bodenmarkt bereits heute sehr effizient genutzt", frei werdende Flächen würden "insbesondere als Wohnbauflächen" wiederverwendet. Trotzdem will die Stadt nun eine Charta erstellen, wie Münchens verbliebene Grün- und Freiflächen erhalten werden und möglichst noch mehr Parks und Plätze entstehen können.

Selbst die Grünen tun sich schwer, zwischen Wohnungsbau und Grünflächenschutz abzuwägen

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Noch gibt es einige Felder, Wälder und Wiesen vor allem im äußersten Westen und Norden der Stadt. Doch auch sie sollen zunehmend bebaut werden, zum Teil regt sich dagegen massiver Protest wie in Johanneskirchen und Daglfing oder in Feldmoching. Die Kritik ist zum Teil durchaus begründet, denn angesichts der Klimakrise müssen gerade in den Außenbereichen der Stadt Frischluftschneisen freigehalten werden, um München bei steigenden Temperaturen nicht noch stärker aufzuheizen. Zudem soll die Artenvielfalt in der Stadt möglichst erhalten bleiben. Auf der anderen Seite ist der Wohnraummangel so groß, dass sich selbst die Grünen im Stadtrat schwer tun, zwischen dem notwendigen Wohnungsbau einerseits und dem Grünflächenschutz auf der anderen Seite abzuwägen.

Das Planungsreferat hat deshalb andere Großstädte betrachtet, wie diese mit ihrer "grünen Infrastruktur" umgehen. Berlin beispielsweise hat im vergangenen Jahr beschlossen, "die Entwicklung des Stadtgrüns konsequent und nachhaltig als integralen Bestandteil der Stadtentwicklung zu berücksichtigen, verstetigen und weiter zu entwickeln". Das Programm soll bis 2030 umgesetzt werden.

In Hamburg gibt es ebenfalls eine Selbstverpflichtung, Naturschutzgebiete zu vergrößern, dem öffentlichen Freiraum und dem Naturschutz mehr Bedeutung beizumessen sowie öffentliche Parkanlagen möglichst auch in dicht bebauten Stadtquartieren zu entwickeln. Wien wiederum hat 2020 ein Leitbild beschlossen: Dort wird nun unter anderem zwischen hochwertigen Grünräumen, die definitiv nicht bebaut werden dürfen, zukünftigen Grünflächen, die bislang noch versiegelt sind, und einem Netz an Frei- und Grünflächen innerhalb der Stadt, die für alle Wienerinnen und Wiener innerhalb von 250 Metern erreicht werden können, unterschieden.

Das Planungsreferat räumt ein, dass es primär um die Schaffung von Wohnraum gehe

Davon ist München noch weit entfernt. Zwar gibt es Pläne, in diesem oder kommenden Jahr eine Leitlinie "Freiraum" zu entwickeln. Auch der Stadtentwicklungsplan "Step 2040" weist in diese Richtung. Doch konkrete Maßnahmen für mehr Grün sind bislang nicht in Sicht. Das Planungsreferat räumt auch ein, "dass es bei der Bebauungsplanung primär um die Schaffung von Wohnraum oder andere bauliche Entwicklungen geht.

Bebauungspläne, bei denen die Sicherung und der Ausbau von Grünflächen beziehungsweise der Grünen Infrastruktur im Vordergrund steht, wurden bisher nur in besonderen Einzelfällen angegangen". Mittlerweile hat sich die Sicht auf die Grünflächen in der Stadt allerdings verschoben. Denn nun sind nicht mehr allein das Planungs- und das Baureferat zuständig, sondern vor allem das neue Referat für Klima- und Umweltschutz.

Wie schleppend das Thema bislang angegangen worden ist, wird an zwei Stadtratsanträgen ersichtlich. Im November 2019 forderte die SPD in einem Antrag eine "Münchner Entsiegelungsoffensive", Ende Juli 2020 legte die ÖDP nach mit dem Antrag "Flächenfraß begrenzen - München wird Vorreiter". Behandelt werden beide Anträge erst in der Vollversammlung des Stadtrats an diesem Mittwoch.

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